Die Stahlfresser von Grenå

Für Trawler und Kutter gibt es keine ewigen Fanggründe. Irgendein Teil fährt bestimmt auf anderen Schiffen weiter. Dafür sorgen die Abwracker im dänischen Fornæs

Wenn Peter Thias Nielsen die Brücke eines Schiffes betritt, steht es nicht gut um den Kahn. Nielsen ist Kapitän mit dem Patent für Große Fahrt, aber nicht der Typ im feinen Tuch mit Schirmmütze; seine Uniform sind der Blaumann und bequeme Clogs. Er lenkt die Arbeiterklasse unter den Schiffen, die Trawler und Schlepper, Walfänger und Fähren, Bunkerboote und Bohrinselversorger. Und seine erste Reise an Bord ist leider immer ihre letzte.

Er kommt an Bord und nimmt Kurs auf seinen Heimathafen an der Ostküste von Jütland – Grenå. Ungefähr 18000 Einwohner, ein Anleger für die Fähren nach Anholt und Schweden, eine Werft, ein Motorenwerk, eine Fischfabrik. Den größten Teil des Hafens aber hat das Unternehmen in Beschlag genommen, für das Nielsen arbeitet. Fornæs Skibsophug heißt die Firma. Fornæs ist der Leuchtturm nördlich von Grenå; Skibsophug, erklärt Nielsen, bedeutet „ein Schiff zerhacken“. Am Telefon meldet er sich nur mit „Fornæs“.

Das Geschäft hat zwei Seiten. Zum einen ist Fornæs der Weltmarktführer im Abwracken von Schiffen. Nicht der Tonnage nach, da liegen die Abbrecher in Indien oder Bangladesch vorn, die ausgemusterte Ozeanriesen zerlegen. Die Dänen haben sich auf kleine Einheiten spezialisiert, Größe bis 100 Meter, und davon verschrotten sie so viele Schiffe wie sonst keiner. Peter Thias Nielsen schätzt, dass sie in den 13 Jahren seit der Gründung des Unternehmens mehr als 1000 Schiffe komplett abgewickelt haben.

Auch das Dasein von Kuttern und Kümos ist endlich, irgendwann kommt der Moment, da Reparaturen teuer werden und Ausfälle zu viel Zeit fressen. Solchen Kandidaten weint Kapitän Nielsen keine Träne nach, im Gegenteil. „Manche sind echte Katastrophen – unvorstellbar, dass die bis vor Kurzem noch auf dem Nordatlantik unterwegs waren. Einmal musste ich mir vor dem Auslaufen noch schnell einen Handkompass kaufen, weil auf der Brücke nichts mehr funktionierte.“

Von den drei Dutzend Schiffen an den Piers von Fornæs fallen allerdings nur die wenigsten in diese Kategorie. Nielsens Büro liegt in dem alten Getreidesilo im Nordhafen, direkt vor seinem Fenster ein 100 Meter langer Ponton, der das Hafenbecken teilt. Auf beiden Seiten sind Fischkutter festgemacht, links solche, die abgewrackt werden, rechts die Boote, die noch jeden Tag aufs Kattegat rausfahren. Ein Unterschied ist nicht zu erkennen; die rostigen Narben von ihren harten Einsätzen auf See sind noch kein Hinweis darauf, welcher Kutter auf die Abbrecher wartet.

Schräg gegenüber liegen die blau-weißen Schwesterschiffe „Striløy“ und „Strilfisk“, und sie machen aus der Distanz einen sehr gepflegten Eindruck. Einmal abgesehen von dem garagengroßen Loch, das an Steuerbord im Rumpf der „Striløy“ klafft und aus dem Arbeiter gerade zertrümmertes Mobiliar, allerhand Kabel und Isoliermatten an Land werfen. „Solche Schiffe zu überführen“, sagt Nielsen, „die das Ende ihrer Lebensdauer längst nicht erreicht haben, das fällt mir schon schwer.“

Er kennt die Biografie jedes einzelnen Schiffes im Hafen aus dem Effeff. Die blau-weißen Schwestern waren ursprünglich Walfangboote, bevor sie zu Trawlern umgerüstet wurden. Zuletzt dienten sie einer Ölplattform in der Nordsee als Wachschiff. Die „Darwin“ direkt daneben? Ein Kutter aus Esbjerg, einmal verlängert, zweimal umgebaut, ziemlich neue Hauptmaschine. Das Wrack ohne Aufbauten und Deck? Die „Torbas Junior“, ein Walfänger, der noch 1998 eine neue Brücke bekommen hat. Die schwarz-weiße „Susan Hill“? Eine schwimmende Fischmehlfabrik, bekommt vielleicht noch eine Chance in der Ölindustrie.

Der Entschluss, welches Schiff „zerhackt“ wird, hat oft nichts mit dem Zustand zu tun, es ist eine politische Entscheidung. Die Fangflotte der Europäischen Union zählt zu viele Schiffe; sie fängt zu viele Fische, also überweisen die Regierungen all denen eine Entschädigung, die ihre Trawler aus dem Verkehr ziehen. In Dänemark beispielsweise beträgt die Prämie bis zu 80 Prozent des Versicherungswerts und liegt damit so hoch, dass es sich für einen Fischer lohnen kann, auch ein junges, gesundes Schiff verschrotten zu lassen. Jetzt wäre es natürlich schön, wenn man stattdessen lieber einen der wirklich schlimmen Rosteimer von den Weltmeeren holen könnte, auf denen jeden Tag Zigtausende von Fischern ihr Leben riskieren. Aber da ist die EU unerbittlich: Wird die Abwrackprämie gezahlt, muss verschrottet werden.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 62. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 62

No. 62Juni / Juli 2007

Von Olaf Kanter und Andreas Große

Olaf Kanter ist mare-Redakteur für Wirtschaft und Wissenschaft – und damit für die Fischerei.

Auch Andreas Große, Fotograf aus Steinberg, hat ein Faible für Fischer. Für mare No. 39 porträtierte er den 86-jährigen Ostseefischer Heinz Lietzow.

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