Ein heisses Eisen

Das gedankliche Experiment: Algen binden CO2 – Dünger lässt Algen wachsen – dann müsste das Düngen von Algen gut für unser Klima sein. Doch die Sache hat einen Haken

Gebt mir einen Frachter voll Eisen, und ich mache euch eine Eiszeit.“ Mit dieser eher unwissenschaftlichen Zusammenfassung seiner Arbeit wurde der kalifornische Ozea¬nograf John Martin Ende der achtziger Jahre berühmt. Denn Martin schlug vor, Eisen ins Meer zu geben, um die Algen¬produktion – und damit die Aufnahme von CO2, also Kohlendioxid, im Meer – erhö¬hen könnte.

20 Jahre später versucht das US-ameri¬kanische Unternehmen Planktos, das sich selbst als „Öko-Wiederherstellungsfirma“ bezeichnet, uns davon zu überzeugen, dass durch „Eisendüngung“ der Meere „der Treibhauseffekt und damit die globale Erwärmung verlangsamt wird“ – und will sich das in Form von „CO2-Krediten“ bezahlen lassen. In Zeiten, da Umwelt- und Klimabewusstsein sowie der politi¬sche Druck auf die Kohlendioxid freiset¬zenden Industrienationen wachsen, verspricht das ein lukratives Geschäft unter dem Mantel hehrer Ziele. Doch wie sieht es wirklich aus mit den Versprechungen der San Franciscoer Ökofirma?

Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist den Meereswissenschaftlern bekannt, dass die Menge an Nährsalzen im Wasser bestimmt, wie Phytoplankton – mikrosko¬pisch kleine Organismen, die mit den Was¬serströmen treiben – wächst. Denn wie die Pflanzen auf dem Fensterbrett oder auf dem Feld brauchen auch die in den licht¬durchströmten, oberflächennahen Wasser¬schichten treibenden Algen ausreichend „Dünger“, um zu wachsen. Vor allem Stick¬stoff und Phosphor werden in größeren Mengen benötigt, um die chemischen Bau¬steine der Zellen zu bilden – Proteine, Enzyme, Fette, DNA. Insbesondere in den Weiten der offenen Meere sind die Kon¬zentrationen dieser Nährsalze jedoch so niedrig, dass die Algen eher spärlich gedeihen. Küstennahe Gewässer hingegen beheimaten oft deutlich mehr Algen mit höheren Wachstumsraten, weil die Kon¬zentrationen von Stickstoff – vornehmlich in Form von Nitrat – und Phosphor durch Einwaschungen von Land höher sind.

John Martin stellte diese Zusammen¬hänge in seinem Gedankenexperiment zusammen: Wenn mehr Nährsalze im Wasser zu einem erhöhten Algenwachs¬tum führen, dann steigt damit ihr Potenzial, durch den Prozess der Fotosynthese Kohlendioxid in den Zellen der Algen zu binden. Wenn diese Algen dann zum Mee¬resboden sinken, wird das Treibhausgas CO2 praktisch am Meeresgrund „begra¬ben“. Und so könnte die Algendüngung tatsächlich ein wunderbares Mittel zur Reduzierung des Treibhauseffekts sein. Und aus ebendieser Hypothese der Mee¬resforscher hat Planktos ein Geschäftsmodell entwickelt.

Wie passt nun der mit Eisen beladene Frachter ins Bild? Einige Regionen der Weltmeere – wie der subarktische und äquatoriale Pazifik und der Antarktische Ozean – ermöglichen trotz relativ hoher Nitrat- und Phosphatkonzentrationen nur eine geringe Algenproduktion. Warum können die Algen diese vorhandenen Nährsalze nicht effektiver nutzen? Martin fand heraus, dass es nicht Nitrat und Phosphor sind, die das Algenwachstum in diesen Regionen begrenzen, sondern die Verfügbarkeit von Eisen. Denn auch Eisen ist ein wichtiger Bestandteil der chemi¬schen Zellbausteine.

Auf natürlichem Weg gelangt Eisen mit den Flüssen oder durch den windgetriebe¬nen Eintrag eisenhaltigen Staubes vom Land ins Meer. Besonders der Staub aus der Sahara „düngt“ so den zentralen Atlan¬tik, die Karibik, und sogar den Golf von Mexiko mit Eisen. In küstennahen Zonen und Gebieten mit hoher Staubzufuhr ist Eisenmangel also kein Problem. Anders sieht es dagegen in küstenfernen Regionen wie dem subarktischen und äquatorialen Pazifik oder dem Antarktischen Ozean aus, wo eine permanente Eisdecke die Staubentstehung verhindert – kein Staub, kein Eisen, kein Algenwachstum.

Diese Erkenntnisse führten John Mar¬tin 1988 zu seiner Hypothese, dass die Eisendüngung in solchen Meeresgebieten dem Treibhauseffekt entgegenwirken könnte. „Natürlich stimme ich zu, dass es besser wäre, wenn die Amerikaner ihre Autos stehen ließen, die Chinesen ihre Kohlereserven nicht abbauten und die Bra¬silianer ihren Regenwald stehen ließen. Aber wir leben nun einmal nicht in einer perfekten Welt. Ein wenig Eisen ins Meer schütten wäre besser, als der Klimaerwärmung tatenlos zuzusehen“, erklärte Martin, der sich der Tragweite seiner Hypothesen bewusst war und den „politi¬schen Missbrauch“ seiner Erkenntnisse zu verhindern suchte. Denn, so die Befürch¬tung der Kritiker, warum sollte sich die Politik noch um eine unpopuläre Reduzie¬rung des CO2-Ausstoßes bemühen, wenn die Forscher einen bequemen Ausweg zeigen? „Ich werde niemals eine Eisen¬düngung im Meer befürworten, bevor ich die Folgen nach detaillierter Forschung verstanden habe“, schwor Martin.

Er konnte aber weder die weitere Erforschung noch die Bestätigung seiner Hypothese miterleben. In der Kindheit an Polio erkrankt, konnte der Ozeanograf nie selbst zur See fahren. Und das erste große Eisenexperiment begann erst vier Monate nach seinem Tod. Am 23. Oktober 1993 begannen Forscher, 250 Kilometer süd¬westlich der Galapagosinseln rund 450 Kilogramm Eisen im Pazifik zu verteilen. Die Eisenlösung enthielt auch eine farb-lose Chemikalie, anhand derer die For¬scher die Fläche und Verdünnung des gedüngten Wassers verfolgen konnten. Binnen drei Tagen hatte sich die Algen¬menge verdreifacht. Nicht die zwölffache Erhöhung, die Martin prophezeit hatte, aber immerhin eine grundsätzliche Bestä¬tigung seiner Hypothese – zum ersten Mal nicht nur in kleinen Laborflaschen, son¬dern direkt im offenen Ozean erprobt und gemessen.


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mare No. 66

No. 66Februar / März 2008

Von Frank J. Jochem

Frank J. Jochem ist Professor für Biologische Meereskunde an der Florida International University in Miami. mare-Lesern der ersten Stunde ist er wohlbekannt. Bis 1999 war er Redakteur für Wissenschaft.

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Vita Frank J. Jochem ist Professor für Biologische Meereskunde an der Florida International University in Miami. mare-Lesern der ersten Stunde ist er wohlbekannt. Bis 1999 war er Redakteur für Wissenschaft.
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Vita Frank J. Jochem ist Professor für Biologische Meereskunde an der Florida International University in Miami. mare-Lesern der ersten Stunde ist er wohlbekannt. Bis 1999 war er Redakteur für Wissenschaft.
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