Die Puffhunde

Die putzigen Kaminhunde aus Keramik waren beliebte Mitbringsel der Seeleute. Aber an ihnen haftet ein schlüpfriges Gerücht

Eine Lüge ist bereits drei Mal um die Erde gelaufen“, hat Mark Twain einmal gesagt, „bevor die Wahrheit sich die Schuhe anzieht.“ Für Gerüchte gilt ­vermutlich dasselbe. Vielleicht haben sie sogar einen längeren Atem. Denn Lügen lassen sich zumindest entlarven – und somit beenden. Gerüchte dagegen sind von Beginn an diffus. Beweislos wabern sie ihres Wegs. 

Doch was hat das mit den gelockten Keramikhunden zu tun, die Seefahrer einst von ihren Reisen aus England mitbrachten? Mit jenen Kreaturen namens „Staffordshire Dogs“, die heute noch in manch altem Seemannshaus stehen oder in maritimen Museen – und die, je nachdem, wie man sie betrachtet, treuherzig dreinschauen oder auch blasiert? 

Nun, es umweht sie ein Gerücht. Es heißt, es wären „leichte Damen“ gewesen, die sie in ihren Etablissements als Souvenirs verkauften, um ihr Gewerbe zu tarnen – damals, zu viktorianischen Zeiten, als die Prostitution teilweise verboten war. Man munkelt: Die Hunde, auf Fensterbänken platziert, zeigten sogar an, ob eine Dame gerade „frei“ war. Blickten sie ins Haus hinein, war bereits jemand da. Schauten sie zum Fenster hinaus, war die Luft rein. „Puffhunde“ werden sie deshalb auch genannt.  

Doch ist was dran? So ein Gerücht ist schnell in die Welt gesetzt, die Wahrheit hingegen oft mühsam und komplex. 

Ein Anruf in Ostfriesland im Deutschen Sielhafenmuseum Carolinensiel, das mehrere Hundepaare in der Sammlung hat, ergibt: Die wissenschaftliche Mit­arbeiterin Julia Kaffarnik kennt die Legende. Für wahr hält sie sie jedoch nicht. „Die Schiffer hätten sie ihren Frauen nicht mitgebracht, wenn diese von Prostituierten benutzt worden wären. Das wäre ein zu harter Affront gewesen“, glaubt sie. Eine Nachfrage in Woodstock bei dem Keramikspezialisten John Howard ergibt Ähnliches. „Es ist eine Geschichte, die dann und wann kursiert“, sagt er. Mag sein, dass es einmal lokal vorgekommen sei, an eine übliche Praxis glaubt er nicht. 

Auch Gaye Blake-Roberts, die frühere Direktorin des Wedgwood-Museums für Keramik in Staffordshire, kann für die Geschichte keine Beweise finden, stieß aber selbst auf eine: Angeblich waren es die Frauen in der Heimat, die die Hunde nutzten, um ihren Liebhabern zu signalisieren, ob ihr Mann zu Hause war oder auf See. Zeigten die Hunde einander ihre Rücken, war er da, schauten sie einander an, durfte der Liebhaber kommen.

Die Legende also zumindest gibt es – bei uns, in England und auch in Dänemark. Nur stets ohne Belege. Kam sie auf, weil man offenbar sowohl den Seeleuten als auch ihren Frauen wegen des häufigen Getrenntseins ein lasterhaftes Leben unterstellte? Wir wissen es nicht.

Vielleicht hilft es, die Frage anders zu stellen: Wieso traf das Gerücht ausgerechnet die Hunde? Sie müssen zumindest eine Bedeutung gehabt haben. Wer verbreitet schon Flurfunk über Dinge, die keinen interessieren? Ziehen wir uns, mit Mark Twain, also die Schuhe an und nähern uns der Wahrheit.

Alles beginnt mit einer Mode, mit Ursprung in Fernost. Vermutlich war es Marco Polo, der die ersten Stücke feinen Porzellans aus China nach Europa brachte. Etwa seit dem 16. Jahrhundert begann der Import. Vor allem der Adel dürstete nach dem „weißen Gold“. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert blühte der Handel mit ­China, das eigens für den europäischen Markt produzierte. Das Porzellan wurde auf Reisstroh gebettet, in Kisten verpackt und vielfach verschifft – etwa mit den ost­indi­schen Handelskompanien im 17. und 18. Jahrhundert. So kam es, dass auch wohlhabende Bürger in den europäi­schen Hafenstädten ins „Chinasammeln“ einstiegen. Und nicht nur sie. Auch Seefahrer von der Ost- und Nordsee, die auf den Chinafregatten mitfuhren, kauften Reiseandenken aus Porzellan – Punschbowlen mit Schiffsmotiven, Schrankvasen, Teller mit maritimem Dekor. Anfangs vermutlich vor allem die Kapitäne und Steuerleute, schon wegen des hohen Preises. Doch Matrosen zogen bald nach. China bot auch günstigere Teile, in mäßiger Qualität. Aber das war einerlei. Zu Hause sorgte es für Freude und Exotik.

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mare No. 154

mare No. 154Oktober / November 2022

Von Andrea Walter

Andrea Walter, Jahrgang 1976, kennt die Kamin- oder Puffhunde aus dem Museum Altes Zollhaus auf der ostfriesischen Insel Baltrum und von Spaziergängen durch das Treppenviertel in Hamburg-Blankenese, wo sie auf den Fensterbänken manch schöner Häuser ­stehen. So kam es, dass sie die Fährte aufnahm.

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Vita Andrea Walter, Jahrgang 1976, kennt die Kamin- oder Puffhunde aus dem Museum Altes Zollhaus auf der ostfriesischen Insel Baltrum und von Spaziergängen durch das Treppenviertel in Hamburg-Blankenese, wo sie auf den Fensterbänken manch schöner Häuser ­stehen. So kam es, dass sie die Fährte aufnahm.
Person Von Andrea Walter
Vita Andrea Walter, Jahrgang 1976, kennt die Kamin- oder Puffhunde aus dem Museum Altes Zollhaus auf der ostfriesischen Insel Baltrum und von Spaziergängen durch das Treppenviertel in Hamburg-Blankenese, wo sie auf den Fensterbänken manch schöner Häuser ­stehen. So kam es, dass sie die Fährte aufnahm.
Person Von Andrea Walter