Die wollen doch nur töten

Im alten Rom waren die Nachstellungen berühmter Seeschlachten mörderische, aber dennoch populäre Spektakel

Bevor wir die Zeitmaschine ins alte Rom starten, um ins grausame Zeitalter der Gladiatorenkämpfe und der Tierhetzen zu gelangen, sollten wir uns die Frage stellen: Waren sie wirklich anders als wir, die johlenden Massen, die Blut sehen wollten und Zweikämpfe auf Leben und Tod? Zu den dunklen und keineswegs verborgenen Seiten unserer Zivilisation gehört die Schaulust an blutigem Geschehen. Kettensägenmassaker, perverse Gewalt im Kinofilm und brutalstmögliche Computerspiele zum Training der Mordlust sind Teil einer publikumswirksamen Alltagskultur. Jeden Sonntag warten in Deutschland, Österreich und der Schweiz Millionen Fernsehzuschauer in voyeuristischer Gewaltbereitschaft auf den Mord, ohne den kein „Tatort“ mehr zumutbar ist; 100 Tote in einer Woche sind im Fernsehen keine Seltenheit. Immer wieder gibt es öffentliche Hinrichtungen in China vor Tausenden Zuschauern in Sportstadien. Wie grausam war dagegen das Alte Rom?

Unter Julius Cäsar war das Imperium Romanum zur erfolgreichsten Militärmacht der Antike geworden. Für Cäsar war das Jahr 46 v. Chr. ein besonderes Jahr. Er hatte gerade den Julianischen Kalender eingeführt. Wegen der Umstellung vom alten auf den neuen Kalender hatte das Jahr 445 Tage, und die nutzte er zum Feiern. Er war auf dem Höhepunkt seiner Macht und auf dem Weg zur Alleinherrschaft. Seine Legionen hatten viele neue Provinzen erobert, in zwei Jahrzehnten wohl eine Million Menschen getötet und eine Million Menschen gefangen genommen und versklavt; wer sich ihnen entgegenstellte, war verloren: Iberer, Helvetier, Gallier und Germanen und nach jahrelangem Bürgerkrieg auch seine Rivalen und viele seiner Widersacher. Ägyptens Königin Kleopatra hatte sich unterworfen und ihm einen Sohn geboren. Wäre sie seine legitime Gattin gewesen, hätte er es noch zum Pharao bringen können. Die Welt lag ihm zu Füßen. Rom sollte feiern wie nie zuvor.

Ein Triumphzug genügte ihm nicht. Er schenkte dem Volk glanzvolle Spiele, die sich über Wochen hinzogen. Er befahl, am Marsfeld einen künstlichen See anzulegen (vielleicht auch in Trastevere, wir wissen es nicht genau). Die Römer sollten eine historische Seeschlacht zwischen phönizischen und ägyptischen Galeeren zu sehen bekommen, nicht in Mosaikbildern oder in Stein gehauen, sondern in Echtzeit, als realistisches Gefecht, in dem 4000 Ruderer und 2000 Decksoldaten kämpften.

Schiffe wurden schnell gebaut, 22 Galeeren mit Rahsegel und Ruderbänken – Biremen und Triremen, schnelle Galeeren mit zwei oder drei Ruderreihen übereinander, und die noch schnelleren Quadriremen, bei denen zwei Mann je Riemen in zwei Reihen übereinandersaßen. Bei voller Kraft erreichte ein solches Schiff Geschwindigkeiten von 3,30 Meter je Sekunde, genug, um mit dem Rammsporn seitwärts in die gegnerischen Ruderreihen zu rauschen, um sie abzurasieren, während die Decksoldaten Speere, Steine und Feuertöpfe auf die Gegner herabregnen lassen.

Woher nahm er die Krieger, die er in diesen Schaukampf auf Leben und Tod schickte? Freiwillige waren es gewiss nicht. Es ist anzunehmen, dass sie aus Gefängnissen und Gladiatorenschulen rekrutiert wurden. Cäsar selbst soll in Capua südlich von Rom ein solches Fitnesscenter für Kampfsportler betrieben haben. Die Teams bestanden wohl im Wesentlichen aus überführten Mördern, Brandstiftern oder Tempelschändern, Getreidedieben, entlaufenen Sklaven oder Kriegsgefangenen. Mag sein, dass Gladiatoren zweiter Wahl dabei waren. Es war aus Sicht des Ver- anstalters vermutlich ökonomischer, diese Männer im Kampfsport einzusetzen und ihre Zahl drastisch zu reduzieren, als sie durchzufüttern. Möglicherweise wurden Überlebende der Schlacht als Sklaven verkauft oder für den nächsten Schaukampf in Reserve gehalten. Freigelassen wurde niemand.

Cäsars Feuer- und Wasserschlacht war, soweit wir wissen, die erste Naumachie der Geschichte, eine nachgestellte Seeschlacht als Event der Superlative. Das Volk von Rom kam in Scharen. Von weither anreisende Zuschauer kampierten in der Stadt und verstopften die Straßen. Das Gedränge war so groß, dass Menschen niedergetrampelt wurden.


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mare No. 116

No. 116Juni / Juli 2016

Von Emanuel Eckardt

Der Hamburger Autor Emanuel Eckardt, Jahrgang 1942, kennt sich nicht nur mit Inszenierungen aus. In mare No. 84 schrieb er über die echte Seeschlacht von Actium.

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Vita Der Hamburger Autor Emanuel Eckardt, Jahrgang 1942, kennt sich nicht nur mit Inszenierungen aus. In mare No. 84 schrieb er über die echte Seeschlacht von Actium.
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Vita Der Hamburger Autor Emanuel Eckardt, Jahrgang 1942, kennt sich nicht nur mit Inszenierungen aus. In mare No. 84 schrieb er über die echte Seeschlacht von Actium.
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