Brendan the Navigator, so nennen die Iren den reisefreudigen Abt, der auf der Grünen Insel Kultstatus als Heiliger genießt, Schutzpatron der Seeleute und einer der zwölf Apostel Irlands ist. Ihm werden mehrere Klostergründungen zugeschrieben, darunter das Kloster in Clonfert im County Galway, dem er lange Zeit als Abt mehr als 3000 Mönchen vorsteht. In missionarischer Tätigkeit ist er seit jungen Jahren viel auf dem Meer unterwegs, segelt nach Schottland, Wales und in die Bretagne.
Das größte Abenteuer im Leben des Brendan von Clonfert (etwa 484–577) beginnt aber eines Abends im Jahr 565 mit dem Besuch des Abts Barrind, der gerade von einer Seereise zurückgekehrt ist und von einem wundersamen Land im Westen berichtet, in dem alle Bäume Früchte trügen, der Tag nicht ende und man keine Nahrung zu sich nehmen müsse. „Land der Verheißung der Heiligen“ nennt es der Freund. Brendan ist so fasziniert von der Schilderung, dass er auf der Stelle beschließt, die Seereise nachzutun. Er wählt 14 Mönche aus und bricht mit ihnen zur Halbinsel Dingle auf, wo sie in einer Bucht ein Currach bauen. Das traditionelle Lederboot der irischen Westküste, das bis heute hergestellt wird, besteht aus einem Holzgerippe, das mit Leder bespannt und geteert wird. Die Mönche befestigen einen Mast samt Segel in der Mitte des Currachs, beladen es mit Vorräten und stechen in See. Kaum haben sie die Küste Irlands hinter sich gelassen, geraten sie in einen Nebel und verlieren die Orientierung – der Beginn einer sieben Jahre währenden Irrfahrt, in der sie allerlei wunderliche Dinge erleben, auf sprechende Vögel, Seeungeheuer, Dämonen und mysteriöse Inseln stoßen, bis sie das verheißene Land Terra repromissionis sanctorum endlich finden. Fantasterei, Wirklichkeit oder von beidem etwas?
Die Legende von Brendans legendärer Seereise macht im Lauf der Jahrhunderte ihre Runde durch die Klöster Europas. Sie wird wieder und wieder nacherzählt, dabei mit keltischen Legenden und christlichen Vorstellungen verschmolzen, mit weiteren Abenteuern ausgeschmückt und schließlich auf Latein als „Navigatio Sancti Brendani“ (Die Seereise des heiligen Brendan) in 38 Kapiteln niedergeschrieben. Wann, wo und von wem, ist nicht bekannt. Historiker nehmen an, dass der Ursprung der Erzählung im neunten oder zehnten Jahrhundert liegt und es sich bei dem Verfasser um einen irischen Mönch handelt, da am Anfang des lateinischen Texts altirische Genitive verwendet werden. Im frühen zwöften Jahrhundert entstehen die ersten Übersetzungen der „Navigatio“ in andere Sprachen, und, wie im hochmittelalterlichen Literaturbetrieb üblich, wird auch hier das eine oder andere Geschehnis hinzugedichtet, um die Erzählung auszuschmücken. Mit diesem Prinzip der „Retextualisierung“ in der „Navigatio Sancti Brendani“ befasst sich Sebastian Holtzhauer 2019 in seiner Dissertation „Die Fahrt eines Heiligen durch Zeit und Raum“ an der Universität Osnabrück.
Kaum sind die Texte aus dem Lateinischen übersetzt, verbreitet sich die Kunde der abenteuerlichen Seefahrt des irischen Abts und seiner Mönche wie ein Lauffeuer. Die „Navigatio“ wird zu einem der meistgelesenen Volksbücher des Mittelalters und veranlasst Kartografen in ganz Europa dazu, das „verheißene Land“ in den folgenden Jahrhunderten als Sankt-Brendan-Insel auf ihren Karten zu verzeichnen. Wo genau das mystische Eiland liegen soll, weiß zwar keiner von ihnen, aber sie vermuten es irgendwo westlich von Nordafrika. Dort ist das Sehnsuchtsziel auf der ältesten noch vollständig erhaltenen Weltkarte, der „Mappa Mundi Hereford“ aus den 1290er-Jahren, als „Fortunate Insulae Sex Sunt Insulae Sct. Brandani“ (Die sechs Inseln der Gesegneten sind die Inseln des heiligen Brendan) verzeichnet. In der „Navigatio“ werden allerdings an keiner Stelle sechs Eilande als Inselgruppe erwähnt. Dennoch stechen Abenteuerlustige in See, um sich auf die Suche nach dem verheißenen Land zu machen. Fündig werden sie nicht. Für die Gelehrten des Mittelalters gilt die Existenz der Terra repromissionis sanctorum nichtsdestoweniger als geografisches Faktum. Der mallorquinische Kartograf Angelino Dulcert platziert das Eiland als „Insulle Sa Brandani siue puelan“ auf seiner Portolankarte 1339 an die Stelle der Inselgruppe Madeira, die ihren heutigen Namen erst nach der Entdeckung durch die Portugiesen im darauffolgenden Jahrhundert erhält.
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Cornelia Lohs, Jahrgang 1960, ist freie Journalistin und Reisebuchautorin in Heidelberg und Irlandfan. Als sie vor Jahren für eine Recherche zu Currachs irischen Bootsbauern zusah, wie das traditionelle irische Boot entsteht, erzählten ihr die Mitarbeiter die Geschichte vom heiligen Brendan, dem Seefahrer.
Das irische Künstlerpaar Eithne Ring, geboren 1965, und Liam Lavery, Jahrgang 1960, arbeitet sowohl in seinem Atelier in North Cork als auch in seinem Haus im Schatten der Shandon Bells. Dort fertigen sie Skulpturen und Wandpaneele, aber auch Linolschnitte wie diese Serie über Brendans Reise.
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Vita | Cornelia Lohs, Jahrgang 1960, ist freie Journalistin und Reisebuchautorin in Heidelberg und Irlandfan. Als sie vor Jahren für eine Recherche zu Currachs irischen Bootsbauern zusah, wie das traditionelle irische Boot entsteht, erzählten ihr die Mitarbeiter die Geschichte vom heiligen Brendan, dem Seefahrer. Das irische Künstlerpaar Eithne Ring, geboren 1965, und Liam Lavery, Jahrgang 1960, arbeitet sowohl in seinem Atelier in North Cork als auch in seinem Haus im Schatten der Shandon Bells. Dort fertigen sie Skulpturen und Wandpaneele, aber auch Linolschnitte wie diese Serie über Brendans Reise. |
Person | Von Cornelia Lohs, Eithne Ring und Liam Lavery |
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Vita | Cornelia Lohs, Jahrgang 1960, ist freie Journalistin und Reisebuchautorin in Heidelberg und Irlandfan. Als sie vor Jahren für eine Recherche zu Currachs irischen Bootsbauern zusah, wie das traditionelle irische Boot entsteht, erzählten ihr die Mitarbeiter die Geschichte vom heiligen Brendan, dem Seefahrer. Das irische Künstlerpaar Eithne Ring, geboren 1965, und Liam Lavery, Jahrgang 1960, arbeitet sowohl in seinem Atelier in North Cork als auch in seinem Haus im Schatten der Shandon Bells. Dort fertigen sie Skulpturen und Wandpaneele, aber auch Linolschnitte wie diese Serie über Brendans Reise. |
Person | Von Cornelia Lohs, Eithne Ring und Liam Lavery |