Eisbär sells

Seit den 1920ern ist Eisbärfell eine beliebte Grundlage für frivole Bilder. Schlimmer konnte es für den Eisbären nicht kommen

Eisbären streicheln ist nicht so angenehm, wie man sich das vorstellen mag. Nicht nur, weil Eisbären die Neigung haben, sehr heftig zurückzustreicheln. Ihr Fell fühlt sich auch nicht so weich an, wie es aussieht. Eisbärfell ist nicht kuschelig, es ist eher rau, das Sommerfell fühlt sich geradezu borstig an.

Trotzdem betten sich die schönsten Frauen darauf: Das Model Kate Moss posierte für einen Luxusjuwelier auf einem Eisbärfell, genau wie Sängerin Christina Aguilera. Die Schauspielerin Joan Collins ließ sich in einem roten Kimono lasziv darauf ablichten, wie die US-Schauspielerin Caroll Baker, die sich rittlings aufs Fell setzte, zärtlich den Eisbärkopf kraulend. Das Foto, mit dem Marilyn Monroe einst entdeckt wurde, zeigt sie auf allen Vieren auf einem Eisbärfell.

In den 1920er und 1930er Jahren war das Eisbärfell ein beliebtes Accessoire für frivole Aufnahmen. Und in den 1970ern spielte fast jeder ambitionierte Porno auf einem solchen Fell. Offenbar befördert schon das Setting – Abendstimmung, Kaminfeuer, Eisbärfell – amouröse Fantasien. Daran hat sich nichts geändert: Wer sich beim Dekorationsverleih nach Eisbärfellen erkundigt, muss mit misstrauischen Nachfragen rechnen. Zu häufig, klagt man, kämen die Felle „völlig versaut“ zurück. Wahrscheinlich wäre es günstiger, sich auf einem Schafsfell zu fläzen. Aber der Eisbär versprüht offenbar ein Flair, das dem Schaf vollkommen abgeht.

Der Eisbär wird bejagt, seit der Mensch ihn kennt. Für die Bewohner der Arktis ist er eine wichtige Nahrungs- und Fellquelle. Eisbärfell wurde zu Stiefeln, Hosen und Decken verarbeitet, die Sehnen zu Zwirn, das Fleisch wurde gegessen – obgleich es zäh wie Gummi ist –, das Fett ließ sich verbrennen. Noch heute tragen die Inuit vorzugsweise Beinkleider aus Eisbärfell, weniger aus nostalgischen Gründen, sondern weil es wärmer ist als synthetische Fasern. Dass es nicht massenhaft verwendet wurde, hing natürlich auch damit zusammen, dass der Eisbär sein Fell selbst schätzt und es nur unter heftigster Gegenwehr herzugeben bereit ist.

Das änderte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Jagdmethoden modernisiert wurden und man den Tieren mit Flugzeugen nachstellen konnte. So landete er tausendfach als Trophäe vor

den Kaminen der westlichen Welt, alle Beine von sich gestreckt, mit blitzenden Glasaugen und für die Ewigkeit die Zähne fletschend, als wollte er jeden Moment über die am Kamin lungernde Gesellschaft herfallen. Derart präpariert, verkündete der tote Polarbär, dass er ein mächtiges, äußerst gefährliches Tier war – und der Mann, der ihn bezwungen hatte, folglich noch gefährlicher und mächtiger sein musste. Oder zumindest so reich, dass er sich ein Ticket nach Alaska leisten konnte.


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mare No. 91

No. 91April / Mai 2012

Von Tillmann Prüfer

Tillmann Prüfer, geboren 1974, ist Redakteur beim Hamburger Zeit-Magazin und Stilkolumne-Autor.

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Vita Tillmann Prüfer, geboren 1974, ist Redakteur beim Hamburger Zeit-Magazin und Stilkolumne-Autor.
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Vita Tillmann Prüfer, geboren 1974, ist Redakteur beim Hamburger Zeit-Magazin und Stilkolumne-Autor.
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