Das Trumm im Oval Office

An keinem Schreibtisch der Welt wurden und werden folgen­reichere Entscheidungen getroffen als an dem im Oval Office im Weißen Haus in Washington. Anders als mancher seiner Benutzer ist er aus einem ganz ­besonderen Holz geschnitzt

Die neuen Bewohner des Weißen Hauses sind jung, kultiviert, attraktiv. Sie sind der frische Wind, den die Mehrheit der Amerikaner sich von Präsident John F. Kennedy und seiner klugen, schönen Frau Jacqueline, genannt Jackie, erhofft haben. Sie schneiden alte Zöpfe ab und schaffen eine zwanglose, komfortable Atmosphäre. Es darf geraucht werden, Cocktails werden serviert, zeitgenössische Kunst zieht ins Weiße Haus ein. Der geistigen folgt im ersten Amtsjahr auch die materielle Renovierung des Weißen Hauses. Mrs. Kennedy macht sich Gedanken, wie das Oval Office ihres Mannes zu rekultivieren sei.

Auf ihrer Suche nach geeignetem Interieur stößt sie im Keller des Westflügels auf einen Schreibtisch, der von verstaubten Planen bedeckt ist, schwer und stattlich, weit mehr als ein Sekretär, der größte im Weißen Haus. Kennedys Vorgänger Johnson hat ihn dorthin verbannt. Die Fronten sind handgeschnitzt, sie zeigen filigrane Schriftrollen und eine variierte Version des Präsidentensiegels. Mrs. Kennedy liest die Plakette auf der Vorderseite:  „H.M.S. ,Resolute‘, Teil der Expedition, 1852 auf der Suche nach Sir John Franklin entsandt, wurde am 15. Mai 1854 auf 74° 41' N, 101° 22' W aufgegeben. Sie wurde im September 1855 bei 67° N von Kapitän Buddington des Walfängers der Vereinigten Staaten ,George Henry‘ entdeckt und geborgen. Das Schiff wurde gekauft, gerüstet und als Geschenk des Präsidenten und des Volkes der Vereinigten Staaten an Ihre Majestät Königin Victoria als Zeichen der Freundschaft nach England geschickt. Dieser Tisch wurde aus ihren Hölzern gefertigt und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika von der Königin von Großbritannien und Irland als Erinnerung an die ritterliche und liebevolle Freundlichkeit überreicht.“

Damit hat Jackie Kennedy gefunden, wonach sie suchte: ein würdiges Möbel mit Symbolkraft, Eigenart und Charakter. Der „Resolute Desk“ geht, ohne Widerrede ihres Gatten zu dulden, ins Oval Office.

Die Franklin-Tragödie: Die Suche nach Überlebenden der gescheiterten Expedition von 1845 beschäftigte damals die halbe Welt. Der britische Polarforscher John Franklin wollte mit den Schiffen „Erebus“ und „Terror“ erstmals die Nordwestpassage im Arktischen Meer erkunden, aber alle Beteiligten starben im Eis (das marebuch „Erebus“ von Michael Palin widmet sich diesen Ereignissen). Expeditionskorps suchten nach den Entdeckungsfahrern, scheiterten aber selbst – auch der britische Vizeadmiral Horatio Thomas Austin, der mit der „Resolute“ im Packeis festlief und das Schiff aufgab. Erst James Buddington, Kapitän des US-Walfängers „George Henry“, fand 1855 die „Resolute“, befreite sie aus dem Eis und brachte sie nach Connecticut. Hier kaufte der US-Kongress im Jahr darauf das Schiff, ließ es überholen und als Geschenk nach London segeln. 

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mare No. 141

mare No. 141August / September 2020

Von Karl Spurzem

Karl Spurzem, Jahrgang 1959, mare-Redakteur, findet den Schreibtisch mäßig schön, würde aber gern daran Probe sitzen und der Wirkung des Möbels nachspüren.

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Vita Karl Spurzem, Jahrgang 1959, mare-Redakteur, findet den Schreibtisch mäßig schön, würde aber gern daran Probe sitzen und der Wirkung des Möbels nachspüren.
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