Fell-Helden

Italiens Schule für Wasserrettungshunde gilt als die beste – und härteste – der Welt. mare beobachtete ihre Arbeit an der Adria

Flach. Das ist das Adjektiv, das am meisten gebraucht wird, wenn von der Oberen Adria die Rede ist. Caorles Unique Selling Point ist der 18 Kilometer lange Strand Levante, so seicht abfallend, dass man gefühlt Kilo­meter durchs Wasser waten muss, bis man endlich Schwimm­tiefe erreicht. Ein Reiseveranstalter empfiehlt Caorles Stadtstrand mit dem Satz: „Da es hier besonders flach ins Meer geht, werden vor allem Familien mit kleinen Kindern an diesem Strandbereich unbeschwerte Sommertage verbringen können, ohne sich zu sehr um die Jüngsten zu sorgen.“ 

Und genau das ist das Problem der Strände an der Oberen Adria: dass sie so harmlos daherkommen. Badewannenwarm, glatt und flach. Wie gemacht für Nichtschwimmer und all jene, denen das Meer nicht geheuer ist. Die einfach nur dümpeln wollen, in der Gewissheit, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren. Untiefen sind da nicht eingeplant, von gefährlichen Strömungen ganz zu schweigen. Im Juni ertrank an Caorles flachem Ponente-Strand im Westen ein 70-jähriger Österreicher nahe der Uferlinie, und am selben Tag wäre eine 83-jährige Deutsche hier ebenfalls fast ertrunken. 

Wäre an Caorles Levante-Strand natürlich nicht passiert. Jedenfalls nicht am Wochenende, wenn die Wasserrettungshunde hier patrouillieren. Wobei von patrouillieren in diesem Moment noch keine Rede ist. Es ist früh am Morgen, der Sand ist frisch geharkt und unberührt, als die Hundestaffel der italienischen Rettungshundeschule, der Scuola Italiana Cani Salvataggio, kurz SICS, Sektion Veneto und Emilia-Romagna, ihr Lager am Strand von Caorle aufschlägt. In Form eines weißen Faltpavillons neben dem Rettungsturm Nummer 11. 

Heute sind Ada und Kira im Einsatz. Ada ist ein cremeweißer Golden Retriever, Kira ein cremeweißer Labrador. Sie dösen noch in ihren Transportkäfigen. Erst wenn ihnen die roten Schwimmwesten mit Halte­schlaufen und Abseilösen angelegt werden, kurz „die Rüstung“ genannt, betrachten sie sich im Dienst, der morgens um halb zehn beginnt und um halb sieben abends endet. 

Seit zehn Jahren ist die Hundestaffel von Juni bis September am freien Strand im Osten von Caorle ehrenamtlich im ­Einsatz, an jenem Stück Meeressaum, das nicht parzelliert und besetzt ist von Strandliegen in abgezirkeltem Abstand, sondern all jenen freisteht, die hier ein Handtuch ausbreiten wollen. Gern auch mit Hund. Der allerdings an der Leine geführt werden muss. Was natürlich – wir befinden uns in Italien – nur selten befolgt wird. Und deshalb fühlen sich hier selbst wandelnde Wischmopps berufen, sich in sicherem Abstand vor dem Faltpavillon der Hundestaffel besinnungslos zu kläffen.

Was Kira und Ada nicht einmal das Heben eines Augenlids abringt. Wir haben es hier mit nichts Geringerem als einer Elite­einsatztruppe zu tun, die keinen Blick auf diese zänkischen Bastarde verschwendet. Die italienische Schule für Wasser­rettungshunde SICS ist europaweit, wenn nicht international, führend auf dem Gebiet der Ausbildung von Wasserrettungshunden und blickt auf gut 30 Jahre Einsatzerfahrung zurück. Wasserrettungshunde haben in Italien mehr als 100 Menschen vor dem Ertrinken gerettet, da verschwendet man keinen Blick auf Hündchen, die unter Kontroll­verlust leiden. 

In Italien versehen 300 Hundestaffeln an vielen italienischen Stränden ihren Dienst. Es ist eine italienische Erfolgs­geschichte, die dazu geführt hat, dass die italienische Schule sogar in Deutschland Wasserrettungshunde ausgebildet hat. Wie alles begonnen hat, kann man in dem Buch „Ich bin Mas“ nachlesen, in dem ein Neufundländer erklärt, wie man Menschen aus dem Wasser rettet. Ghostwriter des Hunds ist Ferruccio Pilenga, Präsident und Gründer der italienischen Schule für Wasserrettungshunde – der sich durch Sportpatentprüfungen für Neufundländer in Frankreich inspiriert fühlte, Techniken für die Wasserrettung durch Hunde aufzubauen. 

Pilenga entwickelte seine Idee mitsamt der nötigen Technik gemeinsam mit Freunden in ober­italienischen Seen, im Iseosee und im Morosee. Sein Hund Mas ist nicht zufällig ein Neufundländer: Sie sind die ausdauerndsten Schwimmer unter den Hunden, gefolgt von Golden Retriever und Labrador – wie Ada und Kira. 

Ada hat mit sechs Monaten die Ausbildung zum Wasserrettungshund angefangen, Kira mit zwei Monaten. Novizen müssen mindestens ein Jahr lang trainiert haben, bevor sie die Prüfung ablegen dürfen. Bei der von SICS entwickelten Rettungstechnik kommt nicht der Hund allein zum Einsatz, sondern immer die Einheit aus Hund und Halter. Die Hunde sind praktisch eine Art Außenbordmotor, der den Halter zum Ertrinkenden zieht. Sie können auch ganze Schlauchboote an Land ziehen, es gibt welche, die springen sogar aus einem Hubschrauber – und das Einzige, was diese hoch ausgebildeten Hunde nicht können, ist sprechen. Deshalb muss hier der Halter einspringen, um zu erklären, wie die Ausbildung des Wasserrettungshunds aussieht.

Im Fall von Kira ist das der Berufssoldat Alessandro, der kurz erläutert, dass sich außer Neufundländern die Golden Retriever und Labradore am besten für eine Karriere als Wasserrettungshund eignen – weil diese Rassen in England, ihrem Ursprungsland, dafür ausgewählt wurden, Wild nach dem Erlegen aus dem Wasser zu holen. Im Grunde aber, erklärt Alessandro, ist jeder Hund geeignet, um sich als Wasserretter zu qualifizieren, Haupt­sache, er ist mindestens 25 Kilogramm schwer. In der Sektion Veneto, die sich das ganze Jahr über in Treviso zum Hundetraining trifft, wurden bereits American Stafford­shire Terrier, Boxer, Berner Sennenhunde, Bullmastiffs, Briards, Sibirische Huskies, Leonberger, Dobermänner, Border Collies, Belgische Schäferhunde, Rottweiler, Misch­linge und sogar ein Pitbull erfolgreich zum Wasserrettungshund ausgebildet. Denn das Wichtigste ist am Ende die enge Beziehung zwischen Hund und Halter, die Erziehung, die alles möglich macht. Ja, im Grunde eigentlich die Liebe. 

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 154. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 154

mare No. 154Oktober / November 2022

Von Petra Reski und Jan Windszus

Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin, lebt seit 1991 in Venedig und träumt seit ihrer Kindheit vergeblich davon, einen Hund zu haben. Am liebsten einen Labrador. Aber weil dem das Leben zwischen 33 Millionen Touristen nicht zuzumuten ist, wird es bei einem Traum bleiben.

Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf in Berlin, hatte früher selbst einen Hund, Max, ein Mischling aus Schnauzer und Schäferhund. „Er war mir wie ein Bruder.“

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Vita Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin, lebt seit 1991 in Venedig und träumt seit ihrer Kindheit vergeblich davon, einen Hund zu haben. Am liebsten einen Labrador. Aber weil dem das Leben zwischen 33 Millionen Touristen nicht zuzumuten ist, wird es bei einem Traum bleiben.

Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf in Berlin, hatte früher selbst einen Hund, Max, ein Mischling aus Schnauzer und Schäferhund. „Er war mir wie ein Bruder.“
Person Von Petra Reski und Jan Windszus
Vita Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin, lebt seit 1991 in Venedig und träumt seit ihrer Kindheit vergeblich davon, einen Hund zu haben. Am liebsten einen Labrador. Aber weil dem das Leben zwischen 33 Millionen Touristen nicht zuzumuten ist, wird es bei einem Traum bleiben.

Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf in Berlin, hatte früher selbst einen Hund, Max, ein Mischling aus Schnauzer und Schäferhund. „Er war mir wie ein Bruder.“
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