Die Flotte des Caudillo

Ohne Hitlers Legion Condor hätte Francos Putsch vor 70 Jahren womöglich nicht metastasiert. Eine besondere – und oft übersehene – Rolle in Spaniens Bürgerkrieg spielten Hamburg und Kiel

Der Ort der Tragödie: Am Meer, unter dem Himmel, am Land. Der Hafen von Alicante, am 30. März 1939. Tragödien geschehen immer an einem bestimmten Ort, zu einem präzisen Datum, in einer Stunde, die keinen Aufschub duldet. Und der Himmel ist bedeckt, weil er sich schämt für das, was passieren wird.

Die vollmundig versprochenen englischen und französischen Schiffe, die die republikanischen Verlierer des Spanischen Bürgerkriegs in Sicherheit bringen sollten, sie würden niemals kommen. Statt dessen aber werden Francos Faschisten in der Küstenstadt einmarschieren, um mit massenhaften Exekutionen und Deportationen den blutigen letzten Akt der epochalen Auseinandersetzung ins Werk zu setzen. Und die Welt wüsste nichts von jener Tragödie am Meer, hätte nicht 30 Jahre später der Schriftsteller Max Aub, Sohn einer Französin und eines Deutschen, Spanienkämpfer und Exilant in Mexiko, im letzten Band seines weltliterarischen Romanzyklus „Das magische Labyrinth“ eben jenen Verzweifelten eine Stimme gegeben.

Sie sind eingeschlossen, heißt es in Aubs „Bitteren Mandeln“, sitzen hinter Gittern auf dem harten Stein des Hafens. Den Hafen erreichen, den Hafen gewinnen, im Hafen untergehen. Im Hafen, ohne Hoffnung. Arme Schweine, verloren. Entblößt, gestürzt, verloren. Nicht tot, sondern geschlachtet, versteigert, zu soundso viel Pfund das Kilo Republikaner, durchnässt vom sanften Regen.

Es endete in Alicante, doch begonnen hatte es in Melilla, auf den Kanaren, den Balearen sowie in Kiel und Hamburg – in dieser maritimen Reihenfolge. Seit im Februar 1936 die linksgerichtete Volksfront als frei gewählte Regierung in Madrid ihre Arbeit aufgenommen hatte, rumorte es im Korps der nach wie vor monarchistisch geprägten Armee. Am 17. Juli 1936 kam es dann im spanisch-marokkanischen Hafen Melilla zum Aufstand. General Franco, von der zuvor in Maßen misstrauisch gewordenen Regierung auf die Kanaren abgeschoben, machte sich von Las Palmas aus sofort auf den Weg nach Tetuán, der Melilla nächstgelegenen Garnisonsstadt, um auf der afrikanischen Seite des Mittelmeers die Führung der Meuterei zu übernehmen. Mallorca war gerade gefallen, doch auf Menorca hielten sich Regierungstreue, unterstützt von Anarchisten.
Eine komplizierte Geschichte? Ja und nein. Sie hat Haupt- und Nebenschauplätze, unverzichtbare Protagonisten, illustre Chargen, und erst heute, nach 70 Jahren, beginnt sich der Gesinnungsnebel zu lichten.

Weshalb also Kiel und Hamburg? Weil ohne ihre Schiffsfrachten Francos Putsch wohl kaum metastasiert hätte. Weil ohne die von hier kommenden Ju 52 die meuternden Truppen nicht so schnell von Spanisch-Marokko nach Spanien hätten gebracht werden können. Weil auf längere Sicht per Luft dennoch viel zu wenige Soldaten transportiert werden konnten, Spaniens Marine aber in Mehrheit treu zur republikanischen Regierung stand. In diesem Moment kam Hitler-Deutschland ins Spiel. Als hilfreich erwies sich dabei, dass das Dritte Reich bereits Seepräsenz in Spanien gezeigt hatte. Als nach Francos Putsch und dem Beginn der Kämpfe etwa 13.000 Deutsche das Land verlassen wollten, waren – unter großem Propagandagetrommel – im Sommer 1936 die Panzerschiffe „Admiral Scheer“ und „Admiral Graf Spee“ sowie der Kreuzer „Nürnberg“ von Kiel in Richtung Iberien ausgelaufen. Offiziell zur Nichtein-mischung verpflichtet, gab es keine Konflikte mit regierungstreuen Stellen und deren Marine, verliefen die Evakuierungen friedlich.

Gleichzeitig startete ein Militärunternehmen, das erst nach Ende des Bürgerkriegs, im Sommer 1939, der deutschen Öffentlichkeit präsentiert wurde, dessen medaillenbehängte Mitglieder dann jedoch voller Stolz im Berliner Lustgarten und auf Hamburgs Moorweide paradierten: die Legion Condor. So kam es, dass am 31. Mai 1937 mit der „Admiral Scheer“ das gleiche Panzerschiff, das im Jahr zuvor deutsche Zivilisten evakuiert hatte, mit vier Zerstörern das Feuer auf Almería eröffnete. Die etwa 200 Schüsse, abgefeuert aus siebeneinhalb Seemeilen Entfernung, kosteten 20 Menschenleben und 60 Verletzte, von Dutzenden Häusern nicht zu reden.

Was sich – zynisch gesprochen – wie eine Petitesse angesichts einer Million Bürgerkriegstoter ausnimmt, besaß jedoch im allgemeinen Kontext deutscher Kriegsvorbereitung und im spezifischen Rahmen militärischer Franco-Hilfe enorme Bedeutung. Von beiden Seiten wurde der Strick immer fester gezogen, der schließlich der Republik den Garaus machen sollte.


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mare No. 59

No. 59Dezember 2006 / Januar 2007

Von Marko Martin

Sein Urgroßvater, ein Anarchosyndikalist, lehrte Marko Martin in dessen DDR-Kindheit die Ablehnung jeglicher Diktatur. Martin, Jahrgang 1970, Schriftsteller in Berlin, ist seit Langem mit Passion am Spanischen Bürgerkrieg interessiert. Er verdankt mare-Dokumentar Michael Rittendorf die Entdeckung zahlreicher Berichte, von denen obiger Text profitieren konnte.

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Vita Sein Urgroßvater, ein Anarchosyndikalist, lehrte Marko Martin in dessen DDR-Kindheit die Ablehnung jeglicher Diktatur. Martin, Jahrgang 1970, Schriftsteller in Berlin, ist seit Langem mit Passion am Spanischen Bürgerkrieg interessiert. Er verdankt mare-Dokumentar Michael Rittendorf die Entdeckung zahlreicher Berichte, von denen obiger Text profitieren konnte.
Person Von Marko Martin
Vita Sein Urgroßvater, ein Anarchosyndikalist, lehrte Marko Martin in dessen DDR-Kindheit die Ablehnung jeglicher Diktatur. Martin, Jahrgang 1970, Schriftsteller in Berlin, ist seit Langem mit Passion am Spanischen Bürgerkrieg interessiert. Er verdankt mare-Dokumentar Michael Rittendorf die Entdeckung zahlreicher Berichte, von denen obiger Text profitieren konnte.
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