Das Rauschen im Hintergrund

Wohl kein zweiter Lyriker hat sich so sehr dem Meer verschrieben wie Matthew Sweeney. Sein deutscher Übersetzer und Weggefährte, selbst ein Dichter, über einen der bedeutendsten Dichter Irlands

Es kann kaum überraschen, eine Vielzahl von Gedichten über das Meer und die Meeresküste im Werk eines Dichters zu finden, der auf einer Insel geboren wurde, genauer: auf einer Insel noch jenseits einer Insel, in Irland nämlich, wo das wahrscheinlich freundlichste Volk auf Erden zu finden ist und von wo aus, sticht man im Westen in See, vielleicht noch Island, dann aber erst Amerika den nächstgelegenen Hafen bietet.

Einer der vielen Heiligen dieses Landes, St. Brendan, soll denn auch im sechsten Jahrhundert in seinem mit Leinwand bespannten und geteerten Curragh bis hin in die Neue Welt gelangt sein, womit eine schöne Geschichte verbunden ist: Irgendwann während der Reise, so heißt es, kommt Brendan plötzlich der heilige Patrick entgegen. Was er denn hier mache, so Brendan, man sei hier immerhin mitten auf dem Atlantik. Worauf Patrick entgegnet, aber nein, sie befänden sich auf einer Wiese im County Kildare. Wirklich, sie sprächen mitten auf dem Atlantik miteinander, beharrt Brendan, der ins Wasser langt und einen Fisch herauszieht; worauf Patrick sich hinabbeugt, eine Blume pflückt und antwortet, nein, es handele sich ganz eindeutig um eine Wiese im County Kildare.

Viel weiter nördlich als Kildare, im äußersten Nordwesten Irlands, in Donegal also, wurde der Dichter Matthew Sweeney geboren, und zum Kummer all jener, denen außergewöhnliche und eigenwillige Dichtkunst ebenso am Herzen liegt wie jene seltenen Menschen, die Großmut, Humor, unbändige Fantasie sowie eine Vorliebe für Irrwitz und Gaumenfreuden in sich vereinen, liegt Matthew Sweeney hier auch begraben, denn er starb im August 2018 viel zu jung – auch wenn er im Alter von 65 kein Jüngling mehr war, sondern ein weit gereister, seit Jahrzehnten etablierter Lyriker.

Das Meer ist keineswegs Sweeneys einziges Thema: Man trifft auf Zwerge, Geisterköche und untote Schlachter, die einmal noch zurückkehren, um das Messer zu schwingen, trifft auf Alchemisten, Schlafwandler und Selbstmörder; man erlebt Pokerrunden am offenen Sarg, als Geschenk verpackte und verschickte Giftschlangen, begegnet Albinopfauen, Vogelscheuchen und kranken Kühen, streift durch rätselhafte Tunnel, hört von der Geschichte der Glasbläserei, von Nächten in mexikanischen Hotels und den Vögeln am Berliner Chamissoplatz, wo Sweeney eine Weile gelebt hat; es geht um Froschdressur, Blauschimmelkäse und Kakteen, um Ufos und blaue Schuhe, um ein gläsernes Schachspiel, Schnapsbrenner mit Hakenhand und die Wurstproduktion des Großvaters.

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mare No. 145

mare No. 145April / Mai 2021

Von Jan Wagner und Matthew Sweeney

Matthew Sweeney (1952–2018) war einer der bedeutendsten Dichter Irlands. Er hat Gedichtbände und Kinderbücher veröffentlicht und zahlreiche Ehrungen erhalten.

Der Lyriker und Georg-Büchner-Preisträger Jan Wagner lernte Sweeney 2004 bei einer Lesung kennen. Er wurde sein Freund und Übersetzer, gemeinsam gingen sie auf Lesereisen. Für mare hat Jan Wagner sechs Werke ausgewählt, mehr davon finden sich in dem Band „Hund und Mond“, erschienen 2017 bei Hanser Berlin.

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Vita Matthew Sweeney (1952–2018) war einer der bedeutendsten Dichter Irlands. Er hat Gedichtbände und Kinderbücher veröffentlicht und zahlreiche Ehrungen erhalten.

Der Lyriker und Georg-Büchner-Preisträger Jan Wagner lernte Sweeney 2004 bei einer Lesung kennen. Er wurde sein Freund und Übersetzer, gemeinsam gingen sie auf Lesereisen. Für mare hat Jan Wagner sechs Werke ausgewählt, mehr davon finden sich in dem Band „Hund und Mond“, erschienen 2017 bei Hanser Berlin.
Person Von Jan Wagner und Matthew Sweeney
Vita Matthew Sweeney (1952–2018) war einer der bedeutendsten Dichter Irlands. Er hat Gedichtbände und Kinderbücher veröffentlicht und zahlreiche Ehrungen erhalten.

Der Lyriker und Georg-Büchner-Preisträger Jan Wagner lernte Sweeney 2004 bei einer Lesung kennen. Er wurde sein Freund und Übersetzer, gemeinsam gingen sie auf Lesereisen. Für mare hat Jan Wagner sechs Werke ausgewählt, mehr davon finden sich in dem Band „Hund und Mond“, erschienen 2017 bei Hanser Berlin.
Person Von Jan Wagner und Matthew Sweeney