Die maritime Ehrentafel

Pierre Tardon, Albert Bühlmann oder die Typhus-Mary: Beispiele des „Homo helveticus oceanis“

Wer seit Kindheit Alpenwände, Gletscher-massive, Granitblöcke wie Bretter vor dem Kopf hat, der träumt vom Meer wie von einer Befreiung… Viel später las ich „Le voyage en Suisse“ von Victor Hugo. An einem Herbstmorgen stand Hugo auf der Rigi und notierte: „Rings um mich die gewaltigen Berge – wie ein wilder Ozean, erstarrt auf den Befehl Jaweh’s.“ Die Reversibilität Gebirge/Ozean hat mich mit den bedrückenden Alpen versöhnt und meine Sehnsucht nach dem Meer gestillt.

– Jean Ziegler, Soziologe und Autor


Ella Maillart

Reisen, Schreiben und Fotografieren waren ihre großen Leidenschaften. Reisen zu Land, vor allem aber auf dem Wasser. Ella Maillart war eine der profiliertesten Seglerinnen dieses Jahrhunderts; 1924 gehörte sie zum Team der Schweiz bei den Olympischen Spielen in Frankreich. Berühmter wurde sie jedoch durch ihre Reportagen aus dem Vorderen Orient, Asien und Indien. Eine dieser Reisen machte sie mit einer ebenso bekanntgewordenen Schweizer Schriftstellerin: Annemarie Schwarzenbach.

Ella Maillarts Liebe zum Wasser begann schon früh – beim Segeln auf dem Genfer See. 1903 geboren, verbrachte sie eine gutbürgerliche Kindheit in der französischen Schweiz, entfloh aber schon bald der väterlichen Obhut und machte sich auf in die große Welt der Meere. Sie heuerte als Matrosin auf Schiffen an und erkundete die Ozeane. Ihre Abenteuer beschrieb sie in dem Buch „Vagabundin des Meeres“ und wurde dadurch zum Vorbild vieler ausbruchswilliger Schweizerinnen. Sie starb 1997.

Noch im Alter von 90 Jahren hielt Ella Maillart einen Vortrag über ihr bewegtes Leben als Schriftstellerin, Sprachlehrerin, Stuntwoman und Seefahrerin. Der Hörsaal war brechend voll, das Publikum liebte sie. Ella Maillarts Biographie zeigt, dass mit viel Energie und Eigenwilligkeit eines möglich ist: ein freies Leben zu führen. zdb


Beide machen uns klein, das Meer und die Berge. Beide führen uns unsere Schwäche vor und geben uns Kraft.

– Roger de Weck, Chefredakteur der „ZEIT“


Le Corbusier

Als Charles-Edouard Jeanneret-Gris wird er am 6. Oktober 1887 in La Chaux-de-Fondes geboren, mit 27 emigriert er nach Paris und gibt sich den Künstlernamen Le Corbusier. In den zwanziger Jahren entwirft er eine Reihe von modernen Villen, mit denen er berühmt wird, darunter die Ikone der klassischen Moderne, die Villa Savoye. Ihr direktes Vorbild sind die weißen Ozeandampfer, für Le Corbusier der Inbegriff technischer Schönheit. Sie bestimmen fortan seine Architektur (siehe mare No. 4).

In seine Malerei finden mit Vorliebe Strandszenen Eingang, dralle Fischerinnen, ihre Netze und Boote. Muscheln, Meeresschnecken und Treibgut inspirieren ihn als „objets à reaction poétique“ zu Zeichnungen und Ölbildern. Ein Nautilus, ein Tintenfisch mit Gehäuse, wird zum Vorbild für das unendlich wachsende Museum, das er in Tokio baut. Er war sein Leben lang der See magisch verbunden. Kurz vor seinen Tod besang er sie in einem Gedicht als „Tochter der Tropfen und Mutter der Dünste“, und: „Alles kehrt zu ihr zurück“. Am 27. August 1965 erleidet er beim Schwimmen an der Côte d’Azur einen Herzinfarkt und ertrinkt. hjg


Blaise Cendrars

Das berühmteste Fragment unter seinen Büchern ist die Biographie des Abenteurers zur See John Paul Jones. Es sei seine Autobiographie, die er dem Piraten des 18. Jahrhunderts untergeschoben habe, sagt er selbst. Lustvoll verwischt Cendrars Wirklichkeit und Realität in seinen Werken. „Schreiben ist weder eine Lüge noch ein Traum, sondern die Wirklichkeit und vielleicht alles, was wir je an Wirklichkeit erfahren können.“ Schreibend erfindet er sich seine Biographie immer wieder neu, und der offene Horizont des Meeres dient ihm dabei als Metapher für die Freiheit. Hafenstädte, ihre Piers und Kneipen sind die Schauplätze seiner schönsten Geschichten, Matrosen und Hafenhuren seine Figuren, Reisende seine Helden. Er sei ein „bourlingueur“; das ist einer, der sich gegen die Wellen vorwärtskämpft. Geboren wurde er am 1. September 1887 als Frédéric Louis Sauser in La Chaux-de-Fonds, gestorben ist er als Blaise Cendrars am 21. Januar 1961 in Paris. Sein erster Biograph ehrte ihn – noch zu Lebzeiten – mit den Worten: „Blaise Cendrars, freier Mann, Dichter im Herzen der Welt“. hjg


America’s Cup und die Schweiz

Zwei Schweizer Teams, das Team „FAST 2000“ vom Club Nautique des Morges und das „swissteam“ der Seglervereinigung Rolle, gehören zu den elf Herausforderern der „Royal New Zealand Yacht Squadron“, die den America’s Cup 1995 gewann und diese Regatta im Jahr 2000 vor Auckland, Neuseeland ausrichtet. 200000 Dollar beträgt die Meldegebühr, wenig im Vergleich zu den Kosten, die die beiden Schweizer Teams angeben: FAST rechnet mit 30 bis 35 Millionen Franken, noch zehn Millionen mehr als die Konkurrenz aus dem eigenen Land.

Das swissteam ist eine Non-Profit-Organisation. Sie wollen teilnehmen, um ihren Club, die Region und die ganze Schweiz zu repräsentieren. Skipper des rein schweizerisch besetzten Teams wird Gérald Rogivue sein, der bereits an der um die ganze Welt führenden Whitbread-Regatta teilgenommen hat. Als Steuermann ist Jean-Marc Monnard, bester Match-Racer der Schweiz, verpflichtet. Pierre Fehlmann, FAST-Projektmanager und ebenfalls bekannter „Whitbread“-Segler, erklärt die Bedeutung der Schweizer Teilnahme: „Es geht darum, aufzuzeigen, dass auch wir Schweizer Unternehmertypen sind und mehr zu leisten vermögen, als bloß unser Gärtchen zu bestellen.“ Mit der Führung ihres Schiffes ist der Franzose Marc Pajot betraut, Co-Skipper sind Weltklassesegler wie Jochen Schümann und Enrico Chieffi. Fehlmanns Ziel steht fest: „Wir wollen nicht nur mitmachen, wir wollen gewinnen.“

Offen bleibt die Frage nach dem Ort, an dem die nächste Regatta ausgerichtet wird, sollte eins der Schweizer Teams gewinnen. Nach den Regeln fällt dem Sieger des America’s Cup diese Aufgabe zu.


Bühlmann und Keller

Sichere Tauchplanung, verlässliche Dekompressionstabellen und Vorstöße in mehr als 300 Meter Tiefe verdanken die heutigen Taucher vor allem den Experimenten von Hannes Keller und Albert Bühlmann.

Der Mathematiker und Philosoph Keller, 1934 in Winterthur geboren, befasste sich ab 1959 gemeinsam mit Bühlmann mit dem Tauchen und den Problemen des Unterwasserdruckes. Bühlmann, 1923 in Berlin geboren, erhielt 1959 einen Ruf als Professor für Innere Medizin an der Universität Zürich. Mit den von Bühlmann entwickelten Gasgemischen erreichte Keller im November 1959 zunächst 131 Meter Tiefe im Zürichsee, im Juni 1961 220 Meter im Lago Maggiore. Schnell wurden die internationalen Ölfirmen aufmerksam, und Shell übernahm die weitere Finanzierung von Kellers und Bühlmanns Entwicklung von Gasgemischen aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium. Am 3. Dezember 1962 tauchte Keller mit dem britischen Fotojournalisten Peter Small vor der kalifornischen Insel Santa Catalina auf 313 Meter und setzte die Schweizer Flagge auf den Meeresgrund. Small starb bei diesem Tauchgang. Der Tauchrekord wurde erst 1975 gebrochen.

Bühlmann gründete 1960 das Druckkammerlabor der Universität Zürich. Seine Tauchtabellen führten später zur Entwicklung der Tauchcomputer; er starb 1994.

Keller entwickelte 1981 ein automatisches Übersetzungsprogramm und gründete die Software-Firma Witchdesk im kalifornischen San José, die er 1995 zur Hälfte an Vobis-Begründer Theo Lieven verkaufte. Durch ihre Leidenschaft zur Musik verbunden, gaben Keller und Lieven seit 1992 öffentliche Klavierkonzerte, sogar unter der Leitung des berühmten Dirigenten Zubin Mehta. Keller lebt in Niederglatt bei Zürich. sam


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 10. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 10

No. 10Oktober / November 1998

Ein Potpourri

Ein Potpourri ___ Günther Nenning, geboren 1921 in Wien, war ein österreichischer Journalist, Autor, politischer Aktivist und Religionswissenschaftler. Er war Herausgeber der Kulturzeitschrift FORVM. 1977 gründete Nenning zusammen mit Wolf in der Maur den Österreichischen Journalisten Club (ÖJC). Er starb 2006.

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Vita Ein Potpourri ___ Günther Nenning, geboren 1921 in Wien, war ein österreichischer Journalist, Autor, politischer Aktivist und Religionswissenschaftler. Er war Herausgeber der Kulturzeitschrift FORVM. 1977 gründete Nenning zusammen mit Wolf in der Maur den Österreichischen Journalisten Club (ÖJC). Er starb 2006.
Person Ein Potpourri
Vita Ein Potpourri ___ Günther Nenning, geboren 1921 in Wien, war ein österreichischer Journalist, Autor, politischer Aktivist und Religionswissenschaftler. Er war Herausgeber der Kulturzeitschrift FORVM. 1977 gründete Nenning zusammen mit Wolf in der Maur den Österreichischen Journalisten Club (ÖJC). Er starb 2006.
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