Die Leere von Sinai

Seit dem Beginn der Terroranschläge des Islamischen Staates auf dem Sinai stehen milliardenschwere Tourismusregionen am Roten Meer vor dem Ende. Welche Folgen hat das für Ägypten?

Jahrelang hatte zumindest Sharme El-Sheihk das Image der sicheren Touristenmetropole auf der ägyptischen Sinaihalbinsel. Die letzten Anschläge in dem Badeort am Roten Meer liegen zehn Jahre zurück. Gezielt hatte die Regierung das glamouröse ehemalige Fischerdorf abgeschottet; Airlines aus Europa flogen Sharm El-Sheikh sogar direkt an, um Badeurlaubern das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.

Seit dem 31. Oktober 2015 ist alles anders. Ein Flugzeug mit russischen Sinaiurlaubern an Bord war am frühen Morgen in Sharm El-Sheikh nach St. Petersburg gestartet. Wenige Minuten später stürzte der Airbus über der Wüste Sinais ab, alle 224 Insassen kamen ums Leben. Die Ursachen des Absturzes waren bis Redaktionsschluss ungeklärt; Geheimdienste vermuten einen terroristischen Hintergrund.

Für die ägyptische Tourismusbranche ist das mutmaßliche Attentat ein herber Rückschlag. Der Winter und die Weihnachtsfeiertage sind eigentlich Hochzeiten für die Tourismusindustrie des Landes. Regierungen und Airlines reagierten sofort, Großbritannien und Russland ließen ihre Bürger mit eigenen Maschinen ausfliegen. Die Lufthansa und andere Fluggesellschaften stoppten ihre Flüge in die Region. „Jetzt ist völlig klar, dass die Sicherheitslage auf der Sinaihalbinsel keineswegs ‚unter Kontrolle‘ ist, so wie das von der Administration des ägyptischen Präsidenten immer wieder dargestellt wurde“, sagt Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Außerhalb Sharm El-Sheikhs galt der Sinai schon seit Längerem nicht mehr als sicher. So kamen in Taba, unweit der Grenze zu Israel, im Frühjahr 2014 bei einem Anschlag auf einen Reisebus mehrere Touristen ums Leben. In dem Badeort war bereits 2004 ein Anschlag auf ein Hotel verübt worden, bei dem 34 Menschen starben. „So entsteht der Eindruck, als mache man Urlaub in einem Kriegsgebiet“, sagt Walter Armbrust, Professor für Modern Middle Eastern Studies an der University of Oxford.

Neben dem Sueskanal ist der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle Ägyptens. Nach Angaben der ägyptischen Botschaft trägt die Branche 11,3 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, direkt und indirekt hängen rund 12,6 Millionen Jobs an ihr. Nach dem Bürgeraufstand im Jahr 2011 sank die Zahl der Touristen um vier Millionen auf zehn Millionen im Jahr. Seitdem schwankt die Zahl der Reisenden, nach Angaben der Botschaft hat sich die Lage 2014 aber gut entwickelt. Im Herbst 2014 seien sogar 20 Prozent mehr Deutsche nach Ägypten gereist als noch im Vorjahr.

Die positiven Zahlen, die Ägyptens Regierung veröffentlicht, gelten unter Fachleuten allerdings als wenig glaubhaft. Ägypten sei noch weit davon entfernt, das beliebte und sichere Reiseziel zu werden, was es einmal war, heißt es. Die unklare Sicherheitslage auf dem Sinai habe direkte Folgen für Investitionen. „Viele Hotelprojekte wurden verschoben, Mitarbeiter mussten oder wollten sich in anderen Ländern umorientieren“, sagt Elia Gad vom Reiseanbieter FTI, nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland für Pauschalreisen nach Ägypten.

Entlang der Küste, gerade bei Taba, zeugen zahlreiche Bauruinen von der Krise. Dabei ist gerade auf dem Sinai der Tourismus besonders wichtig: Entlang der 200 Kilometer langen Küste reihen sich Hunderte Hotelanlagen. Der Golf von Akaba ist dank der Korallenriffe bei Tauchern ein beliebtes Urlaubsziel.

Während im Süden Sinais bisher Zehntausende Touristen ihren Urlaub verbrachten, erlebt der Norden schon seit Jahren eine Welle der Gewalt. Die wenigen Nachrichten, die nach außen dringen, sind erschreckend. Seit Monaten verschärfen sich offenbar die Kämpfe zwischen dem ägyptischen Militär und verschiedenen islamistischen Kampfgruppen im Norden der Halbinsel. Allerdings gibt es kaum Fakten über die tatsächliche Sicherheitslage, denn die Militärregierung unter Präsident Abd al-Fattah as-Sisi schottet den Nordsinai konsequent ab. Seit Jahren war kein unabhängiger Journalist mehr in der Region unterwegs. Die Regierung hat hier den Ausnahmezustand verhängt, es gilt eine nächtliche Ausgangssperre.


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mare No. 113

No. 113Dezember 2015 / Januar 2016

Von Marlies Uken und Andrea & Magda

Auf virtuellen Hubschrauberflügen, die von Reiseveranstaltern ins Netz gestellt werden, um für Hotels und Strände zu werben, sah sich Marlies Uken, Jahrgang 1977, Journalistin in Berlin, die Ostküste Sinais an. Je nördlicher sie kam, desto öfter reihten sich nur noch leer stehende Hotelanlagen und leere Pools aneinander.

Von Sommer 2014 bis Frühjahr 2015 reiste das italienisch-französische Fotografenduo Andrea & Magda durch den Sinai, um die Entwicklung der Touristenregion einzufangen. Anfangs waren sie selbst als Touristen dort unterwegs und fasziniert vom Gigantismus der Architektur. Aus dem Aufenthalt ist ihre Arbeit „Sinai Park“ entstanden. Andrea & Magda werden durch die Agentur Neutral Grey vertreten.

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Vita Auf virtuellen Hubschrauberflügen, die von Reiseveranstaltern ins Netz gestellt werden, um für Hotels und Strände zu werben, sah sich Marlies Uken, Jahrgang 1977, Journalistin in Berlin, die Ostküste Sinais an. Je nördlicher sie kam, desto öfter reihten sich nur noch leer stehende Hotelanlagen und leere Pools aneinander.

Von Sommer 2014 bis Frühjahr 2015 reiste das italienisch-französische Fotografenduo Andrea & Magda durch den Sinai, um die Entwicklung der Touristenregion einzufangen. Anfangs waren sie selbst als Touristen dort unterwegs und fasziniert vom Gigantismus der Architektur. Aus dem Aufenthalt ist ihre Arbeit „Sinai Park“ entstanden. Andrea & Magda werden durch die Agentur Neutral Grey vertreten.
Person Von Marlies Uken und Andrea & Magda
Vita Auf virtuellen Hubschrauberflügen, die von Reiseveranstaltern ins Netz gestellt werden, um für Hotels und Strände zu werben, sah sich Marlies Uken, Jahrgang 1977, Journalistin in Berlin, die Ostküste Sinais an. Je nördlicher sie kam, desto öfter reihten sich nur noch leer stehende Hotelanlagen und leere Pools aneinander.

Von Sommer 2014 bis Frühjahr 2015 reiste das italienisch-französische Fotografenduo Andrea & Magda durch den Sinai, um die Entwicklung der Touristenregion einzufangen. Anfangs waren sie selbst als Touristen dort unterwegs und fasziniert vom Gigantismus der Architektur. Aus dem Aufenthalt ist ihre Arbeit „Sinai Park“ entstanden. Andrea & Magda werden durch die Agentur Neutral Grey vertreten.
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