Der Name der Sauce

Ein französischer Marschall erobert die Insel Menorca und wird zum gefeierten Helden in seiner Heimat. Aber weniger für den Sieg als für sein cremiges Mitbringsel: die Sauce Mayonnaise

Keine drei monate blieb der Marschall Louis-François Armand du Plessis 1756 auf Menorca. Der Franzose war am 18. April auf der Baleareninsel gelandet und stach am 7. Juli mit Kurs Toulon wieder in See – mit einem großen Sieg an Bord: Er hatte den Engländern den Hafen von Mahón entrissen.

Mit der Eroberung Menorcas sorgte der Duc de Richelieu, wie sein Adelstitel lautete, nicht nur für eine jener Provokationen, die schließlich zum Siebenjährigen Krieg gegen Großbritannien und Preußen führten. Der Großneffe des berühmten Kardinals erlangte mit dem Sieg auch kulinarische Bedeutung: Er soll eine Sauce, gerührt aus Eigelb und Öl, mit nach Frankreich gebracht haben, die zu seinen Ehren als Sauce Mahonnaise tituliert wurde und später von Paris aus als „Mayonnaise“ ihren Siegeszug um die Welt antrat.

Das erste schriftliche Zeugnis der Mayonnaise im Französischen datiert von 1807, in einem britischen Kochbuch tauchte sie erstmals 1841 auf. Ein Einwanderer aus Deutschland brachte sie 1905 in die USA, von wo aus sie nach Lateinamerika gelangte. Heutzutage wird weltweit mehr Mayo verbraucht als Ketchup.

Jahrzehnte stritten Köche, Sprachwissenschaftler und Schriftsteller über die Herkunft der flüssig-cremigen Zugabe. Einige mutmaßten, sie stamme aus der französischen Stadt Bayonne, in der sie als „Bayonnaise“ geboren worden sei. Andere ließen sich vom alten französischen Wort für Eigelb „moyeu“ inspirieren und sprachen von der „Moyeunnaise“. Das Etymologische Wörterbuch von Kluge bringt das französische Verb für schlagen, „mailler“, ins Spiel, nennt aber zugleich die Eroberung des Hafens von Mahón als Ursprung.

Warum der Puerto de Mahón das Interesse der damaligen Weltmächte weckte, ist noch heute sichtbar. Er ist der größte Naturhafen des Mittelmeers – ein fjordartiger Einschnitt in der Insel, fünf Kilometer lang, bis zu 1,2 Kilometer breit, mit einer schmalen Einfahrt, die von hohen Klippen umgeben ist. Hier fand eine ganze Seestreitmacht Schutz. Am südlichen Eingang des Hafens zeugen Mauerreste von der Festung San Felipe, die von den Briten zum größten Bollwerk des Mittelmeerraums ausgebaut worden war.

70 Tage währte die Belagerung durch Richelieu, und während dieser Zeit soll der Herzog erstmals die Sauce gekostet haben. War es ein Bauer, der ihm getrocknetes Fleisch schmackhafter servieren wollte ? War es sein Feldkoch, der Abwechslung in die karge Inselkost bringen wollte ? War es bei der Feier nach der Erstürmung von San Felipe ? Oder bei einer Geliebten, die ihn mit der Sauce verwöhnte ?

Von all diesen Varianten berichtet der spanische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Camilo José Cela in einem 1971 publizierten Artikel. Die romantische Spielart ist Cela zufolge in einem Brief Richelieus dokumentiert, in dem es lautete: „Diese zarte Sauce, mit der Ihr viele Male meinen Gaumen beglückt habt, wird mich an Euch erinnern, und ich versichere Euch angesichts der Unmöglichkeit, der Sauce Euren Namen zu geben, dass ich sie Mahonesa nennen werde.“ Den Brief, der angeblich lange von einer menorquinischen Familie aufbewahrt worden war, bekamen weder Cela noch sonst ein Zeitgenosse je zu Gesicht.

Die romantische Variante gehört wohl eher ins Reich der Gerüchte als der Gerichte. Davon ist auch José Manuel Al·lès Salvà überzeugt. Der Chef der Inselzeitung „El Iris“ hält den Stolz der Menorquiner auf „ihre“ Sauce mit einem Mayonnaisewettbewerb am Leben. „Wir wollen das Wissen bewahren, wie unsere Sauce von Hand gemacht wird“, sagt er und bedauert, dass sich so viele mit Industrieware aus Tuben abspeisen lassen.

Er ist der Ansicht, dass die Sauce nach dem Hafen von Mahón benannt wurde, und sei es bei einem Fest in Paris. Schließlich gibt es in der französischen Hauptstadt auch eine Rue de Port Mahon. Ähnlich zahlreich wie die Theorien zur Mayonnaise sind die Rezepte beim „Concurso Salsa Mahonesa“. Zwar fiel das Wettrühren in den vergangenen beiden Jahren mangels Sponsoren der Wirtschaftskrise zum Opfer. Aber Al·lès Salvà ist zuversichtlich, dass bald wieder Profi- und Hobbyköche Richelieus Erbe mit Seeigeleiern und Mango verfeinern. An dieser Stelle jedoch möge das klassische Rezept für die Königin aller kalten Saucen genügen.


Mayonnaise – das Urrezept

Zutaten
3 Eier, 1 TL Senf, 1 EL Zitronensaft, 1 EL Wasser, 0,5 l Olivenöl, Salz

Zubereitung
Alle Zutaten sollten unbedingt die gleiche Temperatur haben, daher sollten sie am besten eine Stunde vor Beginn der Zubereitung in der Küche bereitgestellt werden. Das Eigelb in eine Schüssel geben, das Salz, den Senf sowie die Hälfte des Zitronensafts hinzufügen und mit dem Schneebesen verrühren. Nun das Öl zunächst tropfenweise zugeben und die Flüssigkeit aufschlagen. Wenn sich die Bestandteile verbinden und zu einer Masse festigen, kann das Öl in feinem Strahl hinzugegeben werden. Ist die Hälfte des Öls eingearbeitet, den Rest des Zitronensafts und das Wasser hinzufügen und die Sauce fertig rühren.

mare No. 82

No. 82Oktober / November 2010

Von Robert Zsolnay

Robert Zsolnay, Jahrgang 1966, recherchiert und schreibt für Magazine und ist Autor von Reiseführern. Sein Handwerk erlernte er nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften als Volontär beim Münchner Merkur, es folgten Stationen als Landtagskorrespondent, Chefreporter einer Nachrichtenagentur und Textchef eines Automobilmagazins. Die Leidenschaft für die See erwuchs auf Fährüberfahrten zu den Inseln des Mittelmeers, beim Tauchen am Great Barrier Reef, auf den Cook Islands und den Fidschi-Inseln. Sie reifte während ausgedehnter Küstenwanderungen in Neuseeland und auf Menorca. Und nicht zu vergessen: während der vielen Versuche, die Wellen vor Australien, Costa Rica und Kalifornien auf einem Brett stehend zu bezwingen.

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Vita Robert Zsolnay, Jahrgang 1966, recherchiert und schreibt für Magazine und ist Autor von Reiseführern. Sein Handwerk erlernte er nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften als Volontär beim Münchner Merkur, es folgten Stationen als Landtagskorrespondent, Chefreporter einer Nachrichtenagentur und Textchef eines Automobilmagazins. Die Leidenschaft für die See erwuchs auf Fährüberfahrten zu den Inseln des Mittelmeers, beim Tauchen am Great Barrier Reef, auf den Cook Islands und den Fidschi-Inseln. Sie reifte während ausgedehnter Küstenwanderungen in Neuseeland und auf Menorca. Und nicht zu vergessen: während der vielen Versuche, die Wellen vor Australien, Costa Rica und Kalifornien auf einem Brett stehend zu bezwingen.
Person Von Robert Zsolnay
Vita Robert Zsolnay, Jahrgang 1966, recherchiert und schreibt für Magazine und ist Autor von Reiseführern. Sein Handwerk erlernte er nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften als Volontär beim Münchner Merkur, es folgten Stationen als Landtagskorrespondent, Chefreporter einer Nachrichtenagentur und Textchef eines Automobilmagazins. Die Leidenschaft für die See erwuchs auf Fährüberfahrten zu den Inseln des Mittelmeers, beim Tauchen am Great Barrier Reef, auf den Cook Islands und den Fidschi-Inseln. Sie reifte während ausgedehnter Küstenwanderungen in Neuseeland und auf Menorca. Und nicht zu vergessen: während der vielen Versuche, die Wellen vor Australien, Costa Rica und Kalifornien auf einem Brett stehend zu bezwingen.
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