Danie macht Klarschiff

Unübersehbar am Strand von Swakopmund in Namibia steht ein merk­würdiges Restaurant, „The Tug“, „der Schlepper“ – ein Schiff, das aus der Wüste kam

Als die „Danie Hugo“ zer-brach, war das kein schlechter Tag für sie. Der Schlepper war Jahrzehnte in Betrieb gewesen, erst in der Tafelbucht bei Kapstadt, später im Hafen von Walvisbay, er hatte seine Aufgaben erfüllt. Auch der Rost, der auf den Bruch von 1984 folgte, war für sein weiteres Schicksal nicht hinderlich, im Gegenteil. Denn als Danie Holloway die verrottende „Danie Hugo“ sah, wusste er sofort: Die will ich haben.

Being dirty and tired sind zwei Zustände, die der blauäugige, zarte und ungemein schnelle Mann liebt. Schmutzig und müde sein, davon kann Holloway nicht genug kriegen. Und so passte der rostige Kahn ins Lebenskonzept dieses agilen Mannes, der in Simbabwe geboren wurde, als Kind mit den Eltern nach Südafrika zog, 1976 mit der Armee nach Namibia kam, später in europäischen Städten wohnte und dort merken musste, dass er ein Afrikaner ist, der fern von Afrika nicht leben will.

Die „Danie Hugo“ steht heute auf Stelzen in Swakopmund, den Atlantik zu ihren hölzernen Füßen. Aus dem Schiff ist ein Restaurant geworden. Nicht dass man auf den ersten Blick den Schlepper erkennen würde. Es ist ein merkwürdiges Gebilde, das an der Strandpromenade dieser west-afrikanischen Stadt thront. Frank Lloyd Wright, Hundertwasser und Gaudí, die Referenzen sind klar, Holloway sprudelt die Namen hervor. Und wer an Frank Gehry und sein Museum in Bilbao denkt, liegt nicht falsch. Dass Holloway sein Restaurant „The Tug“ entworfen hat, bevor Gehry Bilbao baute, das allerdings ist wirklich bemerkenswert.

Mauerwerk, Holzpfähle, der Rumpf des Schiffes, alles geht ineinander über und wächst eigenartig stimmig aus dem Sand. Der nahe Landesteg von 1902 stößt, seiner einstigen Funktion enthoben, ins Meer hinaus; denn keine Schiffe legen mehr an, keine Schutztruppler gehen von Bord, um Südwestafrika für das wilhelminische Deutschland zu sichern, kein Handelsverkehr mit Bremerhaven und Hamburg findet hier mehr statt. Stattdessen benutzen Angler und Spaziergänger die hölzerne Pier, die der Nebel umschlingt.

Der Westwind bläst einem in den Nacken, wenn man die Außentreppe des Fischrestaurants hochgeht; ein von Glaswänden ummantelter Holzraum empfängt die Gäste, wo Orlando, der Manager, steht und die Spezialität, Snoekfisch mit Bananen, serviert. Draußen springen die Delfine, drinnen zieren Bilder lokaler Künstler die Tische, die Bullaugen der „Danie Hugo“ weisen den Eingang zur Bar, an der Wand hängen Schwarz-Weiß-Fotos des Schiffes, wie es aussah, als es noch seiner ursprünglichen Tätigkeit nachkam.

Alle sind da, die Kellner in ihren schwarzen Anzügen, die ersten Besucher, nur Danie Holloway fehlt. Er ist selten hier, denn jetzt läuft der Laden ja, also kann er sich um anderes kümmern. Um sein Stelzenhotel etwa oder um die Lodge in den Bergen, um seinen Freund, den Löwenspezialisten, oder um seine Söhne, von denen der eine gerade den Flugschein gemacht hat und jetzt Flugsafaris organisiert. Und natürlich um seine Mutter, die mit 82 Jahren immer noch webt und zeichnet, eine kreative Dame englischer Abstammung, Afrikanerin der vierten Generation.

Als Holloway die „Daniel Hugo“ gekauft hatte, musste er sie mit einem Sattelschlepper durch die Wüste nach Swakopmund transportieren. Alle dachten, er sei wahnsinnig geworden. Doch als seine Freunde die Modelle sahen, die er im Maßstab 1:100 gebaut hatte, waren auch sie von dem Konzept überzeugt. Modernes, eigenwilliges Design in Swakopmund, warum nicht? Die Windhuker spotten immer, die Swakopmunder seien Ewig-gestrige, und wer die deutschen Bustouristen auf den Spuren der deutschen Kolonialisten durch die Stadt gehen sieht, zweifelt nicht an dieser Aussage.

Holloway interessieren solche Sentimentalitäten wenig, er entwirft und konstruiert Neues, und scheitert zwischendurch auch mal. Schiffe hat er gebaut, mehrere davon sind gestrandet. Vor ein paar Jahren war er mit einem deutschen Skipper zusammen sechs Monate auf See. Danach hat er wieder ein neues Projekt in die Welt gesetzt.

Namibia ist voll von solchen Leuten. Diplome und Ausbildungen hätten keinen großen Wert hier im Land, meint Holloway. Ideen brauche man, Energie, Leidenschaft. Wer das habe, könne viel erreichen in Namibia. Vor allem aber müsse man wissen, dass man nie sicher sein könne, was passiert. Politische Ungewissheit gehöre zu diesem Leben eben dazu. Wer Sicherheit braucht, soll nach Europa gehen. Wer Überraschung will, kann hierbleiben. Und alte Schlepper in Restaurants verwandeln. Zum Beispiel.

Snoek mit Bananen

(Für vier Personen)

4 Snoek-Fischfilets à 250 Gramm, 2 gestückelte Bananen, 2 gehackte Chilischoten, 3 gepresste Knoblauchzehen, 200 Gramm Zwiebeln, Saft und Zesten von 4 Orangen. Fischfilets jeweils auf Alufolie legen, mit den übrigen Zutaten bedecken, Folie verschließen, 5 Minuten grillen. Servieren.

The Tug Restaurant
Jetty Promenade, Swakopmund, Namibia; Telefon +264 (64) 402356; geöffnet täglich von 18 bis 22 Uhr, am Wochenende auch von 12 bis 15 Uhr.

mare No. 71

No. 71Dezember 2008 / Januar 2009

Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

Jörn Vanhöfen, 1961 im Ruhrgebiet geboren, studierte Fotografie an der Folkwangschule in Essen und absolvierte sein Diplom und Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war bis zum Jahre 2000 Mitglied von OSTKREUZ-Agentur der Fotografen, arbeitete für verschiedene Magazine wie mare, stern, Merian, DU und für die NZZ. Er veröffentlichte verschiedene Bücher wie Aftermath im Hatje Cantz Verlag, Südafrika im mareverlag und Herzwort mit Herta Müller im Reche Verlag. Er lebt in Berlin.

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Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

Jörn Vanhöfen, 1961 im Ruhrgebiet geboren, studierte Fotografie an der Folkwangschule in Essen und absolvierte sein Diplom und Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war bis zum Jahre 2000 Mitglied von OSTKREUZ-Agentur der Fotografen, arbeitete für verschiedene Magazine wie mare, stern, Merian, DU und für die NZZ. Er veröffentlichte verschiedene Bücher wie Aftermath im Hatje Cantz Verlag, Südafrika im mareverlag und Herzwort mit Herta Müller im Reche Verlag. Er lebt in Berlin.
Person Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen
Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

Jörn Vanhöfen, 1961 im Ruhrgebiet geboren, studierte Fotografie an der Folkwangschule in Essen und absolvierte sein Diplom und Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war bis zum Jahre 2000 Mitglied von OSTKREUZ-Agentur der Fotografen, arbeitete für verschiedene Magazine wie mare, stern, Merian, DU und für die NZZ. Er veröffentlichte verschiedene Bücher wie Aftermath im Hatje Cantz Verlag, Südafrika im mareverlag und Herzwort mit Herta Müller im Reche Verlag. Er lebt in Berlin.
Person Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen