Donau

Das Donauland ist ein Kulturraum, an dem sich Okzident und Orient trafen. Türkische Hinterlassenschaften finden sich bis nach Donaueschingen, deutsche Reminiszenzen im Donaudelta. Eine Spurensuche von der Quelle bis zur Mündung.

„Gleich hinter dem Rennweg beginnt der Orient.“ Als Bonmot in die Kulturgeschichte eingegangen, war es Fürst Metternich, der sich derartig äußerte. Rennwege gibt es viele, gemeint hat der Staatsmann jenen in Wien, eine Ausfallstraße Richtung Osten, heute eine breite Straße ohne Charme. Dahinter also lauert der Orient? Damals wie heute in seiner Fremdheit als Bedrohliches und Betörendes gleichermaßen empfunden.

Die Historie ist wild und wirr. Das Donauland war Heimstätte von Griechen, Römern, Habsburgern, Osmanen, Türken, Banatdeutschen, Serben, Donauschwaben, Roma, Lipowanern, Rumänen, Bulgaren. Hier kämpften Halbmond und Kreuz erbittert gegeneinander, fast ein halbes Jahrtausend lang belagert Konstantinopel die Städte entlang der Donau, stehen Moscheen auf engem Raum neben Kirchen und Synagogen. Erst 1878 verlieren die Türken endgültig das Donaugebiet.

Der zweitlängste europäische Strom berührt heute zehn Länder, scheint Ruhe gefunden zu haben, eine Ruhe, die nicht gesichert ist, wie könnte sie auch? Zu oft haben sich in der Vergangenheit Völker Schlachten geliefert, zu viele Menschen wurden vertrieben, zu viele Staaten haben sich gebildet und wieder aufgelöst. Die Geschichte des Donaugebiets ist in erster Linie die Geschichte eines polymorphen Gebildes, eines Raumes, der ein Neben- und Durcheinander von Kulturen erlaubte. „Seit dem Nibelungenlied stehen Rhein und Donau sich voller Misstrauen gegenüber“, schreibt der größte Chronist der Donau, der Literat Claudio Magris. „Der Rhein ist Siegfried, germanische Tugend und Reinheit. Die Donau ist Pannonien, das Reich Attilas, orientalische Flut. An ihren Ufern begegnen und mischen sich die verschiedensten Völker, anders als am Rhein, dem mythischen Wächter über die Reinheit germanischen Geschlechts.“

Aber auch das Germanische, das Deutsche, hat sich der Donau entlang flussabwärts geschlängelt, genauso wie sich das Orientalische, das Türkische etwa, den Strom flussaufwärts angesiedelt hat. Beides lässt sich finden, aber beides verschwindet nach und nach. Aber wo beginnt er denn nun, der Orient? Und wo endet der Okzident? Eine Spurensuche entlang Mitteleuropas Hauptschlagader, der Donau.

Furtwangen, Deutschland

Eine nasse Wiese hoch über Furtwangen im Schwarzwald; das Gasthaus Kolmenhof mit einem Kaffeemühlen sammelnden Wirt; ein hölzernes Portal, durch das ein paar Treppenstufen zu einem klaren Wässerchen namens Breg hinunterführen, das sich aus der nassen Wiese in einer winzigen Steinmulde zusammengefunden hat; eine in einen Steinbrocken eingelassene Tafel, auf der steht: Donau-Quelle. Das also ist der Anfang.

Wer behauptet, die Donau beginne in Donaueschingen, wird hier oben ausgelacht. So ein Unsinn, weiß doch jedes Kind: Brigach und Breg bringen die Donau zuweg. Der Wanderer sagt’s, sticht in die Kirschtorte, wischt sich einen Schokoladenkrümel vom Mund und warnt vor den Rumänen da unten im Delta, das seien schon richtig wilde Araber.

„I wo, die sind sehr nett“, meint die Wirtin. „Gänsehaut bekomme ich, wenn ich dran denke, wie weit die hochgefahren sind, die Rumänen, nur um ein Fläschchen mit Donauwasser zu füllen und zu schauen, woher ’s denn kommt, das viele Wasser. Die schlafen zu viert in einem kleinen Auto bei uns aufm Parkplatz, die sind so arm, und trotzdem kommen s’ her. Die fühlen sich mit uns verbunden und ich mich auch mit denen, irgendwie.“


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mare No. 37

No. 37April / Mai 2003

Eine episodische Flussreise von Zora del Buono

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

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Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Eine episodische Flussreise von Zora del Buono
Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
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