Dicke Luft im Hafen

Große Pötte verbrennen Schweröl. Unter den Abgasen leiden besonders die Hafenstädte. Die Alternative: Während ihrer Liegezeit bekommen Schiffe Energie aus der Steckdose

Auf Rostocks Wochenmarkt rieselt der Ruß. Über Lübeck hängen braune Dunstschwaden. Im Ostseeheilbad Travemünde wundern die Leute sich über schwarze Flocken auf dem Eis. In Göteborg klagen sie über Atembeschwerden. Und die Bewohner von Los Angeles sind beunruhigt über eine signifikant hohe Krebsrate.

Nein, es ist kein Atomkraftwerk hochgegangen. Dies sind bloß ein paar der Auswirkungen der alltäglichen Emissionen, die aus den Schornsteinen unseres ökologisch vernünftigsten Transportmittels qualmen, des Schiffes. Der Qualm hat es in sich. Was ein Jahrhundert lang bestaunt, gemalt, fotografiert und romantisch verklärt wurde, erlebt einen gründlichen Imagewechsel: Der Dampf aus dem Dampfer ist giftig.

Das fällt in der Weite der Ozeane nicht weiter auf. Doch auf viel befahrenen Routen wie dem Ärmelkanal hinterlässt die weltweit jährlich um acht Prozent wachsende Schifffahrt sichtbare Spuren. Spür- und messbar sind die Emissionen aber besonders in Hafenstädten. Schon vor zwölf Jahren stammten 80 Prozent der verkehrsbedingten Schwefeloxidemissionen in Hamburg aus dem Hafen. Ebenso fast 20 Prozent der Stickoxide und über 20 Prozent der Staubpartikel. Forscher der Delaware University haben ausgerechnet, dass der Stickoxidausstoß der globalen Frachtschifffahrt so hoch ist wie der der gesamten USA. Und eine EU-Prognose schätzt, dass bereits 2010 die Schwefeldioxidemissionen der Schifffahrt die des gesamten Landverkehrs einholen werden.

Es gibt zwei Gründe für die miserablen Emissionsdaten der Schiffsantriebe. Zum einen sind die meisten der rund 90 000 weltweit fahrenden Handels- und Passagierschiffe eigentlich mobile Müllverbrennungsanlagen. Ihr Treibstoff ist Schweröl (Schwefelgehalt bis 4,5 Prozent), ein Abfallprodukt der petrochemischen Industrie, das nur halb so viel wie entschwefelter „Marinediesel“ kostet. An Land müsste das Zeug aufwendig entsorgt werden.

Andererseits existieren auf See kaum international gültige Vorschriften und Grenzwerte. Während das Abgas aus dem Auspuff der Autos heute schon manchmal besser ist als die angesaugte Atemluft in der Stadt, emittieren Schiffe Schwefel in einer Menge, die – bezogen auf den Tonnenkilometer – um bis zu 50 Mal höher liegt als beim Lastwagen.

Gerade in innerstädtischen Häfen wie in Kiel oder Hamburg gibt es deswegen zunehmend Ärger. Touristen und Stadtmarketing freuen sich über maritimes Flair, doch der Bürger hustet. In Hamburg wurde 2006 ein Luftschadstoffgutachten erstellt, das die Planungen des jüngsten Vorzeigeprojekts der Hansestadt, der Hafencity, massiv beeinflusste. Schicke Wohnungen sollen hier mit hippen Büros gemischt werden, drumherum viel Wasser, maritimes Feeling. Höhepunkt: wenn die „Queen Mary 2“ am Kreuzfahrtterminal festmacht. Die Pläne mussten nachgebessert werden: keine Wohnbebauung im Bereich des Terminals; Büros nur mit Fenstern, die zur Wasserseite hermetisch verschlossen sind, und nur mit der Garantie, dass die Zufuhr unbelasteter Frischluft zu gewährleisten ist.

Eine einleuchtende und simpel klingende Idee geistert seit Jahren durch die Medien: Warum machen wir es bei den großen Schiffen nicht wie der Freizeitkapitän im Yachthafen? Der reicht ein Kabel auf den Steg, wo es in die Steckdose kommt, und schon ist die elektrische Versorgung des Kühlschranks gesichert. Warum legen wir den Stinkepott nicht an die elektrische Leine? Er könnte Maschine und Hilfsdiesel im Hafen abstellen und alle Energie von Land beziehen. Der sogenannte Landanschluss ist eine prima Idee – mit Haken.

Da ist zunächst der immense Energiebedarf solcher Schiffe. Ein Containerschiff benötigt im Hafen für Licht, Heizung, Kühlung, für den Kranbetrieb oder die Pumpsysteme schon zwei bis vier Megawatt. Zum Vergleich: Eine mittlere Windkraft-anlage liefert rund 1,5 Megawatt. Handelt es sich um Kühlcontainer, verdoppelt sich der Bedarf. Kreuzfahrtschiffe mit ihrer großen Infrastruktur brauchen sechs oder sieben Megawatt. Die „Queen Mary 2“ schluckt gar Strom wie eine komplette Kleinstadt – hier müsste eine Leistung von zwölf Megawatt und mehr an Bord geschafft werden. Die „schwimmenden Müllverbrennungsanlagen“ sind also auch noch veritable Kraftwerke. Wer sie von Land aus versorgen will, braucht eine entsprechend dimensionierte „Steckdose“ und freie Kapazität im Landstromnetz. Oder gleich ein hafeneigenes Kraftwerk.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 64. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 64

No. 64Oktober / November 2007

Von Burkhard Strassmann

Burkhard Strassmann, Jahrgang 1953, ist Autor im Ressort Wissen der Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit.

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Vita Burkhard Strassmann, Jahrgang 1953, ist Autor im Ressort Wissen der Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit.
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Vita Burkhard Strassmann, Jahrgang 1953, ist Autor im Ressort Wissen der Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit.
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