Das Penismuseum von Reykjavík

Islands Wal- und Robbenarten komplett

Sein erstes Sammlerstück war ein Bullenpenis. Ein Bauer aus der 5300 Einwohner zählenden Stadt Akranes schenkte ihm das Teil zum Geburtstag. „In dieser Zeit war ich dort noch Schulleiter“, sagt der 57jährige Sigurdur Hjartarson und trommelt vergnügt mit den Fingern auf die Tischkante. Akranes, eine Fährstunde von der isländischen Hauptstadt Reykjavík entfernt, besitzt neben einer Zementfabrik, die aus einer nahe liegenden Muschelbank Beton für den Häuserbau herstellt, auch einen der größten Fischereihäfen des Landes. Seinerzeit gab es dort noch eine Walfangstation mit vier Schiffen, die hauptsächlich nach Finn-, Sei- und Pottwalen jagten.

„Einige meiner Lehrer arbeiteten den Sommer über in der Walfangfabrik und brachten von dort einige Walpenisse mit, den einzigen Teil des Tieres, der nicht verwertet wurde.“ Normalerweise ruht der Muskel schlingenförmig im Körper des Tieres. Nur bei Erregung oder völliger Erschlaffung im Tod tritt er teilweise heraus. Sigurdur höhlte die Teile aus, trocknete sie flach ausgerollt und präparierte sie mit Salz: „Eine langwierige und aufwendige Prozedur, die oft Wochen dauert.“ Anschließend brachte er die Objekte in Form und montierte sie, mit Namen versehen, auf schildförmige Unterlagen, die an der Wand befestigt werden können.

Die Walstation wurde 1989 im Zuge des internationalen Fangverbotes geschlossen. Doch da hatte Sigurdur schon den Plan gefaßt, eine komplette Sammlung der Penisse aller isländischen Säugetiere zusammenzustellen. „Das sind vor allem Meeressäuger, die hiesigen Wal-, Seehund- und Robbenarten. Haustiere und Mäuse wurden ja mit den Menschen eingeführt.“ Das einzige auf Island ursprünglich heimische Landsäugetier war der Polarfuchs, der schon vor einigen tausend Jahren auf Eisschollen über das Meer von Grönland herübergetrieben wurde.

Der Spanisch- und Geschichtslehrer, der einige Jahre in Mexiko und Spanien lebte, ist nebenbei auch Vorsitzender der 1977 gegründeten „Gesellschaft der Freunde des Polarfuchses“. „Die Isländer waren hauptsächlich Farmer und hatten schon immer einen tiefeingesessenen Haß auf dieses Tier. Sie meinten, es gehöre nicht hierher, es solle ausgerottet werden.“ 60 Millionen Kronen werden jährlich zur Verfolgung des Polarfuchses ausgegeben. Reine Geldverschwendung, meint Sigurdur und tippt mit dem Zeigefinger auf die Stirn: „Der Fuchs verursacht Schäden in Höhe von einer halben bis zu einer Million Kronen. Das sind vielleicht zweihundert Schafe im Jahr, mehr nicht!“


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mare No. 11

No. 11Dezember / Januar 1998

Von Wolfgang Müller und Jürg Waldmeier

Íslenska Redasafn, Reykjavík, Laugavegur 24, geöffnet mo + do 15–18, sa + so 14–17 Uhr

Wolfgang Müller, geboren 1957, ist bildender Künstler und Schriftsteller in Berlin. Er war Mitglied der Aktionsgruppe Die tödliche Doris und gilt als Island-Experte. Soeben erschien: Blue tit. Das deutsch-isländische Blaumeisenbuch, M. Schmitz Verlag, Berlin 1998, 288 S., 56 Mark.

Jürg Waldmeier, geboren 1963, lebt als freier Fotograf in Zürich und arbeitet regelmäßig für mare. In No. 10 erschienen seine Bilder der Schiffsmotorenfabrik New Sulzer Diesel

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