Stefano Mariani wird bei seiner Forschung künftig auf ein recht unspektakuläres Material setzen: Baumwolle. Denn Baumwolle hat eine Eigenschaft, die er bestens gebrauchen kann: Sie ist saugstark. Mariani will damit poröse Kunststoffbälle füllen, die er Fischern und Tauchern mit auf den Weg gibt. „Die Fischer können die Bälle an ihre Netze hängen und die Taucher an ihre Westen“, sagt der Meeresbiologe an der englischen Liverpool John Moores University, um damit, wie er es nennt, „eine der coolsten Sachen einzufangen, die es zurzeit in der Meeresbiologie gibt“. Er meint damit die Umwelt-DNA, international bekannt als eDNA.
Die Meere sind voller Fragmente aus dem Erbgut ihrer Bewohner. DNA gelangt mit dem Kot von Fischen ins Wasser oder mit dem Schleim, der die Haut von Tintenfischen überzieht. Sie wird frei, wenn Algen sterben und ihre Hüllen zerfallen oder wenn Kadaver von Robben und Walen am Meeresboden verrotten. Umwelt-DNA ist überall. Lange jedoch interessierte sich kaum jemand dafür.
Die Umwelt-DNA hat sich erst in den vergangenen zehn Jahren zu einem größeren Forschungsthema entwickelt, weil die Maschinen für die Erbgutanalyse erschwinglich geworden sind. Damit können sich mehr und mehr Meeresforschungslabore die Technik leisten. Heute
gilt die Umwelt-DNA als eines der vielversprechendsten Werkzeuge der Meeresbiologie. Denn so, wie Erbgutspuren Verbrecher verraten, lässt sich aus der Umwelt-DNA ablesen, wer sich unter Wasser tummelt.
Bislang nutzen Wissenschaftler Netze, Sedimentproben oder Unterwasserkameras, um die Vielfalt der Lebewesen in den Ozeanen zu ergründen. Jetzt genügt eine Wasserprobe mit DNA, um das Arteninventar eines Meeresgebiets zu entschlüsseln. Allerdings enthält das Meerwasser oft nur sehr geringe Mengen DNA. Ein Tintenfisch zum Beispiel, der schnell vorüberschwimmt, hinterlässt kaum Erbgutspuren. Deshalb verwendet Forscher Mariani die porösen Kugeln mit Baumwolle. Beim Fischfang oder beim Tauchen wird die Baumwolle permanent von Wasser durchströmt, die DNA-Fragmente bleiben darin hängen. „So können wir ganz ohne teure Pumpen- und Filtertechnik größere Mengen Umwelt-DNA aus dem Meer fischen“, sagt Mariani.
Auch in Deutschland arbeiten inzwischen viele Wissenschaftler mit Umwelt-DNA. „Sie ist interessant, weil wir sie vielseitig nutzen können“, sagt Katja Metfies, Molekularökologin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. „Finden wir im Wasser Spuren vieler Tierarten, kann das zum Beispiel ein Maß für gute Wasserqualität sein. Wir können auch anhand von DNA sehr früh Krankheitserreger in Küstennähe aufspüren.“ Im Projekt „PrimePrevention“ arbeitet sie gemeinsam mit anderen Instituten daran, Vibrionen zu detektieren, das sind Bakterien, die in warmem Salzwasser besonders gut gedeihen. Sie verursachen Erbrechen, Durchfall und Hautreizungen.
„Mit dem Klimawandel wird das Wasser in Nord- und Ostsee wärmer, und damit steigt die Gefahr von Vibrioneninfektionen“, sagt Metfies. „Wir wollen jetzt ein vollautomatisches Gerät entwickeln, das selbstständig Wasserproben nimmt und diese auf DNA-Spuren von Vibrionen testet.“ Künftig könnten damit Fischkutter ausgestattet werden, die regelmäßig die Küstengewässer durchfahren. Auch Kurverwaltungen könnten so die Wasserqualität vor Ort überwachen. Anhand der DNA ließen sich noch viele andere Krankheitserreger nachweisen, sagt Metfies, etwa solche, die Zuchtfische befallen. Die Messgeräte würden dann die Betreiber der Aquakulturanlagen rechtzeitig warnen, damit sie ihre Käfige versetzen.
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Tim Schröder, Jahrgang 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, geht gern im Wattenmeer spazieren und hat dort schon viele Arten entdeckt – ganz ohne eDNA, nur mit bloßem Auge.
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Vita | Tim Schröder, Jahrgang 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, geht gern im Wattenmeer spazieren und hat dort schon viele Arten entdeckt – ganz ohne eDNA, nur mit bloßem Auge. |
Person | Von Tim Schröder |
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Vita | Tim Schröder, Jahrgang 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, geht gern im Wattenmeer spazieren und hat dort schon viele Arten entdeckt – ganz ohne eDNA, nur mit bloßem Auge. |
Person | Von Tim Schröder |