Die Unterwasser-Armee

In tropischen Meeren tummelt sich ein Heer von Fischen mit militärischen Namen

Sie heißen Blutfleck-Husar, Junker oder Füsilier. Doch die bunt schillernden Wesen haben so gar nichts Martialisches an sich. Ihre deutschen Bezeichnungen stammen wahrscheinlich nicht von den Forschern, die diese Fische im 18. und 19. Jahrhundert bestimmt haben. Die Biologen gaben ihnen wissenschaftliche Namen, die sich an anatomischen Auffälligkeiten orientieren. So heißen etwa die Torpedobarsche auf lateinisch „Malacantidae“ – das bedeutet „schlechter Stachel“.

Die meisten „militärischen“ Namen sind Übersetzungen englischer Populärnamen. „Deren Ursprünge herauszufinden, wäre ein gutes Thema für eine Staatsexamensarbeit“, meint Alfred Post von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei. Außerdem kann in Deutschland jeder, der ein Bestimmungsbuch schreibt, „die Fische nach eigenem Gusto benennen“, sagt der Fischexperte Thomas Paulus. Manchmal kann ein Autor zwischen zwei Namen wählen, zum Beispiel bei den „squirrelfishes“, die im Deutschen sowohl „Eichhörnchen-“ als auch „Husarenfische“ heißen. Ewald Lieske, Meeresbiologe und Autor mehrerer Bestimmungsbücher, führte den Namen Husarenfische weiter, zumal sie mit den Soldatenfischen eng verwandt sind.


Goldener Sergeant

Serganten gehören zur großen Familie der Riffbarsche, deren 320 Arten überwiegend tropische Meere bevölkern. Die meisten Arten sind sehr aggressiv, die Verteidigung ihrer Territorien gegen Eindringlinge ist für sie lebenswichtig. Manchmal gehen die zehn bis 20 Zentimeter großen Winzlinge sogar auf Taucher los, die nichts ahnend an einem Gelege vorbeiflösseln. Die schwarzen Querstreifen auf dem silbrig-weißen Körper haben die Namensgeber wahrscheinlich an die Schulterklappen von Offiziersuniformen erinnert.

Füsiliere

Eine kleine Familie mit rund 20 Arten, deren Mitglieder sich oft zu Hunderten formieren. Unermüdlich jagen sie nach Zooplankton. Füsiliere legen Wert auf ihr Äußeres: Regelmäßig suchen sie die Putzerstationen im Riff auf, was wegen ihrer großen Truppenstärke zu Warteschlangen bei den Putzerfischen führt. Der Neon-Füsilier ändert gern mal seine Farbe von Blau nach Rot, der besseren Tarnung wegen. Bei Gefahr schließen sich Füsiliere eng zusammen und schwimmen synchron: Alle beschleunigen gleichzeitig und schlagen Haken, als wären sie ein Organismus. Diese Präzision mag an menschliche Füsiliere erinnern. Immerhin, die Unart standrechtlicher Erschießungen gibt es im Tierreich nicht.

Blaukopf-Torpedobarsch

Die Form spricht für sich. Ansonsten sind die Torpedobarsche eher defensiv. Sie halten sich bevorzugt am Boden in der Nähe ihrer selbst gegrabenen Höhlen auf. Einige bauen sogar Hügel aus Muscheln, Geröll oder Sand. Ihre Schützengräben verlassen sie nur, um einen Wurm auf offenem Feld zu erlegen. Obwohl der Blaukopf mit bis zu einem halben Meter Länge die größte der zwölf Arten ist, gilt er als sehr scheu. Seine Jungen sind Meister der Camouflage: Sie ahmen die Parasiten fressenden Putzerfische nach, verkleiden sich also quasi als Sanitäter.

Napoleonfisch

Im Gegensatz zu seinem Namensvetter einer der ganz Großen im Korallenriff – er bringt es auf bis zu zwei Meter. Sein seltsamer Stirnbuckel erinnert entfernt an den Dreispitz des berühmten Kriegsherrn, ebenso die gedrungene Statur. Selbst im Verhalten gibt es Ähnlichkeiten: Majestätisch und sehr langsam schwimmt der Napoleonfisch oben an einem steilen Riffhang entlang und beobachtet das Geschehen unter sich – als würde er ein Regiment befehligen. Fremdartigen Wesen wie Tauchern stellt er sich bisweilen Auge in Auge gegenüber.

Meerjunker

Meerjunker erscheinen oft im Gefolge von „Napoleon-“ oder anderen großen Fischen, die im Boden gründeln. Ihr Broterwerb basiert darauf, sich von den großen Tieren Krebse und Würmer freilegen zu lassen, die sich im Sandlückensystem verbergen. Die Vorreiter in der schwimmenden Truppe blasen dazu einen Wasserstrahl in den Sand, was die kleinen Junker, im militärischen Ordnungssystem Offiziersanwärter, selbst nicht können. Darum sind sie auch die Ersten, die herbeieilen, wenn Taucher oder Schnorchler den Sand aufwühlen.

Großdorn-Husar

Husarenfische haben einen spitzen Kopf und einen Stachel auf dem Kiemendeckel. Sie tragen prächtig rote oder gelbe Uniformen und ernähren sich von Bodentieren wie Würmern, Krebsen und kleinen Fischen. Der „Großdorn“ ist der häufigste Vertreter seiner Familie und mit 45 Zentimetern auch der größte. Er hat sich ein riesiges Reich erobert, das vom Roten Meer bis in die Südsee reicht, und taucht bis 120 Meter tief. Wie ihre Verwandten, die Soldatenfische, kommunizieren auch die Husaren durch Klick- und Grunzlaute.

Blutfleck-Husar

So heißt er nach dem dunkelroten Fleck auf der Rückenflosse. Der bis zu 32 Zentimeter große Fisch lebt im Riff, meist im Flachgewässer, und verbirgt sich gern zwischen Geweihkorallen. Er ernährt sich hauptsächlich von Krebsen.

Der Gemeine Wimpelfisch

Sein Name hat nichts eigentlich Militärisches. Doch der Fisch besticht durch die lang gezogene Rückenflosse, die wie ein wehendes Banner aussieht, und dieses Utensil war in den früheren Schlachten unverzichtbar. Der rund 25 Zentimeter große Fisch tritt meist einzeln oder paarweise auf – das prädestiniert ihn zum Vorreiter. Auch er hat es weit gebracht, vom Arabischen Golf bis nach Südafrika, von Japan bis nach Französisch-Polynesien: Überall „flattert“ der Wimpel.

Torpedorochen

Er sieht nicht aus wie ein Geschoss, eher wie eine Tretmine, und agiert ähnlich „heimtückisch“. Die bis zu ein Meter großen Mitglieder der Zitterrochen-Familie, lateinisch Torpedinidae, lauern im Sand ver-graben auf Beute. Sobald ein Fisch in ihrer Nähe vorbeischwimmt, lähmen sie ihn mit einem kräftigen elektrischen Schlag, bevor sie ihn verspeisen. „Torpere“ ist Lateinisch für „erstarren“.

Soldatenfische

Charakteristisch ist ihr stumpfer Kopf und das rote oder rot-weiße Schuppenkleid. „Mit ihren kräftigen Schuppen sehen sie aus, als würden sie ein Kettenhemd tragen“, sagt der Fischexperte Thomas Paulus. Die großen Augen sind typisch für nachtaktive Jäger. Im Dunkeln gehen sie auf Zooplankton-Fang; tagsüber verstecken sie sich in Höhlen oder Überhängen des Riffs.

mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

Von Monika Rößiger

Monika Rößiger ist Biologin und war Wissenschaftsredakteurin der Zeitschrift mare. Sie ist Mitverfasserin des Weltatlas der Ozeane. Bei unzähligen Tauchgängen begegnete sie Meeresschildkröten, deren archaische Aura sie stets aufs Neue bannt.

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Vita Monika Rößiger ist Biologin und war Wissenschaftsredakteurin der Zeitschrift mare. Sie ist Mitverfasserin des Weltatlas der Ozeane. Bei unzähligen Tauchgängen begegnete sie Meeresschildkröten, deren archaische Aura sie stets aufs Neue bannt.
Person Von Monika Rößiger
Vita Monika Rößiger ist Biologin und war Wissenschaftsredakteurin der Zeitschrift mare. Sie ist Mitverfasserin des Weltatlas der Ozeane. Bei unzähligen Tauchgängen begegnete sie Meeresschildkröten, deren archaische Aura sie stets aufs Neue bannt.
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