Früher, als María López Prieto noch klein war, spielte sie oft mit Neunaugen. Sie lief zum Ufer des Río Miño hinunter und hielt ihre Hand ins Wasser. „Man musste ganz still halten und so lange warten, bis die Haut schrumpelig wurde. Wenn man Glück hatte, saugte sich eines fest“, erzählt die Köchin.
Heute bereitet sie die Tiere zu, im Restaurant „Casa Barcia“ in Arbo. Das Dorf liegt in Galicien, an der spanisch-portugiesischen Grenze. Sechs Rezepte hat die 41-jährige Spanierin im Kopf: Neunauge in Blutsauce, Neunauge paniert, gegrillt, gefüllt mit harten Eiern, Schinken und Paprika, als Pfannengericht mit Suppennudeln und Zuckererbsen oder als Teigtaschenfüllung. „Entweder man liebt Neunaugen oder man hasst sie“, sagt sie. „Mir haben sie immer geschmeckt.“
Zwischen Januar und Mai, wenn die Neunaugen kommen, herrscht in Arbo Hochsaison. Die Wanderfische ziehen von der Sargassosee bei Florida durch den Atlantik bis zum Mündungsgebiet des Río Miño an der spanischen Westküste. Dort schwimmen sie flussaufwärts, um zu laichen. 60 Kilometer hinter der Küste haben die Fischer von Arbo ihre Reusen aufgestellt. Was sie fangen, wird gegessen.
Tausende kommen dann zum großen Neunaugenfest, zur Festa da Lamprea, und bezahlen bis zu 70 Euro für einen ein Kilogramm schweren Fisch. Die Männer leeren im Morgengrauen die Reusen, die Frauen verarbeiten den Fang. María López Prieto tötet die aalartigen Tiere in kochendem Wasser, reibt die Schleimschicht ab, entfernt das kreisrunde Zackenmaul und den Darm. Der Rückenknorpel bleibt, er macht die Blutsauce sämig. Bei diesem Rezept ist der Köchin eine Sache wichtig: „Wir mischen keine Schokolade unter. Bei uns ist wirklich nur Blut drin.“
Wessen Blut da gekocht wird, weiß allerdings niemand so recht. Denn Petromyzontiformes, die Meerneunaugen, sind Vampire. Sie ernähren sich vom Blut ihres Wirtes, meist Lachs, Kabeljau oder Dorsch. Mit ihrer hornigen Zunge raspeln sie deren Haut auf, verbeißen sich mit den konzentrisch angeordneten, spitzen Zähnen am Leib, erzeugen mit dem kreisrunden Maul Unterdruck und saugen schließlich an ihrem Wirt. So ernähren sie sich und reisen gleichzeitig durch den Atlantik.
Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 113. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.
Autorin Brigitte Kramer, Jahrgang 1967, lebt seit 20 Jahren in Spanien. Bei einem ihrer ersten Besuche in Galicien aß sie unwissentlich Neunauge in Blutsoße. Gastfreundliche Spanier hatten ihr eine Portion spendiert und ihr erst hinterher von dem Tier und der Zubereitung erzählt. Seitdem hat Kramer nie wieder Neunauge angerührt.
Vita | Autorin Brigitte Kramer, Jahrgang 1967, lebt seit 20 Jahren in Spanien. Bei einem ihrer ersten Besuche in Galicien aß sie unwissentlich Neunauge in Blutsoße. Gastfreundliche Spanier hatten ihr eine Portion spendiert und ihr erst hinterher von dem Tier und der Zubereitung erzählt. Seitdem hat Kramer nie wieder Neunauge angerührt. |
---|---|
Person | Von Brigitte Kramer |
Vita | Autorin Brigitte Kramer, Jahrgang 1967, lebt seit 20 Jahren in Spanien. Bei einem ihrer ersten Besuche in Galicien aß sie unwissentlich Neunauge in Blutsoße. Gastfreundliche Spanier hatten ihr eine Portion spendiert und ihr erst hinterher von dem Tier und der Zubereitung erzählt. Seitdem hat Kramer nie wieder Neunauge angerührt. |
Person | Von Brigitte Kramer |