Bunt wie das Leben

Ein Römer in Laboe: Der Maler Franco Costa ist der Liebling der Kunstfreunde an Schleswig-Holsteins Ostseeküste. Aber nicht nur seine Bilder ver­ehren sie; sie suchen vor allem die Nähe des Menschenfreunds

Wie er da sitzt am Küchentisch. Der Norwegerpulli bis an die Knie. Der knallrote Schal. Die Hochwasserhosen, die verschiedenfarbigen Socken. Die übergroße Kindersonnenbrille in Orange. Ein Kind, ein kleiner, schöner, alter Mann, ein großer Mensch. Im mittäglichen Quirl der Familienwohnung nahe Rom sucht er versunken in seinem Handy nach der Nummer eines Freundes, mit dem er den Gast, dem er aus seinem Leben erzählen soll, bekannt machen will. Beim Blättern im Telefonbuch, das mehr Adressen zu verzeichnen scheint als das des Weihnachtsmanns, kichert er immer wieder, dann wackelt der Schnauz, und die Namen geben den Einsatz für Geschichten, Anekdoten, Exkurse – Happen aus dem Potpourri eines zutatenreichen Lebens. Und immer wieder lächelt er einen an, so offen und arglos, mit so viel warmem Charme, dass man ihn in den Arm nehmen will und nicht aufhören, ihn zu herzen.

Franco Costa ist Philologe, Architekt, Designer, aber vor allem Maler. Als wäre das nicht schon viel. Aber noch mehr ist er ein Kosmopolit, einer, der den Namen verdient, nicht nur ein Weitgereister, einer, dem die Welt, nicht ihre Suiten, das Zuhause ist und alle ihre Bewohner seine Freunde. (Das sieht man besonders so in Laboe an der Kieler Förde, und das muss man später genauer erklären.)

Woher rührt die Menschenliebe? Woher das Charisma? Vielleicht von der Großzügigkeit, die er von zu Hause kannte und die das Teilen leicht machte. Vielleicht von der Selbstsicherheit und der Demut, die ihm die Ausbildung gab und die ihn feite gegen Ängste und Demütigung. Eine Kraft in ihm löst Wolken in seiner Umgebung auf wie die Sonne.

Der Spross einer Patrizierfamilie bekam die Konventionen seiner Kaste ebenso injiziert wie die Selbstverständlichkeit ihrer Spleens und Widersprüche. Und nicht zuletzt die Wärme einer italienischen Mamma. Aber bei aller Liebe erstaunt es, wie frei vom geringsten Vorurteil, von Zynismus, selbst von Ironie jemand sein kann nach 78 Jahren, wie heil. Dabei hat es genug Verluste gegeben in seinem Leben. Aber angefangen hat es wie ein Traum.

1934 kam er in Rom zur Welt, in materiellem wie ideellem und emotionalem Reichtum. Den hochbegabten Jesuitenschüler ließ man alles studieren, was er studieren musste, um seine Welt zu begreifen: Literatur in Genf (wo die Mutter in Rom noch so um den Sohn bangte, dass sie ihm sicherheitshalber eine Chauffeurlimousine vors Seminar stellte), Architektur in Zürich, Kunst in Paris.

Von hier zog es ihn immer wieder an die Côte d’Azur, wo er, über Verbindungen seiner kunstsammelnden Familie, Henri Matisse mehrere Mal in Nizza besuchte, wo er Picasso in Antibes kennenlernte und ihm tagelang über die Schulter schauen durfte und wo er schließlich seinen einflussreichsten Lehrer, wichtiger noch, seine tiefste Freundschaft traf, Nicolas de Staël. Der adlige russische Maler, von der Revolution in Sankt Petersburg durch die halbe Welt nach Frankreich gewirbelt, wurde, obwohl er älter war als der junge Franco, zum geistigen Bruder. Lange gemeinsame Ateliernächte ließen die zwei Herzen in Costas Brust schmerzhaft miteinander ringen: das für die Architektur und das für die Malerei. Die innige Freundschaft konnte de Staël die Selbstzweifel und Depressionen nicht nehmen; sein Selbstmord 1955 ließ Costa tief fallen. Erst später würde er spüren, wie der Geist des toten Freundes ihm die malerischen Geschicke lenkte.

Franco Costa floh vor seiner Schwermut nach Südamerika und begab sich in die breiten Arme seines berühmten Onkels. Lucio Costa machte ihn zum Assistenten bei seinem wichtigsten Projekt, das dem großen Architekten zum eigenen Denkmal wurde. Lucio Costa plante, gemeinsam mit Oscar Niemeyer, Brasília, die neue Hauptstadt des aufstrebenden Tropenlands. Auf dem unruhigen Kontinent kam Franco Costa mit den Ideen des Kommunismus in Berührung, also reiste er weiter, um Che Guevara zu treffen, nach Argentinien, wo er ein halbes Jahr blieb und sich mit Schauspielern umgab, mit Dichtern und schönen Frauen.

Le belle donne. Während er zurück in Rom damit liebäugelte, mit einer Theatercompagnie durch die USA zu tingeln, gebar ihm „Miss Cinema“ Mila Valvasseri 1961 Tochter Daniela. Costas Mutter, glücklich über die Heimkehr des Sohnes, richtete ihre Hochzeit in einem Hotel auf der Via Veneto aus und schenkte dem jungen Paar einen alten Rolls-Royce. Aber die Ehe hielt nicht. Zu jung waren sie, zu groß der Widerstreit ihrer Leidenschaften. Wieder zog es ihn hinaus. Es folgten rauschhafte Jahre, in denen er Erfolg feierte als Designer und er für Modeschöpfer wie Dior, Grès und Valentino Dessins entwarf, er zeichnete Federico Fellini die Kostüme für „Julia und die Geister“ (für die der Film eine Oscar-Nominierung erhielt), reiste durch Fernost und Äthiopien, um seine verlorene Liebe zur Malerei wiederzufinden, denn das war die Tiefe seines Lebens Ende der 1960er.

Er malte jetzt endlich wieder mehr, wurde künstlerischer Leiter mehrerer Theaterproduktionen, die ihn wieder um die Welt führten, aber er blieb merkwürdig beziehungslos, unstet, tief unglücklich in der Liebe. Mitte der 1970er dann ein neuer Versuch, zu Frieden zu kommen: Er heiratete die Schauspielerin Valentina und wurde zum zweiten Mal Vater einer Tochter: Eleonora. Valentina gab ihren Beruf auf für die amour fou, aber sie war schwierig, die Ehe war schwierig, Valentina mochte nicht ertragen, dass er so oft unterwegs war für seine Malerei. Wieder scheiterte die Ehe nur wenige Jahre später.

In diesen Jahren führten ihn alte Bekanntschaften häufiger nach Schweden, wo er sich seit Studententagen immer besonders wohlfühlte. Hier malte er außergewöhnlich produktiv in einem Stil, der nach und nach zu seinem wurde, vor allem Landschaften. Völlig unversehrt und klar sind sie, flächig und reinfarben, sie verherrlichen das Licht des Nordens, schichten sich zu freudestrahlenden Kompositionen, die idealisieren und den Geist heben, und sie vereinen mühelos die Unvereinbaren: Abstraktion und Gegenständlichkeit, als wollte Costa Schluss machen mit dem in jenen Jahren heftig geführten Streit zwischen den beiden Anschauungen – ganz wie sein früher Mentor-Freund de Staël.


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mare No. 93

No. 93August / September 2012

Von Karl Spurzem und Francesco Zizola

Karl Spurzem, stellvertretender mare-Chefredakteur, Jahrgang 1959, und der Fotograf Francesco Zizola, geboren 1961, aus Rom werden den Besuch bei Costa in Genzano lange in guter Erinnerung behalten. Joshoua Costas Kochkunst verschaffte ihnen unverhoffte kulinarische Freuden. Das Atelier im „Franco Costa Haus“ im Kiebitzredder 57 in Laboe steht jedem für Besuch offen. Gemälde und Grafik sind online erhältlich über www.franco-costa.de.

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Vita Karl Spurzem, stellvertretender mare-Chefredakteur, Jahrgang 1959, und der Fotograf Francesco Zizola, geboren 1961, aus Rom werden den Besuch bei Costa in Genzano lange in guter Erinnerung behalten. Joshoua Costas Kochkunst verschaffte ihnen unverhoffte kulinarische Freuden. Das Atelier im „Franco Costa Haus“ im Kiebitzredder 57 in Laboe steht jedem für Besuch offen. Gemälde und Grafik sind online erhältlich über www.franco-costa.de.
Person Von Karl Spurzem und Francesco Zizola
Vita Karl Spurzem, stellvertretender mare-Chefredakteur, Jahrgang 1959, und der Fotograf Francesco Zizola, geboren 1961, aus Rom werden den Besuch bei Costa in Genzano lange in guter Erinnerung behalten. Joshoua Costas Kochkunst verschaffte ihnen unverhoffte kulinarische Freuden. Das Atelier im „Franco Costa Haus“ im Kiebitzredder 57 in Laboe steht jedem für Besuch offen. Gemälde und Grafik sind online erhältlich über www.franco-costa.de.
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