Fischen tut weh

Sind Fischer Tierquäler? Oder empfinden Fische keinen Schmerz? Und warum interessiert sich eigentlich keiner dafür?

Die Häscher kamen im Morgengrauen, als die Schafherde friedlich auf dem Deich graste. Flink und ohne von den Tieren als Gefahr wahrgenommen zu werden, legten sie das feinmaschige Netz über die hundert Muttertiere und ihre staksbeinigen Lämmer und zogen es langsam zusammen. Panik brach in der Herde erst aus, als das Maschenwerk mit den strampelnden und blökenden Schafen von Kuttern zunächst über den Schlick und dann ins tiefe Wasser geschleppt wurde, wo sich die Tiere gegenseitig durch das Gewicht der vollgesogenen Wolle unter die Oberfläche drückten und elendig erstickten. So einfach und schnell hatten die Schlächter noch nie eine ganze Schafschar gefangen und getötet. Ein Aufschrei ging durch die Medien: „Tierquälerei! Schluss mit dieser barbarischen Tötungsmaschinerie, ohne Mitleid für die Kreatur!“

Dies ist nur ein Schauermärchen – aber dennoch wahr, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Ganz ähnlich wie der fiktiven Schafherde ergeht es Tausenden, wenn nicht Millionen von Fischen in allen Meeren der Welt jeden Tag. Als Wirbeltiere sind sie zwar im Tierschutzgesetz in vielen Aspekten Warmblütern aus dem Stall gleichgestellt. So gelten auch für Fische Auflagen beim Tierversuch, und die Sachkenntnis zur Tötung muss nachgewiesen sein.

Wie bei Rindern und Schweinen schreibt die seit 1997 bestehende Schlachtverordnung zudem die Betäubung vor der Tötung vor. Trotzdem sind die meisten Fische auf ihrer letzten Reise nur Wirbeltiere zweiter Klasse. Denn die Schlachtverordnung nimmt einen wichtigen, ja entscheidenden Bereich ausdrücklich von der Regelung aus: den Massenfang von Fischen. Damit entspricht das Massensterben ohne Schmerzlinderung an Bord von Schiffen den bislang geltenden rechtlichen Vorschriften.

Glücklich sind die Fachleute vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, zuständig für das kommerzielle Töten von Tieren zur Nahrungsgewinnung, mit dieser Lösung jedoch nicht. Eine Expertengruppe des Verbraucherschutzministeriums bereitet zurzeit eine Novelle der Schlachtverordnung vor, in der auch die Bestimmungen für die Fischerei auf dem Prüfstand stehen.

Dabei geht es um drei Punkte: Wie wirksam ist eine nationale Regelung im globalen Fischereigeschäft? Wie praktikabel sind die Vorschriften im Alltag? Und die eigentliche Frage, die hinter allem steht: Können Fische tatsächlich Schmerz empfinden?

Erwin Königs, Regierungsdirektor im Tierschutzreferat und Fischexperte in dieser Runde, wünscht sich zwar eine neue, EU-weit, besser noch: weltweit verbindliche Norm für den kommerziellen Fischfang. Doch die ist nicht in Sicht. „Fische haben ganz offensichtlich keine Lobby“, resümiert Königs. Sie sind weder warm noch niedlich, haben weder Fell noch Knopfaugen.

Dennoch existieren in der gegenwärtigen Regelung bereits Ansätze zur Leidensverminderung. Für gelungen hält Königs die Bestimmung für Aale. Können die zähen Tiere nicht sofort einzeln getötet und ihre Eingeweide entfernt werden, müssen sie in einem Bottich mit Wasser untergebracht werden, der mittels zweier Elektroden unter Strom gesetzt wird. Eine weitaus barmherzigere Methode als das so genannte „Totlaufenlassen“ in einer hoch konzentrierten Salz- oder Ammoniaklösung, das bis vor wenigen Jahren noch üblich war. Dieses qualvolle Dahinsiechen stellt das Tierschutzgesetz heute unter Strafe. Auch Holmer Kuhlmann von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei hält den Elektroschock zur Tötung von Aalen für sinnvoll. Übertragen auf den übrigen Berufsfischfang lässt sich die Praxis jedoch nicht. „Auf hoher See und überall dort, wo Salzwasser in großen Mengen vorkommt, ist die Verwendung von Strom viel zu gefährlich“, schränkt Kuhlmann ein. Und eine Betäubung der Fische mit chemischen Wirkstoffen kommt ebenfalls nicht in Frage. Hier steht der Verbraucherschutz über dem Tierschutz, Chemikalien haben in Lebensmitteln nichts zu suchen. „Selbst Nelkenöl, das wir zur Ruhigstellung bei Experimenten verwenden, ist vor dem Schlachten nicht zugelassen.“

Gut gemeint, doch lange nicht gut ist der gegenwärtige Umgang mit Salmoniden in der Fischzucht. Salmoniden, zu denen auch Meerforellen und Lachse zählen, sollen durch die Einleitung von Kohlendioxid ins Wasser vor dem Schlachten betäubt werden. Dieser Passus wird in der kommenden Überarbeitung der Verordnung wohl wieder gestrichen. Denn Experimente zeigen, dass die Fische durch das Gas erst recht in Panik geraten und aus dem Wasser springen. Um solche Fehlschläge künftig zu vermeiden, bemühen sich die Experten im Verbraucherschutzministerium nun um wissenschaftlichen Beistand. Bislang mit wenig Erfolg. „Wir haben alle möglichen Forschungsinstitute in Europa mit der Bitte um Informationen angeschrieben. Die Reaktionen gingen jedoch gegen null“, sagt Erwin Königs.


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mare No. 51

No. 51August / September 2005

Von Helmut Broeg

Helmut Broeg, geboren 1966, hat nicht nur Biologie studiert, sondern interessiert sich auch für technische und medizinische Themen, kurzum für alles was den Mensch und seine Umgebung vereint. Nach seiner Ausbildung zum Fachzeitschriften-Redakteur arbeitete er zunächst als Redakteur für die Zeitschrift tauchen und seit 2000 als freier Wissenschafts-Journalist u.a. für GEO, Financial Times Deutschland und Bild der Wissenschaft.

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Vita Helmut Broeg, geboren 1966, hat nicht nur Biologie studiert, sondern interessiert sich auch für technische und medizinische Themen, kurzum für alles was den Mensch und seine Umgebung vereint. Nach seiner Ausbildung zum Fachzeitschriften-Redakteur arbeitete er zunächst als Redakteur für die Zeitschrift tauchen und seit 2000 als freier Wissenschafts-Journalist u.a. für GEO, Financial Times Deutschland und Bild der Wissenschaft.
Person Von Helmut Broeg
Vita Helmut Broeg, geboren 1966, hat nicht nur Biologie studiert, sondern interessiert sich auch für technische und medizinische Themen, kurzum für alles was den Mensch und seine Umgebung vereint. Nach seiner Ausbildung zum Fachzeitschriften-Redakteur arbeitete er zunächst als Redakteur für die Zeitschrift tauchen und seit 2000 als freier Wissenschafts-Journalist u.a. für GEO, Financial Times Deutschland und Bild der Wissenschaft.
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