Der König von Korsika

Ausgerechnet ein westfälischer Baron wird 1736 zum König von Korsika gekrönt. Aber noch im selben Jahr verjagen ihn die Korsen wieder. Die Geschichte eines haltlosen Abenteuers

Baron Theodor von Neuhoff führte ein Leben, als wär’s ein Roman von Alexandre Dumas. Er war Offizier und Höfling, Alchemist, Kabbalist, Betrüger, Dieb, Spion, war Katholik und Protestant und Freimaurer zugleich, lebte im Schloss von Versailles, in einer Spelunke in Venedig und im Gefängnis von London, entkam 14 Attentaten, überlebte Kriege und eine Entführung, schrieb Memoiren, Briefe, Denkschriften – und wurde zum König von Korsika gewählt.

Theodor wird am 25. oder 27. August 1694 in Köln in alten westfälischen Adel geboren. Angeblich wird er zuerst protes­tan­tisch, später katholisch getauft, warum auch immer. Der Vater stirbt, als Theodor ein Jahr alt ist, der Großvater führt einen juristischen Streit gegen die Mutter, denn sie hat bürgerliche Vorfahren. Tatsächlich wird ihre Ehe mit dem Toten postum annulliert, Theodor für illegitim erklärt. Verwandte bringen ihn trotzdem als Pagen in Versailles unter.

Mit 17 sieht Neuhoff blendend aus, er ist ein guter Reiter, Schütze, Fechter, galanter Höfling, spricht Deutsch und Französisch als Muttersprachen, dazu Italienisch und Latein, hat den „Sonnen­könig“ Ludwig XIV. erlebt, genießt die Las­ter des Hofs: Liebesaffären und Glücksspiel. Immer jedoch bleibt er umweht vom Ruch der Illegitimität. Neuhoff ist ein Adeliger, der doch weiß, dass er niemals ganz zur Elite gehören wird, der womöglich nicht einmal dazugehören will – ein freier Geist in einer Epoche starrer Etikette und gottgegebener Traditionen.

Er zieht als Offizier los, kämpft in Süddeutschland zuerst für die französische Armee, später für die bayerische. Jahre später wird er einem anonym gebliebenen englischen Autor seine Memoiren diktieren und sich dort schon seiner „einzig­artigen Leidenschaft für die Politik“ rühmen. Allerdings verschweigt er im glei­­chen Text seine einzigartige Leidenschaft für Spielschulden. 

Er flieht vor seinen Geldgebern nach Paris, wo er im Streit beinahe seinen Schwager erschlägt, später wird er dort auch den Stiefvater bestehlen. Von nun an werden Klageschriften, Prozessakten und Fahndungsaufrufe der Polizei zu den wichtigsten Quellen werden, aus denen spätere Historiker sein Leben rekonstruieren. 

Neuhoff dient sich irgendwie der schwedischen Botschaft an, wird Agent für Stockholm im Kampf gegen das Zarenreich, bringt vertrauliche Briefe nach England, Deutschland, in die Niederlande, nimmt falsche Namen an, macht weitere Schulden, wird in England Freimaurer, flieht aus dem Schuldgefängnis von Kehl am Rhein bis nach Spanien, kurz: Selbst einem Alexandre Dumas wäre schwindelig geworden.

In Spanien heiratet er eine irische katholische Adelige, verlässt sie bald, nimmt aber ihre Juwelen mit. Als „Baron Étienne Romberg“ ist er nun spanischer Geheimagent in Rom – wo er den aus Marokko stammenden Mönch, Arzt und Alchemisten Hamet kennenlernt, der ihn fortan begleiten wird. Neuhoff zieht durch deutsche Lande, verführt in Wien eine 23-jährige Nonne, die ihm einige Jahre folgt. Mal ist er in Berlin, mal in Baden-Baden, dann in Antwerpen, Den Haag, Schweden. Er gibt sich als Alchemist und Astrologe aus, betrügt, stiehlt, fälscht, bis er von Neuem verschwinden muss. 

1733 verschlägt es Neuhoff – mit Bruder Hamet, aber inzwischen ohne die entlaufene Nonne – nach Genua. Die goldenen Jahre der Republik sind vorüber. Zwar regiert noch immer ein Doge zusammen mit den Oligarchen Genua, doch die einstige Seemacht kontrolliert nur noch eine wichtige Besitzung: Korsika.

Die Insel mit ihren etwa 120 000 Einwohnern ist von alters her ein Königreich, aber schon lange ist der Doge von Genua zugleich König von Korsika. Seine Soldaten bemannen die Festungen an der Küste, seine Galeeren kontrollieren das Meer rund um das Eiland. Die Korsen sind mit drückenden Steuern belegt, müssen ihre Waren, vor allem Olivenöl und Wein, zum halben Marktpreis an Genua verkaufen, dürfen in ihrem eigenen Land nicht einmal jagen, fischen, Salz gewinnen. Seit vier Jahren rebellieren die Korsen gegen dieses Joch und kontrollieren das gebirgige Innere der Insel, nicht jedoch Bastia, Ajaccio und überhaupt irgendeinen Hafen.

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mare No. 152

mare No. 152Juni / Juli 2022

Von Cay Rademacher

Autor Cay Rademacher, geboren 1965, lebt zwar in der Provence, also nah bei Korsika, doch hatte er nie zuvor von Neuhoff gehört. Für alle, die es genauer wissen wollen, empfiehlt er Julia Gaspers „Theodore von Neuhoff, King of Corsica“, Newark, 2013.

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Vita Autor Cay Rademacher, geboren 1965, lebt zwar in der Provence, also nah bei Korsika, doch hatte er nie zuvor von Neuhoff gehört. Für alle, die es genauer wissen wollen, empfiehlt er Julia Gaspers „Theodore von Neuhoff, King of Corsica“, Newark, 2013.
Person Von Cay Rademacher
Vita Autor Cay Rademacher, geboren 1965, lebt zwar in der Provence, also nah bei Korsika, doch hatte er nie zuvor von Neuhoff gehört. Für alle, die es genauer wissen wollen, empfiehlt er Julia Gaspers „Theodore von Neuhoff, King of Corsica“, Newark, 2013.
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