Die Chemie stimmt

Eine Idee, die 170 Jahre alt ist, macht Karriere: Strom aus chemischer Energie, sauber, lautlos, effizient. Die Brennstoffzelle versorgt Astronauten im All und lässt U-Boote unbegrenzt tauchen. Warum, um Himmels Willen, treibt sie nicht auch Schiffe an?

Manchmal ist es schwierig zu entscheiden, wann die Zeit reif ist für eine Sache. Wann es zu früh ist, wann zu spät. Brennstoffzellen sind so eine Sache. Eine Innovation, vielfach angepriesen, die man im Alltag bislang so gut wie vergeblich sucht. Ihre Besonderheit: Sie wandeln chemische Energie direkt in Strom um. Sauber, lautlos, geruchlos und effizient. Nahezu perfekt, eigentlich.

Vor rund 170 Jahren schien ihre Zeit zum erstenmal gekommen. Damals entdeckte Christian Friedrich Schönbein, einer der bedeutendsten deutschen Chemiker, dass beim Aufeinandertreffen von Wasserstoff und Sauerstoff Elektrizität entstehen kann. William Grove, walisischer Richter und Physiker, erfuhr davon und kam ins Grübeln. Der umgekehrte Weg, die Elektrolyse, war bereits bekannt: Wasser, das unter Strom steht, spaltet sich in seine elementaren Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff auf. Nun also ließ sich im Labor offensichtlich der Spieß umdrehen. Der findige Richter tüftelte weiter und schaffte es schließlich, einen ersten leistungsfähigen Apparat zu entwickeln, den er „Gasbatterie“ taufte. Das Prinzip der Brennstoffzelle war geboren.

Der Zeitpunkt jedoch war ungünstig. Denn damals gab es eine andere herausragende Erfindung, die für Aufsehen sorgte: die Dynamomaschine, ein elektrischer Generator, angetrieben von der Dampfmaschine. Wilhelm Ostwald, Direktor des ersten Instituts für Physikalische Chemie in Leipzig, war einer der wenigen, die ihrer Zeit voraus waren; im Jahr 1887 stellte er zum möglichen Einsatz der Brennstoffzelle fest: „Denken wir nur, wie sich das Aussehen unserer Industrieorte ändern wird. Kein Rauch, kein Ruß, keine Dampfmaschine, ja kein Feuer mehr.“

Eine Flamme sucht man in Brennstoffzellen in der Tat vergebens. In ihnen brennt auch nichts. Stattdessen findet eine elektrochemische Umsetzung statt, klassischerweise von Wasserstoff. Im Gegensatz zur Verbrennung ist dabei nicht das Erhitzen der Moleküle die treibende Kraft für die Reaktion, sondern das Aufspalten in elektrisch geladene Teilchen.

In einer Brennstoffzelle befinden sich zwei Elektroden, die durch eine Membran voneinander getrennt sind. Ein Katalysator spaltet an der einen Elektrode Wasserstoffmoleküle in Protonen und Elektronen auf. Die Protonen durchqueren die Trennschicht und wandern zur zweiten Elektrode, wo sie auf Sauerstoff treffen. Den Elektronen ist dieser Weg verwehrt, sie müssen den Umweg über einen separaten elektrischen Leiter nehmen. Dabei entsteht ein Stromfluss. Und als Endprodukt bleibt nur das übrig, was sich aus der unmittelbaren Reaktion der beiden Gase ergibt: Wasser. Sonst nichts, kein Kohlendioxid, keine Schadstoffe.

Brennstoffstellen arbeiten zudem ungewöhnlich effektiv, ohne zu viel des kostbaren energetischen Potenzials als Abwärme zu verschwenden. Ihr Wirkungsgrad in optimal konzipierten Anlagen liegt derzeit bei etwa 50 Prozent, das heißt, rund die Hälfte der Energie, die im Brennstoff steckt, fließt in die Erzeugung von Strom. Zum Vergleich: Gute Dieselmotoren in Autos bringen es auf einen Wirkungsgrad von lediglich 30 Prozent.

Auch wenn der Zeitpunkt ein schlechter war, in Vergessenheit gerieten Brennstoffzellen seinerzeit nicht. Allerdings dauerte es noch einige Zeit, bis die Wissenschaftler herausfanden, was im Inneren der elektrochemischen Wandler eigentlich genau passiert. Ihren ersten professionellen Einsatz hatten Brennstoffzellen zunächst einmal jenseits der Erde. An Bord amerikanischer Satelliten flogen sie in den sechziger Jahren ins All, später versorgten sie die Astronauten des Apollo-Mondflugprogramms mit Elektrizität. Das Abfallprodukt aus der Stromerzeugung konnten die Raumfahrer praktischerweise gleich an Ort und Stelle entsorgen: ein paar Mineralstoffe hinzugeben und austrinken. Mittlerweile gehören hoch entwickelte Brennstoffzellen in der Raumfahrt zur Standardausrüstung.

Auch im Meer sind sie bereits kommerziell unterwegs: an Bord einer neuen Generation von U-Booten vom Typ 212-A, entwickelt von der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel. Über Wasser fahren die hochmodernen Tauchboote mit einem herkömmlichen Dieselantrieb, bei Schleichfahrten unter Wasser kann die Besatzung auf Brennstoffzellenbetrieb umschalten. Die deutschen U-Boote können auf diese Weise nahezu lautlos mehrere Wochen auf Tauchfahrt gehen, ziehen keine Wärmeschleppe hinter sich her und sind kaum zu orten.

Brennstoffzellen können überall dort angewendet werden, wo Energie im Spiel ist – sei es in Laptops, Heizungsanlagen, Transportsystemen, Kraftwerken. Noch hakt es allerdings am Preis, an der Zuverlässigkeit und der Lebensdauer der Systeme. Doch Industrie und Wissenschaft sind sich einig, dass sich der Forschungsaufwand lohnt. So erproben Automobilhersteller seit Jahren Autos mit Brennstoffzellenantrieb, auch die Schifffahrt zeigt Interesse. Vor allem die großen Häfen könnten dadurch sauberer werden. Denn die Crews müssten für die Bordstromversorgung nicht mehr ihre stinkenden Dieselgeneratoren anwerfen. In Schweden orientieren sich die Liegegebühren in einigen Häfen schon jetzt am Schadstoffausstoß.


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mare No. 74

No. 74Juni / Juli 2009

Von Ute Schmidt und Jörg Hülsmann

Ute Schmidt, Jahrgang 1966, Wissenschaftsjournalistin in Solingen, hat seit Studienzeiten vor Wasserstoff „einen Heidenrespekt“. „Das Zeug kann in Verbindung mit Sauerstoff beim Abfackeln ordentlich knallen.“

Der Illustrator Jörg Hülsmann, geboren 1974, zeichnet für Buch- und Zeitschriftenverlage. Für seine Arbeit zu den Brennstoffzellen konnte er auf die Hilfe seines Vaters, ein Ingenieur, zurückgreifen. Hülsmann lebt und arbeitet in Berlin.

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Vita Ute Schmidt, Jahrgang 1966, Wissenschaftsjournalistin in Solingen, hat seit Studienzeiten vor Wasserstoff „einen Heidenrespekt“. „Das Zeug kann in Verbindung mit Sauerstoff beim Abfackeln ordentlich knallen.“

Der Illustrator Jörg Hülsmann, geboren 1974, zeichnet für Buch- und Zeitschriftenverlage. Für seine Arbeit zu den Brennstoffzellen konnte er auf die Hilfe seines Vaters, ein Ingenieur, zurückgreifen. Hülsmann lebt und arbeitet in Berlin.
Person Von Ute Schmidt und Jörg Hülsmann
Vita Ute Schmidt, Jahrgang 1966, Wissenschaftsjournalistin in Solingen, hat seit Studienzeiten vor Wasserstoff „einen Heidenrespekt“. „Das Zeug kann in Verbindung mit Sauerstoff beim Abfackeln ordentlich knallen.“

Der Illustrator Jörg Hülsmann, geboren 1974, zeichnet für Buch- und Zeitschriftenverlage. Für seine Arbeit zu den Brennstoffzellen konnte er auf die Hilfe seines Vaters, ein Ingenieur, zurückgreifen. Hülsmann lebt und arbeitet in Berlin.
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