Die Neckermänner

Weltumsegelungen waren das Privileg einer kleinen Minderheit von Abenteurern. Die Satellitennavigation änderte alles

„Sail away …“ es ist der Traum, den viele träumen. Einfach auf und davon! Weg von allen Zwängen, Sorgen und Kleinmütigkeiten des Alltags an Land, hinaus auf das Meer und hinein in die grenzenlose Freiheit des Big Blue.

Derbe Klischees, aber dauerhaft wirksam. Eine Weltumsegelung, so schreibt die Ethnologin Martina Kleinert, „repräsentiert einen relativ verbreiteten Lebenstraum“. Die Autorin weiß, wovon sie spricht. Sie hat über Weltumsegler eine Doktorarbeit geschrieben. Mit ihrem Mann und wissenschaftlichen Partner Thorolf Lipp war sie im August 2001 auf Tonga, um von dort aus mit einer Segelyacht eine kulturanthropologische Recherchereise zu pazifischen Inseln zu unternehmen. Doch schon vor der Abreise stieß sie gleich im Ausgangshafen auf eine Ethnie, die sie auf irritierende Weise fesselte: die „Yachties“.

In ihrem Tagebuch notierte Martina Kleinert: „Abendessen im Waterfront-Café … alles ‚Yachties‘, nur Segelgeschichten (fühle mich fehl am Platz).“ Sie erlebte, „dass der ganze Abend mit ‚Segelgeschichten‘ bestritten wird und die Sprache kaum einmal auf die in meinen Augen viel interessantere Frage nach der aktuellen Lebenssituation in einem südpazifischen Inselstaat kommt“.

Die Wissenschaftlerin war befremdet. Überrascht erlebte sie dann aber auch, wie freundlich und fürsorglich sie und ihr Partner in den folgenden Monaten in die cruising community der deutschen Weltumsegler aufgenommen und mit Einladungen und Hilfsangeboten überhäuft wurden. Ihr Interesse war geweckt, und zurück in Berlin wusste sie, dass sie für ihre anstehende Dissertation das Thema gefunden hatte: „Weltumsegler. Ethnografie eines mobilen Lebensstils zwischen Abenteuer, Ausstieg und Auswanderung.“

Die Doktorandin nahm Kontakt auf zu der Langfahrtseglervereinigung Trans-Ocean, begann Mailkorrespondenzen zu führen, verschickte Fragebögen, redete mit deutschen Seglern, die eine Weltumrundung hinter sich hatten, und machte Feldforschung in den Häfen Neuseelands, die während der pazifischen Hurrikansaison die beliebtesten Ausweichquartiere für Weltumsegler sind. Am Ende hatte die Forscherin von 46 Yachten und ihren Crews ausführliche Auskünfte und lange Tonmitschnitte erhalten, die ihrer Dissertation dann zugrunde lagen.

Darin untersucht sie vielfältige Fragestellungen, von der „Geschichte moderner Weltumsegelungen“ bis hin zu „Bord-Beziehungen“ und „Heimat-Beziehungen“. Aber der interessanteste Aspekt ihrer Arbeit ist die Ablösung einer „alten“ Segeltradition und Seglergeneration nach der Jahrtausendwende durch eine „neue“ und ganz anders geartete.

Der Pionier der alten Tradition war Joshua Slocum, ein pensionierter amerikanischer Kapitän, der 1895 mit seiner 37-Fuß-Slup von Maine zu einer Weltumsegelung aufbrach und nach seiner Rückkehr ein Buch darüber schrieb, das zum Bestseller wurde. Der berühmteste Weltumsegler wurde Eric Hiscock. Mit -seiner legendären neun Meter langen Holzyacht „Wanderer III“ und seiner Frau Susan an Bord umrundete der Brite von 1952 bis 1955 die Welt westwärts und schloss dann gleich noch zwei weitere Weltumsegelungen an. 78 Jahre alt, starb der Gentlemansegler 1986 auf seinem Schiff in Neuseeland. Einige der acht Bücher, die er hinterließ, stiegen für Fahrtensegler in den Rang von Bibeln auf und fehlten fortan in keiner Bordbibliothek.

Diese schwoll in den 1960er-Jahren weiter an. Es war die Zeit, in der die Jugend in Deutschland sich neue Freiräume eroberte. Die Pille kam auf den Markt, Kommunen wurden gegründet, Demos und Sit-ins fanden Zulauf, die Rolling Stones gaben erste Konzerte, allerorten herrschten Revolte und Rebellion. Und manche ließen da die unruhige Heimat auch einfach hinter sich, lichteten die Anker und segelten dem Horizont entgegen. Meist hatten sie wenig Geld, aber gute seglerische und navigatorische Kenntnisse. 


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mare No. 123

No. 123August / September 2017

Von Peter Sandmeyer und Stephan Storp

Der Hamburger Autor Peter Sandmeyer wurde 1944 geboren, wuchs in Berlin auf und machte dort das Abitur und seinen ersten Segelschein.

Stephan Storp, geboren 1966 in Bad Harzburg, ist Kommunikationsdesigner. Um die Welt segeln ist für ihn aus Zeitgründen nicht möglich. Und wenn, dann würde er eher um die Welt surfen wollen.

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Vita Der Hamburger Autor Peter Sandmeyer wurde 1944 geboren, wuchs in Berlin auf und machte dort das Abitur und seinen ersten Segelschein.

Stephan Storp, geboren 1966 in Bad Harzburg, ist Kommunikationsdesigner. Um die Welt segeln ist für ihn aus Zeitgründen nicht möglich. Und wenn, dann würde er eher um die Welt surfen wollen.
Person Von Peter Sandmeyer und Stephan Storp
Vita Der Hamburger Autor Peter Sandmeyer wurde 1944 geboren, wuchs in Berlin auf und machte dort das Abitur und seinen ersten Segelschein.

Stephan Storp, geboren 1966 in Bad Harzburg, ist Kommunikationsdesigner. Um die Welt segeln ist für ihn aus Zeitgründen nicht möglich. Und wenn, dann würde er eher um die Welt surfen wollen.
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