Groschenromantik

Auch Retter brauchen Hilfe. Finanzielle zumeist. Auf ihre Spendenschiffchen kann sich die DGzRS verlassen

Bei 2352 Einsatzfahrten hat die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) im letzten Jahr in Ost- und Nordsee 580 Menschen aus Seenot gerettet, 876 Menschen aus Gefahrensituationen befreit, 473 Kranke oder Verletzte von Schiffen oder Inseln zum Festland transportiert, 48 Schiffe oder Boote vor dem Totalverlust bewahrt, 846 Wasserfahrzeugen aller Art geholfen.

Die Schlagzeilen in den Zeitungen lesen sich dann meist sachlich, oft dramatisch, gelegentlich heroisch oder auch mal ironisch: „Tanker ausgelaufen“, „DGzRS rettet Koch auf See“, „2700 PS stemmen sich gegen Wind und Wetter“, „Männer riskieren ihr eigenes Leben“ oder – nicht frei von einer gewissen Häme – „Segel-Traum endete in der Elbmündung“. Hinter jeder dieser Meldungen stehen Lebensgeschichten, stehen Retter und Gerettete. Und jede dieser Hilfsaktionen muss finanziert werden. Von wem? Von Spendern – und nur von Spendern; staatliche Zuschüsse kennt die DGzRS nicht. Zehn Prozent der Erträge stammen aus den kleinen Rettungsbooten, die in Kneipen, Arztpraxen und Vereinen stehen – das sind jährlich rund zwei Millionen Mark. 20 000 der kleinen Schiffchen, die einst aus Holz waren und heute aus Plastik sind, gibt es in Deutschland. Sie sind nicht nur an der Küste verbreitet, auch tief im Binnenland stößt man an den seltsamsten Orten auf sie.

Das Seerettungswesen entstand Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Not. Allein vor den Inseln der deutschen Nordsee gerieten jährlich rund 50 Schiffe in Bedrängnis. Der Mangel an Koordination und Ausrüstung machte die Bergung von Schiffbrüchigen schwierig. Örtliche Rettungsvereine schlossen sich 1865 zur DGzRS zusammen. Die Organisation wuchs kontinuierlich zu einer der modernsten Rettungsflotten der Welt. 60 Kreuzer und Boote sind heute im Einsatz. Ihr Wappen ist das rote Hansekreuz auf weißem Grund. Die Flotte war im Zweiten Weltkrieg unter den Schutz der Genfer Konvention gestellt; während dieser Zeit waren die Schiffe zusätzlich mit dem Roten Kreuz gekennzeichnet.

Die Menschen, die zur Finanzierung beitragen, indem sie Rettungsschiffchen in ihrem Büro oder Geschäft aufstellen, haben unterschiedliche Motivationen. Bei den einen wurde ein Nahestehender von der DGzRS aus dem Wasser geborgen, bei anderen ist es Tradition. Manche tun es schlicht, weil sie das Schiffchen schön finden.


Peter Klink, Arnold Pröber, Werner Albertsen, Dirk Göttsch, Seenotkreuzer „Berlin“, Laboe

„Das Schiffchen steht bei uns, weil wir einmal die Woche Besuchertag haben. Wir können ja 14 Tage nicht von Bord gehen, weil unsere Schicht so lange dauert. Danach haben wir zwei Wochen frei. Manchmal haben wir drei Einsätze pro Nacht.“


Jürgen Zismer, Polizeihauptkommissar, Polizeirevier 15, Hamburg

„Manchmal versuchen uns die Leute zu bestechen und werfen deshalb Kleingeld in das Schiffchen. Es steht hier schon seit 40 Jahren auf der Davidswache. Früher hat manchmal einer Scheine reingesteckt, das tut heute kaum noch einer.“


Ursula Engelhardt und Gisela Keyser, Zweckverband Mittelpunkt Deutschlands, Niederdorla

„Es gibt ein Ehepaar aus dem Nachbarort, da ist der Mann zur See gefahren, und die haben das Schiffchen aufgestellt. Jedes Jahr im Juni beim Mittelpunktfest kommen sie her und leeren es.“


Franziska Wolff, Garderobe des Restaurants im Fernsehturm am Alexanderplatz, Berlin

„Es ist bestimmt das Sammelschiff mit der besten Aussicht. Immerhin liegt das Café auf 207,53 Meter Höhe. Am 3. Oktober ist der Fernsehturm 32 Jahre alt geworden. Das Schiffchen steht aber erst seit letztem Jahr hier.“


Peter Jännert, Redakteur, RTL, Abteilung Fiction, Köln

„Ich komm halt aus Hamburg und kannte die Dinger schon als Kind. Normalerweise habe ich das Schiffchen eingeschlossen, es könnte ja geklaut werden. Alle 14 Tage nehme ich es zur Sitzung raus, und jeder, der ’nen blöden Spruch macht, zahlt ein, zwei Mark.“ (Peter Jännert trägt im Bild ein weißes Hemd.)


Shanty-Chor Isar-Möwen, München

„Unseren Chor gibt es seit 25 Jahren, und das Schiffchen nehmen wir immer mit auf unsere Konzertreisen. Beim Kurkonzert in Bad Kohlgrub kommen jedes Mal 300 bis 500 Mark zusammen. Da sind viele Schweizer und Norddeutsche, die spenden gerne.“


Wechselstube GmbH, Claus Schmidt, München

„Ich überweise mehrmals im Jahr 50 Mark aus eigener Kasse, weil im Schiffchen so wenig drin ist. Ich lass es aber trotzdem stehen, ist ’ne gute Sache.“


Susys Showbar, Hamburg

„Am meisten Geld kommt in den ,Etablissements‘ zusammen. Die Männer sind an solchen Abenden besonders spendierfreudig. Vielleicht ist’s das schlechte Gewissen.“ (DGzRS-Presseabteilung)


Gaststätte Nordlicht, Hamburg

„Wissen Se, das is ’ne Kiezkneipe. Hier kommen viele Leute vom Hafen her. Das Schiffchen steht hier schon, seit es die Kneipe gibt: seit 19 Jahren. Einmal im Jahr kommt jemand von der Gesellschaft mit ’m Schlüssel und nimmt das Geld mit.“


Frau Loennies, Kirchengemeinde Sankt Remberti, Bremen

„Wir waren vier Kapitänswitwen in der Gemeinde. Beim Kaffeekränzchen häkelten wir für die DGzRS Sparstrümpfe. Später haben wir das Schiffchen aufgestellt. Und immer wenn wir verreisten, haben wir es mitgenommen. Heute tun wir das immer noch, aber es gibt nur noch zwei von uns: Frau Klugkist und mich.“


Peter Baars, Kantine des Amtes für Strom- und Hafenbau, Hamburg

„In unsere Kantine kommen natürlich Hafenarbeiter und die Leute vom Zoll und der Wasserpolizei. Aber immer weniger. Dafür kommen jetzt ganze Busladungen von Besuchern: Geschäftsleute, Rentner, Kegelclubs. Die werfen am meisten Geld ins Schiffchen.“


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 29. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 29

No. 29Dezember 2001 / Januar 2002

Von Zora del Buono und Stefan Pielow

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

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Vita Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono und Stefan Pielow
Vita Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono und Stefan Pielow