Der weiße Samurai

Eine japanische Berühmtheit: Der Navigator Williams Adams erreichte im Jahr 1600 Japan. Er blieb bis zu seinem Tod und wurde zu einem Samurai, als erster Europäer überhaupt

April 1600. Sie hatten das Ende der ihnen bekannten Welt erreicht. Ein gewaltiger Sturm hatte ihr Schiff an die Küste Japans geworfen. Die Seekarten dieser Weltgegend waren nicht verlässlich. Statt genauer Angaben markierten Monster der Tiefsee die unbekannten Meeresregionen, die verzeichneten Küstenlinien entsprangen meist der Fantasie des Zeichners oder beruhten allenfalls auf vager Kunde früherer Weltreisender. Ihr Schiff, die „Liefde“ (Liebe), hatte zwei Jahre zuvor gemeinsam mit vier weiteren Galeonen den Hafen von Rotterdam mit dem Ziel Asien verlassen. Finanziert von reichen niederländischen Kaufleuten, sollte die kleine Flotte europäische Güter gegen begehrte Gewürze und Silber eintauschen. Die zu erwartenden Gewinne waren gigantisch, doch die Risiken und Unwägbarkeiten einer solchen Expedition waren ebenfalls groß.

Der Anblick, der sich den japanischen Fischern bot, die als Erste das fremde Schiff betraten, muss schockierend gewesen sein. Halb verhungert, gezeichnet von Krankheit und Erschöpfung, lagen die überlebenden Männer zum Teil in ihren eigenen Exkrementen, unfähig, sich aufzurichten. Unter Deck verwesten die Leichen ihrer Kameraden, von Ratten angefressen. Einer der wenigen, die sich noch aufrecht halten und einen klaren Gedanken fassen konnten, war der Navigator William Adams, ein Engländer im Dienst der Holländer. Er konnte nicht ahnen, dass sich sein Schicksal auf diesem entfernten Inselreich entscheiden und er seine Heimat England nie mehr wiedersehen sollte.

Die Geschichte von William Adams war lange vergessen und wurde erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt; heute kennt jedes japanische Schulkind die Geschichte des englischen Navigators. Aber die historische Figur ist überwuchert von Legenden. Wer war der Mann hinter dieser Saga? Biografische Zeugnisse sind spärlich, nur so viel lässt sich sicher sagen: Adams wuchs in Gillingham, Kent, auf; am 24. September 1564 wurde er dort getauft. In frühen Jahren durchlief er eine Ausbildung zum Schiffszimmerer und zum Nautiker. Kaum hatte er die Lehrjahre abgeschlossen, übernahm er sein erstes Kommando und befehligte im Kampf gegen die spanische Armada ein englisches Versorgungsschiff. 1585 beteiligte sich Adams an einer Expedition zur Erforschung der Nordostpassage, weitere Fahrten im Atlantik und im Mittelmeer folgten. In dieser Zeit konnte er seine Kenntnisse und Fertigkeiten als Navigator vertiefen.

1598 erfuhr der nun 35-Jährige von einer großen niederländischen Handelsexpedition nach Asien. Die Aussicht auf beträchtliche Belohnung ebenso wie Abenteuerlust mögen Adams bewogen haben, bei diesem Unternehmen als Steuermann anzuheuern. Einmal mehr ließ er Frau und Kinder zurück in England. Anhand von Aufzeichnungen, die heute in der British Library liegen, lässt sich der dramatische Verlauf der abenteuerlichen Reise nachvollziehen. Mit 491 Mann Besatzung, die verschiedene Sprachen sprachen und auf fünf Schiffe verteilt waren, stellte die Expedition für die damalige Zeit ein eindrucksvolles Unternehmen dar. Wie der erste Weltumsegler Ferdinand Magellan 80 Jahre zuvor wollte die Flotte Asien über den Weg nach Westen erreichen, quer durch den Atlantik, an der Küste Südamerikas entlang durch die Magellanstraße in den Pazifischen Ozean und durch diesen hindurch bis zu den Ländern des Fernen Ostens. Bereits nach wenigen Monaten stellte sich heraus, dass der Proviant viel zu spärlich bemessen war, zahlreiche Seeleute starben. Zwei Schiffe fielen den feindlichen Spaniern und Portugiesen in die Hände, ein weiteres Schiff kehrte nach Europa zurück, die „Hoope“ (Hoffnung) ging in einem Taifun unter. So erreichte allein die „Liefde“ mit 24 Mann Besatzung die japanische Küste.

Die Seeleute waren nicht die ersten Europäer, die japanischen Boden betraten. Bereits 40 Jahre zuvor hatten die Portugiesen das Land für sich entdeckt. Den ersten portugiesischen Händlern waren bald darauf Jesuiten gefolgt. Die Mitglieder dieses elitären und dem Papst in besonderem Gehorsam verpflichteten Ordens träumten von der Christianisierung Japans. Aber die Ankunft der „Liefde“ bedrohte ihre Macht. Denn die Seeleute waren Protestanten, in den Augen der katholischen Kirche also Häretiker, vom rechten Glauben Abgekommene. Die Jesuiten waren wegen ihrer hohen Bildung und ihres diplomatischen Geschicks zu wichtigen Beratern der japanischen Herrscher geworden – eine Position, die sie zugunsten der katholischen Kirche auszunutzen wussten und die sie um keinen Preis verlieren wollten. Darum setzten sie alles daran, die japanischen Behörden davon zu überzeugen, dass es sich bei Adams und seiner Crew um Piraten handele. Ein schlimmer Vorwurf: Piraten wurden in Japan gekreuzigt oder verbrannt.

Der Plan der Jesuiten schien zunächst aufzugehen. Die Mannschaft der „Liefde“ wurde kurz nach der Landung in ein Gefängnis gebracht und musste damit rechnen, hingerichtet zu werden. Der örtliche japanische Herrscher hegte jedoch Zweifel an den Aussagen der Portugiesen. Er informierte seinen höchsten Vorgesetzten, den Fürsten Tokugawa Ieyasu. Und der ließ William Adams als ranghöchsten Offizier zu sich kommen.


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mare No. 130

Oktober / November 2018

Von David Johst

David Johst, Jahrgang 1977, ist Historiker, freier Journalist und Autor. Er lebt in Halle an der Saale. Seit einem Studienaufenthalt in Japan 2005 hat ihn das Land und dessen wechselvolle Geschichte nicht mehr losgelassen.

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Vita David Johst, Jahrgang 1977, ist Historiker, freier Journalist und Autor. Er lebt in Halle an der Saale. Seit einem Studienaufenthalt in Japan 2005 hat ihn das Land und dessen wechselvolle Geschichte nicht mehr losgelassen.
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Vita David Johst, Jahrgang 1977, ist Historiker, freier Journalist und Autor. Er lebt in Halle an der Saale. Seit einem Studienaufenthalt in Japan 2005 hat ihn das Land und dessen wechselvolle Geschichte nicht mehr losgelassen.
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