Der talentierte Mr. Curry

Die Erfindungen eines bayerischen Arztes mit amerikanischem Pass beglückten Sportfreunde, Segler und Segelflieger und nicht zuletzt die Damenwelt. Aber ein unschein­bares Metallstück machte ihn unsterblich

Der Mann, der am 11. Dezember 1899 als Sohn amerikanischer Eltern in München geboren worden war, sah gut aus, war intelligent und gut situiert. Er brillierte als Leichtathlet, Eisläufer, Segler, alles auf Weltklasseniveau. Er feierte Erfolge als Aerodynamiker, Karosseriebauer, Rumpf- und Segelkonstrukteur, als Arzt, Wissenschaftler, Sachbuchautor, als Fotograf und Filmer. Und er glänzte in zwei weiteren Disziplinen: als Lebemann und – darüber erfährt man allerdings nur Anekdotisches – als Frauenheld. Jede Facette seines Lebens, das er größtenteils am oberbayerischen Ammersee verbrachte, könnte Bände füllen.

Was Curry von anderen klugen Köpfen seiner Zeit unterschied, war nicht nur seine verblüffende Vielseitigkeit, sondern vor allem seine Befähigung, aus der Natur Fragen ablesen und diese ganz praktisch beantworten zu können. Die Theorie interessierte ihn nur dann, wenn er sie dafür nutzen konnte, das Gefundene zu erklären. So inspirierte ihn zum Beispiel ein Eisklumpen, der tropfenförmig in der Strömung eines Gewässers hing, seine Yachten mit elliptischen, windschlüpfrigen Mastprofilen auszustatten. Heute ist das Standard. Wie viele andere Dinge, die der Bayer mit US-Pass entwickelte.

Doch ausgerechnet jene Vorrichtung, die Curry in der Welt der Freizeit- und Regattasegler unsterblich machte, war keine eigene Erfindung, sondern die Weiterentwicklung einer Idee aus Amerika. Die Rede ist von der Curryklemme – einer einfachen Lösung eines altbekannten Problems: Wie kann man Seile, die windgeblähte Segel in Position halten müssen, sicher und schnell fixieren ohne die üblichen Befestigungsschlaufen?

Currys Antwort war eine Klemmvorrichtung, die das durchlaufende Seil, die Schot, mit einem einzigen Handgriff arretiert. Erreicht wird dies durch zwei Bremsbacken, die per Federdruck gegeneinander gepresst werden. Sie berühren die Schot und halten sie fest. Der Clou: Je mehr Zug – in der Regel durch ein gebauschtes Segel – ausgeübt wird, desto fester beißen die Bremsbacken zu. Das Seil kann mit einem einzigen Ruck nach oben gelöst werden, etwa dann, wenn der Segler das Vorsegel dichter holen oder es bei der Wende freigeben will. Es waren wertvolle Sekunden, die Segelsportler mit der Einführung von Currys Klemme einsparten. Bis dahin musste man die Halteseile nämlich umständlich an sogenannten Klampen fixieren, eine zeitraubende Angelegenheit. Curryklemmen gibt es heute weltweit auf allen kleineren und mittleren Segelbooten.

Nicht minder einfach und nützlich wie die Klemme – und in diesem Fall eine echte Curry-Idee – waren seine Windbändsel: kleine Stoffstreifen, die, an strategisch wichtigen Stellen im Segel befestigt, die Luftströmung anzeigen und so eine optimale Einstellung des Segelprofils er- möglichen. Gerade bei flautenähnlichen Windverhältnissen geben diese sogenannten Verräter Schlüsselinformationen, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen können.

Ohnehin liebte Curry Flauten. Schwachwinde machten aus ihm, dem Klassesegler und Olympiateilnehmer 1928 für die USA, einen Weltklassesegler. Bei schätzungsweise 1400 Regatten, an denen er teilnahm, fuhr Curry die klarsten Siege immer dann ein, wenn die Konkurrenz jammernd ins schlaffe Hauptsegel blickte.

Das bestätigte dem Flautenkönig auch eine königliche Hoheit, Prinz Ludwig von Bayern, der bei Curry zeitweilig auf dem Vorschiff diente. „Als wir bei Flaute das Blaue Band vom Starnberger See gewannen, hat er sich mit dem schweren Schärendreißiger so in der örtlichen Thermik am Ufer entlanggesegelt, dass wir Stunden vor den leichten Rennjollen durchs Ziel gingen“, so der Prinz. „Bei Wind kann jeder segeln“, pflegte Curry zu antworten, wenn man ihn fragte, warum er bei günstigem Wind die Führungsposition nicht halten konnte und ins Feld zurückfiel.

Curry wurde in den 1920er und 1930er Jahren bei Jollen und Schärenkreuzern zum nationalen und internationalen Pokalabräumer. Das lag nicht zuletzt an einem Manöver, das er selbst entwickelt hatte: die „sichere Leestellung“, die bis heute in den einschlägigen Lehrbüchern der Regattasegelei zu finden ist. In seinem publizistischen Welterfolg „Die Aerodynamik des Segels und die Kunst des RegattaSegelns“ von 1925 beschreibt Curry, wie man einem Konkurrenten den Wind aus den Segeln nimmt. Genauer gesagt: wie man aus führender Position im Rumpf-an-Rumpf-Kampf einem Angreifer mit der eigenen Segelstellung einen störenden Windstrom in die Segel drückt, sodass dieser unweigerlich zurückfällt.


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mare No. 103

No. 103April / Mai 2014

Von Claus-Peter Lieckfeld

Claus-Peter Lieckfeld, Jahrgang 1948, freier Autor, lebt am Westufer des Ammersees und hält die Stunden auf einer wendigen Jolle für „absolute Premiumzeit“. Für die freundliche Unterstützung bedankt er sich bei Florian Raff, Mitkurator der Ausstellung „Innovation im Segelsport – Manfred Curry, Forscher und Universalgelehrter“, die der Ammersee Yacht Club in seinem Bootshaus zeigte. Curry war langjähriges Mitglied des Clubs, seine Eltern waren Gründungsmitglieder.

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Vita Claus-Peter Lieckfeld, Jahrgang 1948, freier Autor, lebt am Westufer des Ammersees und hält die Stunden auf einer wendigen Jolle für „absolute Premiumzeit“. Für die freundliche Unterstützung bedankt er sich bei Florian Raff, Mitkurator der Ausstellung „Innovation im Segelsport – Manfred Curry, Forscher und Universalgelehrter“, die der Ammersee Yacht Club in seinem Bootshaus zeigte. Curry war langjähriges Mitglied des Clubs, seine Eltern waren Gründungsmitglieder.
Person Von Claus-Peter Lieckfeld
Vita Claus-Peter Lieckfeld, Jahrgang 1948, freier Autor, lebt am Westufer des Ammersees und hält die Stunden auf einer wendigen Jolle für „absolute Premiumzeit“. Für die freundliche Unterstützung bedankt er sich bei Florian Raff, Mitkurator der Ausstellung „Innovation im Segelsport – Manfred Curry, Forscher und Universalgelehrter“, die der Ammersee Yacht Club in seinem Bootshaus zeigte. Curry war langjähriges Mitglied des Clubs, seine Eltern waren Gründungsmitglieder.
Person Von Claus-Peter Lieckfeld