Edward Hopper – Realist und Melancholiker

Berühmt machten den US-Maler seine Bilder vom Niedergang des amerikanischen Traumes in den Großstädten. Seine Meereslandschaften erzählen davon mindestens ebenso beredt

Ich wäre gern ein Schiffbauer geworden, aber nun bin ich eben Maler“, gestand Edward Hopper in den 1950er-Jahren einem Journalisten. Mit seinen Gemälden „Nighthawks“, „New York Office“ und „Western Motel“ war er da längst einer der berühmtesten Künstler Amerikas. Weniger bekannt waren damals wie heute die Seestücke, die er vor allem in South Truro auf Cape Cod gemalt hat, seinem Refugium am Atlantik für mehr als 30 Jahre. 

„Rowboat at Rocky Cove“, das erste Ölbild des damals gerade 13-Jährigen, zeigt ein kleines Ruderboot am Hudson River. Seit seiner Kindheit interessierte sich der 1882 in Nyack, New York, geborene Hopper für Schiffe und Seefahrt, obwohl der Atlantik etliche Meilen flussabwärts lag. Aber in Nyack gab es eine große Werft für Flussdampfer und eine kleinere für Segelyachten. Der Junge liebte es, wie Huckleberry Finn am Hudson zu sitzen, den Raddampfern nachzuschauen und die eleganten Yachten der Industriekapitäne zu zeichnen, die von Manhattan heraufkamen. Mit seinen Freunden gründete er den „Boys Yacht Club“ und segelte mit ihnen auf dem Tappan Zee, der breitesten Stelle des Hudson. Das Segelboot seiner Träume taufte er „Water Witch“ nach einem Seeroman von James Fenimore Cooper, den er mit Begeisterung las. Die Maler der Hudson River School, vor allem Thomas Cole, wurden für ihn anregende Vorbilder. Ihr Licht findet sich noch in seinen späten Bildern wieder. 

Schon bald nach seinem Studium bei Robert Henri und William Merritt Chase an der New York School of Art zog es Hopper an die Küste von New England. Ab 1912 malte er in Gloucester, dem ältesten Fischereihafen an der Ostküste der USA. Die Aquarelle von Kapitänshäusern und Kuttern brachten den ersten Ausstellungs- und Verkaufserfolg. Nach der Hochzeit mit seiner ehemaligen Kommilitonin Josephine Nivison fuhren beide 1924 in ihren Flitterwochen in die Hafenstadt auf Cape Ann, um dort zu malen. Auf Cape Elizabeth in Maine entstanden ab 1927 die Gemälde des Leuchtturms von Two Lights. Doch den Ort am Atlantik, an dem die Hoppers fast jeden Sommer verbringen sollten, fanden sie auf Cape Cod, das unter Malern auch als „Cape Light“ bekannt war. 

Beim ersten Aufenthalt von Jo und Edward Hopper im Juni 1930 zählte South Truro gerade 500 Einwohner. Wie der Nachbarhafen Wellfleet konnte der Ort auf eine lange Walfanggeschichte zurückblicken, die den Melville-Leser Hopper anzog. Mehr noch faszinierte ihn die Einsamkeit und das Licht in den Dünen von Truro. „Ein wunderbares Land voller grüner, sandiger Hügel“, schrieb Jo Hopper in ihr Tagebuch. „Weit offen zum Himmel, windig und wild. Weniger ruiniert als die meisten anderen Orte auf dem Kap. Wenige Häuser, nirgends ein Hotel, kein Kino, kein Laden.“ Edward Hopper schrieb an seinen Freund Clarence Chatterton: „Schöne, große Sandhügel, eine Wüste im Kleinformat mit guten Dünenformationen. Ein offenes, fast baumloses Land. Ich habe schon ein Bild fertig und ein neues angefangen, dazu ein paar miserable Aquarelle.“ 

Diese „miserablen Aquarelle“ wie „North Truro Station“ oder „South Truro Post Office“ haben die Atmosphäre der 1930er-Jahre auf dem Cape festgehalten. Doch die Malerei im Freien erwies sich bald wegen der Mücken und der neugierigen Sommergäste als lästig. Hopper skizzierte vom Auto aus und malte seine Bilder im Atelier am Atlantik, das er 1934 hatte bauen lassen. Das Haus steht noch heute über Fisher Beach und leuchtet weit über die „Hopper Landscape“. Zwei der frühen Gemälde, „Cobb’s Barn, South Truro“ und „Burly Cobb’s House, South Truro“, hängte sich Barack Obama 2014 neben seinen Schreibtisch im Oval Office, bei einer Auktion vor fünf Jahren brachte „October on Cape Cod“ von 1946 bei Christie’s den Rekordpreis von 9,6 Millionen Dollar. 

„Die Schatten hier sind nicht so dunkel wie in Maine“, notierte Jo Hopper 1936 in ihr Tagebuch. „Edward sagt, sie sind licht, weil die Atmosphäre hier viel dichter ist. Das brillante Licht ergießt sich überall hin und macht auch die Schatten licht.“ Doch für Jo Hopper gab es hier kein ungetrübtes Idyll. Ihr Mann hasste die Künstlerkolonien von Provincetown und untersagte ihr Ausflüge zu ihren dortigen Bekannten. Mehr als einmal drohte er, ihre Aquarelle in hohem Bogen in den Atlantik zu werfen. Jo Hopper klagte ihrem Tagebuch wütend ihr Leid, war aber am Ende doch immer wieder fasziniert von den Bildern, die ihr Mann nach endlosem Suchen auf die Leinwand bannte. Sie hielt ihm in der Einsamkeit von Truro bis zu seinem Tod die Treue und übergab seinen Nachlass sowie ihre eigenen Bilder dem Whitney Museum of American Art. Die Kuratoren bedankten sich höflich und sortierten anschließend ihre Bilder wieder aus. 


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mare No. 132

No. 132Februar / März 2019

Von Holger Teschke

Holger Teschke, Autor des Buches Mein Cape Cod, hat die Küste von Truro seit 1993 immer wieder auf der Suche nach Hoppers Landschaften besucht. Seine biografischen Kenntnisse verdankt er Gail Levins Edward Hopper. An Intimate Biography, seine geografischen ihrer Studie „Hoppers Places“.

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Vita Holger Teschke, Autor des Buches Mein Cape Cod, hat die Küste von Truro seit 1993 immer wieder auf der Suche nach Hoppers Landschaften besucht. Seine biografischen Kenntnisse verdankt er Gail Levins Edward Hopper. An Intimate Biography, seine geografischen ihrer Studie „Hoppers Places“.
Person Von Holger Teschke
Vita Holger Teschke, Autor des Buches Mein Cape Cod, hat die Küste von Truro seit 1993 immer wieder auf der Suche nach Hoppers Landschaften besucht. Seine biografischen Kenntnisse verdankt er Gail Levins Edward Hopper. An Intimate Biography, seine geografischen ihrer Studie „Hoppers Places“.
Person Von Holger Teschke