Eine Party, eine Frau und ein Beinahe-Präsident

Was geschah auf der Insel Chappaquiddick, als US-Senator Ted Kennedy einen Autounfall verursachte, bei dem eine Frau starb?

Ein Feldweg, etwas über einen Kilometer lang, ausgewaschen, trocken, immer wieder Steine, Bodenwellen, Schlaglöcher. Dike Road heißt die Piste bis heute, Dammweg, noch immer führt sie zum Meer. Dieser Weg also – und ein Oldsmobile. Eine jener typisch amerikanischen Limousinen, die gebaut wurden, um über Manhattans Fifth Avenue zu gleiten. Richter James A. Boyle stellte die Frage kein weiteres Mal, jeder im Gerichtssaal hatte sie sowieso ständig im Sinn. Im Oldsmobile? Auf solch einer Rumpelpiste? Und der Angeklagte will nicht bemerkt haben, dass er nicht mehr auf der asphaltierten Straße unterwegs war?

Dem Richter kam einiges merkwürdig vor an dem Fall, über den er urteilen sollte; während der Verhandlungstage waren mehr Fragen aufgetaucht als beantwortet worden. Warum der Fahrer nach dem Unfall zehn Stunden verstreichen ließ, bevor er sich bei der Polizei meldete. Stand er unter Schock? Hatte er deutlich mehr getrunken als angegeben? Wollte er seine Karriere nicht gefährden? Alles Fragen, auf die Boyle keine Antwort bekommen hatte. Aber dass der Angeklagte nicht gemerkt haben wollte, über die holprige Dike Road gefahren zu sein, an deren Ende er dann die Brücke von Chappaquiddick verfehlte, mit seinem Auto im Wasser versank und sich zwar selbst retten konnte, nicht aber das Leben seiner jungen Beifahrerin – das befremdete den Richter mehr als alles andere. Er sprach den Angeklagten schuldig. Senator Edward Kennedy wurde wegen Fahrerflucht verurteilt. Zu Führerscheinentzug und zwei Monaten auf Bewährung.

Es gibt Momente im Leben eines Menschen, in denen sich sein Schicksal entscheidet. Am Abend des 18. Juli 1969 galt Edward „Ted“ Kennedy vielen Amerikanern als der kommende Präsident der USA. Der letzte Sohn der berühmtesten Familie des Landes würde eines Tages ins Weiße Haus einziehen, das war sicher. Am nächsten Morgen, als erste Nachrichten von dem Unfall auf Chappaquiddick durchsickerten, litt Amerika mit dem Senator aus Massachusetts. Schon wieder ein Kennedy, schon wieder dieses Schicksal, schon wieder dieser Fluch, und dann auch noch die tote Beifahrerin, ein ganzes Land wünschte ihm Kraft. Je länger sich aber alles in die Länge zog, je mehr Unklarheiten und Fragen auftauchten, desto mehr trübte sich das Bild des beliebten Politikers ein. Und Ted Kennedy tat nichts, um Klarheit in die Angelegenheit zu bringen. Der Weg ins Weiße Haus war ihm versperrt, noch ehe er von Richter Boyle verurteilt wurde.

Der 18. Juli 1969 also. Ein gemietetes Ferienhaus, ein Grillfest im kleinen Kreis, als Dankeschön für Einsatz und Engagement im zurückliegenden Wahlkampf. Ein Dutzend Leute waren nach Chappaquiddick eingeladen worden, eine kleine Insel vor Martha’s Vineyard an der Küste Massachusetts’. Mit dabei waren sechs junge – und ledige – Frauen und fünf wesentlich ältere – und meist verheiratete – Männer. Man sprach über Politik, den Sommer und die traditionelle Segelregatta, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Man lachte und flirtete. Man trank Whiskey und Wodka, gemixt mit Cola und Soda.

Der damals 37 Jahre alte Kennedy verließ die Party um 23.15 Uhr. Er fuhr nicht allein. Mary Jo Kopechne stieg mit in den schwarzen Olds des Senators. Kennedy erklärte den anderen Gästen, er wolle die 28-jährige Sekretärin auf der Fähre mit nach Edgartown auf Martha’s Vineyard nehmen, wo ein Zimmer für sie gebucht war. Für alles, was an diesem Tag bis zum Zuschlagen der Autotüren passiert ist, existieren Zeugen. Für die Zeit danach gibt es nur noch Kennedys Aussagen. Und jede Menge Spekulationen.


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mare No. 134

No. 134Juni / Juli 2019

Von Stefan Nink

Der Mainzer Autor Stefan Nink, 1965 geboren, liebt es, sich mit jenen Augenblicken zu beschäftigen, die über ein Leben entscheiden, vielleicht auch über die Geschichte. Kennedys Unfall mag ein solcher Moment gewesen sein – oder auch nicht. „Faszinierend ist, dass man es im Rückblick nie mit Sicherheit sagen kann.“

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Vita Der Mainzer Autor Stefan Nink, 1965 geboren, liebt es, sich mit jenen Augenblicken zu beschäftigen, die über ein Leben entscheiden, vielleicht auch über die Geschichte. Kennedys Unfall mag ein solcher Moment gewesen sein – oder auch nicht. „Faszinierend ist, dass man es im Rückblick nie mit Sicherheit sagen kann.“
Person Von Stefan Nink
Vita Der Mainzer Autor Stefan Nink, 1965 geboren, liebt es, sich mit jenen Augenblicken zu beschäftigen, die über ein Leben entscheiden, vielleicht auch über die Geschichte. Kennedys Unfall mag ein solcher Moment gewesen sein – oder auch nicht. „Faszinierend ist, dass man es im Rückblick nie mit Sicherheit sagen kann.“
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