Die Zukunft liegt unten

Das Rennen um die letzten unergründeten Bodenschätze der Welt hat begonnen – die auf und unter dem Meeresboden. Ihr Abbau birgt Chancen, aber auch gewaltige Risiken. Welche, das erörtert der neue „World Ocean Review 3“

Die Menschheit ist gierig nach Rohstoffen. Wir benötigen Öl, um eine Milliarde Autos und Lastwagen anzutreiben, und verbrauchen jährlich 20 Millionen Tonnen Kupfer für Stromleitungen, Magnete oder Elektromotoren. Hinzu kommen viele hundert Tonnen exotischer Metalle wie Neodym oder Indium für Smartphones und andere elektronische Geräte. Durch das Wachstum der Weltbevölkerung und die Entwicklung der großen Schwellenländer China und Indien wird der Verbrauch in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen.

Viele Lagerstätten an Land sind bereits ausgebeutet. Deshalb konzentriert sich die Industrie immer stärker auf Rohstoffquellen im Meer. Ein Drittel des Öls stammt schon heute von Offshoreplattformen, die den Brennstoff aus bis zu 3000 Meter Tiefe hervorholen. Zudem soll in zwei Jahren der Meeresbergbau beginnen. Mit Maschinen, die größer sind als Panzer, will man metallhaltige Manganknollen vom Meeresboden aufsammeln oder Kobaltkrusten von Felsen klopfen. Doch können die Bodenschätze im Ozean tatsächlich den wachsenden Rohstoffbedarf der Welt decken? Das ist eine der Fragen, mit denen sich der jetzt erschienene dritte „World Ocean Review“ (WOR) beschäftigt.

2010 hatte der WOR erstmals über den Zustand der Meere berichtet und sich bald zu einem geschätzten Nachschlagewerk entwickelt. Vom WOR 1, der einen breiten Überblick gibt, sowie vom WOR 2, der sich dem Thema Fischerei widmet, wurden mehr als 120 000 Exemplare verteilt. Universitäten und Schulen setzen die Bände als Unterrichtsmaterial ein; politische Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen, Verbände und Tausende Privatpersonen nutzen sie als verlässliche Informationsquelle.

Der neue „World Ocean Review 3“ ist wieder eine monothematische Ausgabe und befasst sich im Detail mit dem Thema Meeresrohstoffe. Er gibt eine Einführung in die heutige Rohstofflage und stellt die Märkte für Rohöl, Erdgas und metallhaltige Erze ausführlich dar. Erdgas und Erdöl werden seit Jahrzehnten aus den Ozeanen gewonnen. Auf der Suche nach neuen und großen Lagerstätten dringt die Industrie in immer größere Meerestiefen vor, wie etwa im Golf von Mexiko oder vor der brasilianischen Küste. 2010 löste die Explosion der Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ eine der schwersten Umweltkatastrophen der US-Geschichte aus. Der WOR 3 geht der Frage nach, inwieweit Ölbohrungen seit dem Unglück sicherer geworden sind.

Anders als bei Öl und Gas steht der Abbau von Mangan und Kobalt noch aus. Zwar mangelt es noch an einsatztauglicher Technik für den Meeresbergbau. Aber das Rohstoffpotenzial ist enorm: So hat das weltweit größte Manganknollenareal im Pazifik die Fläche Europas.

Um eine ungehemmte Jagd auf die besten Bodenschätze zu verhindern, hat die Internationale Meeresbodenbehörde für das internationale Meeresgebiet klare Regeln definiert. Demnach müssen Lebensräume am Meeresboden wenigstens zu einem Teil geschützt werden. Der WOR 3 diskutiert, wie das gelingen kann. Zudem sollen auch Entwicklungsländer am neuen Rohstoffreichtum teilhaben.

Schwierig ist die Situation in den Einflussbereichen der Küstenstaaten. Denn dort kann jeder Staat seine eigenen Regeln für den Meeresbergbau definieren. Wie die Verschmutzung des ölreichen Nigerdeltas an der nigerianischen Küste zeigt, wird der Meeresschutz oftmals stiefmütterlich behandelt. Kritiker glauben, dass der künftige Meeresbergbau zu neuen Umweltzerstörungen führt. Hier wägt der WOR 3 sachlich Vor- und Nachteile ab und zeigt mögliche Auswege auf.

Mit der Rohstoffgewinnung im Meer sind verstärkt rechtliche Probleme verbunden – nicht nur in der Frage, wie man eine gerechtere Verteilung der Rohstoffe sicherstellt. Kommt es etwa zu grenzüberschreitenden Umweltzerstörungen durch Öl oder durch Schmutzfahnen aus dem Meeresbergbau, fehlt Opfern oft eine juristische Handhabe, um ihre Rechte durchzusetzen. Hier zeigt der WOR 3, wie sich das internationale Rechtssystem verbessern lässt, besonders, wenn es darum geht, Betroffene zu entschädigen.

Eine andere fossile Energiequelle, die derzeit viel diskutiert wird, ist Methanhydrat. Dabei handelt es sich um eine feste, eisähnliche Verbindung aus Wasser und dem Erdgasbestandteil Methan. Sie bildet sich in der Tiefsee bei hohem Druck und niedrigen Wassertemperaturen. In den Hydraten ist das Methan so dicht gepackt, dass ein Kubikmeter festen Methanhydrats rund 160 Kubikmeter Methangas liefert. Experten schätzen, dass in den Hydraten weltweit zehnmal mehr Gas enthalten ist als in allen konventionellen Lagerstätten. Vor allem Länder wie Südkorea und Japan, die Energierohstoffe für viel Geld einführen müssen, hoffen, künftig Methanhydrat aus ihrer 200-Seemeilen-Zone nutzen und sich vom Import unabhängig machen zu können.

Doch es gibt ein Problem: Methanhydrate halten weiches Sediment wie Kitt zusammen. Baut man diese ab, so Kritiker, könnten Kontinentalhänge ins Rutschen geraten. Verheerende Tsunamis wären die Folge. Befürchtet wird auch, dass durch die Erwärmung der Meere große Mengen des Treibhausgases Methan frei werden und in die Atmosphäre aufsteigen. Wie groß die Risiken tatsächlich sind, wird ebenfalls im WOR 3 erörtert.

Ein kostenloses Exemplar des WOR 3 können Sie bestellen unter www.worldoceanreview.com.

mare No. 103

No. 103April / Mai 2014

Von Tim Schröder

Der Wissenschaftsjournalist Tim Schröder, Jahrgang 1970, stammt aus der kleinen Ostseestadt Kappeln an der Schlei, wuchs in Hamburg auf und lebt heute als freier Autor in Oldenburg in Niedersachsen. Nach seinem Biologiestudium absolvierte er ein Redaktions-Volontariat bei der Nordwest-Zeitung. Anschließend war er Redakteur im Wissenschafts-Ressort der Berliner Zeitung und zuständig für die Bereiche Naturwissenschaft und Technik. Heute befasst er sich am liebsten mit Umwelt-Themen. „mare“ ist für ihn eine Herzensangelegenheit, denn nirgendwo sonst kann oder darf er harte Fakten so schön in Erzählgeschichten verwandeln wie in diesem Magazin. Tim Schröder ist verheiratet, hat zwei Jungs und eine Garage voller Fahrräder.

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Vita Der Wissenschaftsjournalist Tim Schröder, Jahrgang 1970, stammt aus der kleinen Ostseestadt Kappeln an der Schlei, wuchs in Hamburg auf und lebt heute als freier Autor in Oldenburg in Niedersachsen. Nach seinem Biologiestudium absolvierte er ein Redaktions-Volontariat bei der Nordwest-Zeitung. Anschließend war er Redakteur im Wissenschafts-Ressort der Berliner Zeitung und zuständig für die Bereiche Naturwissenschaft und Technik. Heute befasst er sich am liebsten mit Umwelt-Themen. „mare“ ist für ihn eine Herzensangelegenheit, denn nirgendwo sonst kann oder darf er harte Fakten so schön in Erzählgeschichten verwandeln wie in diesem Magazin. Tim Schröder ist verheiratet, hat zwei Jungs und eine Garage voller Fahrräder.
Person Von Tim Schröder
Vita Der Wissenschaftsjournalist Tim Schröder, Jahrgang 1970, stammt aus der kleinen Ostseestadt Kappeln an der Schlei, wuchs in Hamburg auf und lebt heute als freier Autor in Oldenburg in Niedersachsen. Nach seinem Biologiestudium absolvierte er ein Redaktions-Volontariat bei der Nordwest-Zeitung. Anschließend war er Redakteur im Wissenschafts-Ressort der Berliner Zeitung und zuständig für die Bereiche Naturwissenschaft und Technik. Heute befasst er sich am liebsten mit Umwelt-Themen. „mare“ ist für ihn eine Herzensangelegenheit, denn nirgendwo sonst kann oder darf er harte Fakten so schön in Erzählgeschichten verwandeln wie in diesem Magazin. Tim Schröder ist verheiratet, hat zwei Jungs und eine Garage voller Fahrräder.
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