Anfang der 1970er-Jahre, eine Sassnitzer Kinderkrippe hatte zum Betriebsfest aufgetischt. Dar-
unter ein Vorspeisencocktail aus Thunmakrele, Zwiebeln, Gürkchen und Pfirsich, obenauf geröstete Mandeln. Und natürlich Cocktailsoße mit Mayo. Ein Meisterstück der Krippenköchin, von der Runde hochgelobt. Nur Frau O. schien von der exotischen Kreation enttäuscht. „Der Kartoffelsalat schmeckt mir nicht.“
Verantwortlich für die lukullische Irritation namens „Nixenkuss“ war Rudolf Kroboth. Er hatte derartige Rezepte vorgestellt, und zwar im DDR-Fernsehen. Dort war er zwölf Jahre lang der Fischkoch, von 1960 bis 1972 kam er jeden Dienstag kurz vor dem Sandmännchen mit seinen „Blinklichtern des Appetits“ in die Wohnzimmer. Stets ganz in Weiß mit Jacke, Halstuch und turmhoher Kochmütze. Sein knapp fünfminütiger „Tip des Fischkochs“ brachte vor allem den Hering in immer neue Zusammenhänge; aber auch exotisches Meeresgetier, darunter Degenfische oder Langusten. Eben alles, was die Fischereiflotte der Republik anlandete.
Und das war zu jener Zeit eine ganze Menge, noch gab es keine 200-Seemeilen-Zonen. Die Fangschiffe der DDR hievten ihre Netze auf fast allen Meeren, vor vielen Küsten. „Jedes Kilo Fisch spart Fleisch, das wir exportieren können“, postulierte Walter Ulbricht. Kein Wunder, dass der Fischkoch zu einer Art Leibkoch des Staatsratsvorsitzenden avancierte.
Bei hohen Besuchen stand Kroboth oft mit kalten und warmen Platten bereit. Ulbricht – „Wir haben’s doch“ – verteilte großzügig. „Einmal gab er auch an die ausländischen Journalisten, dabei waren die gar nicht dafür vorgesehen“, erinnert sich Kroboths Sohn Rainer. In einer Art Kommandoaktion füllte Kroboth mit seinem Team die Platten wieder auf. Dafür stand ihm ein umgebauter Škoda-Reisebus zur Verfügung, innen eine Küchenzeile samt Fritteuse, Kühlschrank, elektrischen Schneidgeräten und Hockerkocher. Für den Strom war draußen ein Hänger mit Dieselaggregat angekoppelt.
Im Haus des Ministerrats werkelten seine Mitarbeiter aber in einem Salon. Die Küche war samt der ganzen Etage gesperrt. „Das war wegen der westdeutschen Delegation unter Egon Bahr, die dort zum Grundlagenvertrag verhandelte“, erinnert sich Rainer Kroboth, der damals dabei war. „Zum Klo durften wir nur unter Bewachung. Und urplötzlich mussten wir die Arbeit einstellen – weil die Delegation kam –, die Messer fallen lassen und blitzartig das Haus verlassen.“ Wenigstens bekamen sie schon tags darauf ihre Utensilien zurück, „picobello geputzt“, so der Sohn.
Der 79-Jährige ist voller solcher Anekdoten über „Papa“. Jahrelang begleitete er ihn auf Messen, Festivals, Staatsbesuchen oder beim Schaukochen. Im Stahl- und Walzwerk Riesa etwa musste Kroboths Team mit den Mitstreitern der Werksküche rund 6000 Essen zubereiten, fünf verschiedene Fischgerichte, aber auch – darauf hatte der Gewerkschaftschef be-
standen – eines mit Fleisch, „damit keine revolutionäre Situation entsteht“. Als der Fischkoch krank war, durfte sein Sohn Rainer ihn über ein Jahr vor der Kamera vertreten. „Den sudetendeutschen Akzent schaffte ich nicht. Aber mein Lispeln hat man mir vor dem TV-Debüt abtrainiert.“
Kochen, immerhin, konnte er bereits, er hatte eine entsprechende Lehre absolviert – im Gegensatz zu seinem Vater. Unerhört: Der Mann, der als Fischkoch über 600-mal im Fernsehen auftrat, war gar keiner! Aus Böhmen hatte es den Feinkostkaufmann erst ins Schwäbische verschlagen, wo er einen Fischhandel aufzog, später ging er nach Rostock. Dort brachte er es zum Werbeleiter der VVB Hochseefischerei – und zum „Darsteller“. Als solcher wurde der TV-Fischkoch bezahlt, 320 Mark netto pro Sendung.
Als der DDR die Fanggründe zu teuer wurden und die Fangmengen zurückgingen, wurde die TV-Werbung obsolet. Zuvor musste Kroboth noch die berüchtigten Fischstäbchen samt Haut und Gräten anpreisen. Für den ungeliebten Weißfisch erfand er die „Suppe nach Art der Wolgafischer“. Doch es half nichts, am 29. Dezember 1972 gingen für den Fernsehfischkoch die Kameralichter aus.
Entmutigen ließ sich „Fischers Fritze“ (derart adressierte Post kam bei ihm in Rostock an) davon nicht. Kroboth fand ein neues Betätigungsfeld: Er widmete sich ausschließlich der von ihm gegründeten Fischgaststättenkette „Gastmahl des Meeres“. Doch das ist eine andere Geschichte (mare No. 78).
Ungarisches Fischgulasch
Zutaten (für vier Personen)
600 g Fischfilet (etwa von Rotbarsch, Dorsch, Seelachs, Makrele), 40 g Speck, 400 g geschnittene Zwiebeln, 100 g Tomatenmark, 20 g edelsüßer Paprika, 500 ml Fischfond, Prisen von Salz, Chili, Pfeffer, Knoblauchsalz, Glutal (Glutamat).
Zubereitung
Die Speckwürfel in heißem Öl bräunen, die Zwiebeln darin goldgelb anschwitzen, Tomatenmark, Paprika und Fond dazugeben, aufkochen und bei kleiner Flamme zehn Minuten köcheln. Da hinein die gewürfelten Fischfilets geben, garziehen lassen und mit Gewürzprisen abschmecken. Als Beilagen eignen sich Reis oder Kartoffeln und Salat.
Maik Brandenburg, Jahrgang 1962, ist freier Autor auf Rügen.
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Person | Von Maik Brandenburg |
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