Der Saugnapf – ein Patent der Natur

Wie die Fangarme der Tintenfische die moderne Technik bereichern

Was haben Tintenfische und Handtuchhalter gemeinsam? Nun, sie haften eisern an ihrer Unterlage und nutzen dabei das Saugnapfprinzip. Das Prinzip ist so genial einfach, daß es in Natur und Technik weite Verbreitung gefunden hat.

Sucht man in der Natur nach Saugnäpfen, so gleicht dies einem Streifzug durchs Tierreich. Es gibt sie in allen Formen und Variationen: mikroskopisch kleine Saugtentakel bei einzelligen Suktorien, Saugfüßchen bei Seeigeln und Seesternen, Mund- und Bauchsaugnäpfe bei Saugwürmern, Sauggruben bei Bandwürmern, Mund- und „Schwanz“ saugnapf bei Egeln, Haftfüße bei Schnecken, Bauchscheiben bei Gelbrandkäfern, Saugmäuler bei Fischen, Saugzehen bei Fröschen, Saugnäpfe bei Tintenfischen... die Liste ist keineswegs vollständig.

Saugnäpfe sind heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken: Handtuchhalter, die an jeder Kachel haften, gummifüßige Küchenmaschinen, die sich per Hebelumlegen am Tisch fixieren lassen, unverrutschbare Seifenschalen, Vakuumheber, Saugelektroden, kletternde Roboter – die Anwendungsmöglichkeiten des Saugnapfprinzips sind schier unbegrenzt.

Das Geheimnis, das dahinter steht, heißt Unterdruck. In der Kammer, die von Saugnapf und Unterlage gebildet wird, muß ein Druckgefälle erzeugt werden, so daß der Druck auf der Innenseite niedriger ist als außen. Diese Druckdifferenz ist es, die den Saugnapf auf die Unterlage preßt und dort festhält. Und – was nicht weniger wichtig ist – ihn wieder freigibt, sobald es zu einem Druckausgleich zwischen innen und außen kommt. Das Raffinierte dabei ist, daß diese Art der Anheftung an Land genauso gut funktioniert wie im Wasser.

Die entscheidende Rolle spielen bei den Tieren Muskeln, die an einem beweglichen Polster am Grunde des Saugnapfes ansetzen, das als „Saugstempel“ beim Zurückziehen einen Unterdruck aufbaut (zusätzlich wird der Napf beim Blutegel mit Drüsensekret abgedichtet; auch der Handtuchhalter haftet besser, wenn man zuvor auf die Innenfläche spuckt).

Das hört sich einfach an, ist aber technisch gar nicht so leicht zu realisieren: Erstens haben industriell gefertigte Näpfe bekanntlich keine Muskeln; der Unterdruck muß also auf anderem Wege erzeugt werden. Zweitens braucht man ein elastisches Material, das nach Aufhebung des Unterdrucks wieder in seine ursprüngliche Form „zurückfedert“.

Frühe Bioniker haben sich daher biologischer Saugnäpfe bedient, ohne deren rechtmäßige Besitzer um Erlaubnis zu fragen: Schiffshalter, eine Fischart, die sich an großen Meerestieren festsaugt und mitschleppen läßt (Biologen bezeichnen solches Schwarzfahren als Phoresie), wurden an die Leine gelegt, um Meeresschildkröten zu fangen. Und im Mittelmeer fischte man ehedem nach dem gleichen Prinzip mit Kraken.

Apropos Kraken – Tintenfische sind sozusagen die Personifikation des Saugnapfprinzips. Während sich die meisten Tiere mit ein bis zwei Näpfen zufriedengeben, bringen sie es spielend auf mehrere tausend. Dabei sind die Saugnäpfe von achtarmigen Tintenfischen, den Kraken, recht einfach; sie sitzen breit auf den Armen auf und sind glatt wie Schröpfköpfe.


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mare No. 9

No. 9August / September 1998

Von Monika Niehaus-Osterloh

Wer sich weiter über dieses faszinierende Gebiet informieren möchte, sei auf die Ausstellung Bionik – Zukunftstechnik lernt von der Natur hingewiesen, die bis zum 26. November im Siemens-Forum in München zu sehen ist

Monika Niehaus-Osterloh, Jahrgang 1951 und promovierte Zoologin, arbeitet seit 1985 als freie naturwissenschaftliche Übersetzerin und Autorin in Düsseldorf. Daneben schreibt sie Science-Fiction und Krimis; ihr Zookrimi Spiel des Affen erhielt 1998 die Auszeichnung „Thriller des Jahres“

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Vita Wer sich weiter über dieses faszinierende Gebiet informieren möchte, sei auf die Ausstellung Bionik – Zukunftstechnik lernt von der Natur hingewiesen, die bis zum 26. November im Siemens-Forum in München zu sehen ist

Monika Niehaus-Osterloh, Jahrgang 1951 und promovierte Zoologin, arbeitet seit 1985 als freie naturwissenschaftliche Übersetzerin und Autorin in Düsseldorf. Daneben schreibt sie Science-Fiction und Krimis; ihr Zookrimi Spiel des Affen erhielt 1998 die Auszeichnung „Thriller des Jahres“
Person Von Monika Niehaus-Osterloh
Vita Wer sich weiter über dieses faszinierende Gebiet informieren möchte, sei auf die Ausstellung Bionik – Zukunftstechnik lernt von der Natur hingewiesen, die bis zum 26. November im Siemens-Forum in München zu sehen ist

Monika Niehaus-Osterloh, Jahrgang 1951 und promovierte Zoologin, arbeitet seit 1985 als freie naturwissenschaftliche Übersetzerin und Autorin in Düsseldorf. Daneben schreibt sie Science-Fiction und Krimis; ihr Zookrimi Spiel des Affen erhielt 1998 die Auszeichnung „Thriller des Jahres“
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