Das Leben an langer Leine

In den 1970ern genossen an den Stränden von Rhodos junge schöne Griechen ein fröhliches Treiben. Sie beglückten urlauben­de Mädchen aus den kühleren Regionen Europas mit Flirts und amourösen Aeinstigen Beaus von ihren wilden, arglosen Jugendzeiten

Wahrscheinlich gibt es niemanden auf der Welt, der mehr über Schwertfische weiß, als jener Mann, der hier am Heck des Schiffes steht wie sein eigenes Denkmal. Er hat seine Schenkel gegen die Reling gestemmt, die Augen leuchten hinter den müden Lidern, der Mund ist ein zahnloses Lachen. Langsam gleitet er mit seinem Schiff aus dem Hafen von Sambro. Vorbei an einem blanken Felsen, auf dem ein paar Seehunde liegen, dann kommt eine Kolonie Kormorane, und dahinter steht der älteste funktionierende Leuchtturm Amerikas. Den hat dieser Mann vor 50 Jahren noch mit Lebensmitteln beliefert. Heute pulsiert in ihm ein automatisches Licht. Danach ist nur noch Atlantik.

Für Harold Hanneberry beginnt hier das Glück. 98 Jahre ist er jetzt alt. An der Ostküste Kanadas ist er eine echte Institution. Mister Schwertfisch persönlich.

Keiner hat mit seiner Harpune mehr Fische erlegt. Immer noch hält er den Rekord von 202 harpunierten Schwertfischen hintereinander ohne Fehlwurf. Oder den von 40 erlegten Exemplaren an einem Tag. Oder den von 94 Jahren hintereinander, in denen er ohne Unterbrechung zum Fischen gefahren ist. Schon im Alter von vier Jahren hatte ihn sein Vater zum ersten Mal mitgenommen aufs Meer. Da war in Europa noch nicht einmal der Erste Weltkrieg vorüber.

Er war während der Hochzeit der Segelschiffe dabei, und er hat den Tiefpunkt der Prohibition erlebt, als die Fischer an der Ostküste alle auch Schmuggler waren. Er hat die Plünderei der Meere in den 1970er und 1980er Jahren mit ansehen müssen und das hilflose Rudern der Politiker. Und wie jeder andere hier an der Küste hat auch er Freunde und Verwandte ans Meer verloren. An keiner Person lässt sich der Stolz und das Drama der Schwertfischfischer an der nordamerikanischen Ostküste besser erklären. Selbst Hollywood wollte schon einen Spielfilm über ihn drehen.

 

 

Das ist jetzt ungefähr vier Jahre her. Damals tauchte ein Produzent bei Harold auf und bot ihm viel Geld für die Rechte an seiner Lebensgeschichte. Harold sagte Nein. „Was soll ich mit Geld? Ich brauche nichts. Ich will meine Ruhe haben. Und vielleicht noch 100 Jahre alt werden und mit meinem Enkel zum Fischen gehen.“

Der trägt denselben Namen wie er und sitzt jetzt vorne im Führerhaus auf dem Drehstuhl neben dem Steuerrad. Füße auf dem Pult. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ein Felsklotz von einem Mann. Mit der Frisur eines Marine und dem Nacken eines Stieres. Es ist der 6. August, heute hat er Geburtstag. 34 Jahre wird Harold Hanneberry der Jüngere alt. Und wie an jedem Geburtstag fahren Enkel und Großvater zusammen hinaus aufs Meer. Das machen sie so, seit der Großvater den Enkel am 13. Geburtstag seinen ersten Fisch harpunieren ließ. Nur ein einziges Mal war der Großvater seitdem zu krank, um aus eigener Kraft über die Reling zu klettern. Da hat ihn der Enkel an der Pier in einen Sessel gesetzt und mit dem Kran an Deck gekurbelt.

Dieses Jahr kam er wieder auf eigenen Beinen aufs Schiff. Es ist ein schnelles, stabiles Hummerboot, das dem Enkel gehört. 43 Fuß lang, 14 Fuß breit, mit einem 385-PS-Diesel, der das Schiff auf fast 20 Knoten beschleunigen könnte. Aber für die Jagd auf den Schwertfisch sind schon zehn Knoten zu schnell. Für die Fahrt aus dem Hafen wäre Vollgas erst recht zu gefährlich. Überall lauern Felsen unter Wasser, ohne dass eine Tonne ihre Lage markiert. Dutzende von Schiffen haben sich vor der Küste von Nova Scotia bereits den Rumpf aufgerissen. Die Gegend ist ein einziger Schiffsfriedhof. Trotzdem könnten die Hanneberrys auch mit verbundenen Augen durch die Fahrrinne steuern. Der Großvater ebenso wie der Enkel.

„Glaub es oder glaub es nicht“, sagt der Enkel jetzt, „aber mein Großvater kann eine Untiefe hören, bevor das Schiff aufläuft. Frag mich nicht, wie er das macht. Vielleicht weil dort mehr Sand im Wasser ist und der Propeller dann anders klingt. Oder weil sich der Schall unter Wasser anders ausbreitet, wenn es flacher wird. Ich hab keine Ahnung.“

Er braucht auch kein GPS, um zu wissen, wo er sich gerade befindet. Sein ganzes Leben lang hat er nur mit Kompass und Uhr navigiert. „Mein Großvater konnte tagelang durch den Sturm segeln“, erzählt der Enkel, „und trotzdem hat er die Fahrrinne zurück nach Sambro selbst bei dichtestem Nebel immer erwischt.“


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mare No. 99

No. 99August / September 2013

Von Christoph Scheuring und Andrew Testa

Christoph Scheuring, geboren 1957, lebt und arbeitet als freier Autor in Dithmarschen und Hamburg. Seit er mit acht Jahren seine erste Angel bekam, träumte er davon, Fischer zu werden. Das hat sich mit der Recherche zu dieser Reportage erledigt.

Nur unter einer Bedingung durfte Andrew Testa Jahrgang 1965, Fotograf in London, auf Charlies Boot mitfahren: Er musste in der Kombüse arbeiten. Seitdem weiß er, wie es ist, auf engstem Raum zu kochen, wenn Teller und Töpfe durch die Gegend fliegen.

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Vita Christoph Scheuring, geboren 1957, lebt und arbeitet als freier Autor in Dithmarschen und Hamburg. Seit er mit acht Jahren seine erste Angel bekam, träumte er davon, Fischer zu werden. Das hat sich mit der Recherche zu dieser Reportage erledigt.

Nur unter einer Bedingung durfte Andrew Testa Jahrgang 1965, Fotograf in London, auf Charlies Boot mitfahren: Er musste in der Kombüse arbeiten. Seitdem weiß er, wie es ist, auf engstem Raum zu kochen, wenn Teller und Töpfe durch die Gegend fliegen.
Person Von Christoph Scheuring und Andrew Testa
Vita Christoph Scheuring, geboren 1957, lebt und arbeitet als freier Autor in Dithmarschen und Hamburg. Seit er mit acht Jahren seine erste Angel bekam, träumte er davon, Fischer zu werden. Das hat sich mit der Recherche zu dieser Reportage erledigt.

Nur unter einer Bedingung durfte Andrew Testa Jahrgang 1965, Fotograf in London, auf Charlies Boot mitfahren: Er musste in der Kombüse arbeiten. Seitdem weiß er, wie es ist, auf engstem Raum zu kochen, wenn Teller und Töpfe durch die Gegend fliegen.
Person Von Christoph Scheuring und Andrew Testa