Der Sound der MS „Damaskus“

Für Schiffsbesatzungen, die lange unterwegs sind, ist Musik an Bord fast überlebensnotwendig

„Das ist schon die zweite Reise auf einem Frachtschiff, die mein Mann und ich machen. Wir haben den Weltempfänger dabei. Damit hören wir Deutsche Welle oder in den Häfen die Musik der jeweiligen Länder. Das stimmt einen dann so schön auf den Landgang ein.“
Dorith Goldbeck, 65, Passagierin, Berlin


„Ich bin der einzige der neun Leute aus Kiribati, der einen Recorder in der Kabine hat. Er steht am Boden, weil ich nicht will, dass er bei einem Sturm runterfällt. Manchmal kommen die anderen zu mir, und dann hören wir ganz laut eine Kassette einer Gruppe meiner Inseln, die heißt ,Ever Green‘. Der Beat ist ähnlich wie beim Reggae.“
Antonio Bataka, 24 Jahre, Hilfskoch und Matrose, Kiribati


„Am Wochenende höre ich Deutsche Welle auf meinem kleinen Weltempfänger. Dann gibt es Musik, sonst ist meist nur Gerede. CDs habe ich keine dabei. Hat sich nicht gelohnt, die einzupacken. Ich bin ja nur für drei Monate auf der ,Damaskus‘. Manchmal gibt es Partys der Crew. Je mehr Filipinos auf einem Schiff sind, desto mehr Musik ist an Bord.“
Andrzej Waliszewski, 61 Jahre, Chefingenieur, Warschau


„Das ist das Millenniums-Musikvideo aus Kiribati. Unser Volk war das erste, das ins neue Jahrtausend ging. Wir sehen uns diese Kassette fast jeden Tag an. Die Frauen singen unsere Lieder. Manchmal machen wir hier Karaoke-Abende. Aber im Moment ist der Karaoke-Anschluss im Mannschaftsraum kaputt.“
Timon Tebetao, 41 Jahre, Hilfsmaschinist, und James Tiare, 40 Jahre, Matrose, Kiribati


„Wenn ich in der Maschine putzen muss, dann habe ich unter dem Ohrenschützer den Walkman an. Im Moment höre ich Walzer von Helmuth Lotti, da kann ich mit viel Schwung wischen, das macht dann richtig Spaß. Aber eigentlich ist meine liebste Musik sowieso der Sound der Maschine.“
Silke Einsfeld, 26 Jahre, Hilfsmatrosin und Maschinistin, Mainz


„Grönemeyer find’ ich klasse: Der hat sogar ein Stück für Seeleute geschrieben, das heißt ,Land unter‘. Ich habe aber auch eine CD mit ,Ace of Base‘ hier. Die habe ich in Syrien im Hafen gekauft. Schwarz gepresst. Ist ein kleiner Fehler drauf, das macht aber nichts, dafür hat sie auch nur acht Mark gekostet.“
Christian Opel, 18 Jahre, Hilfsmatrose, Cuxhaven


„Ich lese viel. Am liebsten über den Zweiten Weltkrieg. Das interessiert mich. Aber es ist schwierig, an Bücher ranzukommen, wir gehen ja kaum jemals von Bord. Beim Lesen höre ich russische Musik. Die Gitarre hängt neben dem Bett. Musik ist Teil der Geschichte eines Landes, meines Landes, Russland.“
Maxim Mesenzew, 34 Jahre, 3. Offizier, St. Petersburg


„Ah, ich liebe sie. Die heißen ,Sister Rose‘. Das sind russische Zwillinge, die in Amerika leben, sehr berühmt. Vielleicht mag ich die so, weil ich auch ein Zwilling bin. Mein Bruder fährt auch zur See, der ist jetzt im Pazifik, glaube ich.“
Alexei Tomilow, 33 Jahre, 2. Offizier, St. Petersburg


„Heute kommt ein Händler an Bord. Ich schaue mir gerade seinen Katalog an. Einmal pro Fahrt dürfen wir zollfrei einkaufen. Ich will eine Anlage mit einem guten Verstärker haben. Darauf spare ich schon die ganze Zeit. Heute Abend kann ich endlich laut Musik hören. In zehn Monaten bringe ich das Gerät dann nach Hause zu meiner Familie. Vielleicht kaufe ich auch noch eine Waschmaschine.“
Rotan Boobi, 37 Jahre, Maschinist, Kiribati


„Ich komme an Bord der Containerschiffe. Die Leute können sich dann aus dem Katalog aussuchen, was sie kaufen möchten. Wir liefern noch am gleichen Tag. Fernseher, CD-Player, Waschmaschinen, Föns, auch mal ein Lady Shave ist dabei, aber die meisten bestellen Musikanlagen. Mir ist egal, was die Leute haben wollen. Ich verkaufe ihnen alles.“
Pakistanischer Händler im Hafen von Antwerpen

mare No. 22

No. 22Oktober / November 2000

Von Zora del Buono

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

Mehr Informationen
Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono
Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono