Blues im Blut

Die Frage, ob Fische hören können, gilt als beantwortet. Aber können­ sie auch Musik unterscheiden?

Können Fische hören? Dies wollte der Jazzmusiker Louis Katzman wissen. Im Juni 1926 gab er im New York Aquarium ein Blaskonzert – und alle Flossentiere wandten ihren Kopf zu ihm hin. Sie verharrten bewegungslos, den Blick auf ihn gerichtet, bis der letzte Ton verklungen war. Nach dieser Erfahrung war Katzman überzeugt: Fische lieben Musik.

Moderne Wissenschaftler überzeugt sein Experiment allerdings nicht. „Gut möglich, dass die Tiere die Bläserklänge gehört haben“, sagt der renommierte Verhaltensforscher Friedrich Ladich von der Universität Wien. „Es kann aber genauso gut sein, dass sie auf optische Reize reagiert haben und gar nicht auf die Töne.“ Ladich selbst erforscht das Fischgehör systematischer. Er leitet mittels Elektroden Gehirnströme vom Kopf der Fische ab. So überprüft er, ob sich die elektrische Aktivität im Hirn der Tiere verändert, wenn man ihnen über Lautsprecher Töne vorspielt. Sein Befund nach mehr als zehn Jahren Forschung: „Viele Fischarten hören in der Tat erstklassig.“ Und das ist auch gut so. Denn Fische sind nicht etwa stumm, sondern äußerst mitteilsam.

Bis zu 50 Prozent der 30 000 bekannten Fischarten kommunizieren auf akustischem Weg. Sie knurren, quaken, pfeifen, brummen, krächzen, grunzen oder fiepen. Manche knirschen mit den Zähnen, andere bringen den gasförmigen Inhalt ihrer Schwimmblase durch rhythmische Muskelkontraktionen ins Schwingen. Wieder andere zupfen an Sehnen ihrer Brustflossen wie an den Saiten eines Musikinstruments.

Die Hörorgane von Fischen sind, da sie keine Ohrmuscheln haben, von außen nicht zu sehen. Ihr Innenohr weist Ohrsteine, sogenannte Otolithen, auf, die anders als bei Landwirbeltieren wie dem Menschen nicht dem Gleichgewichtssinn, sondern dem Hören dienen. Denn während bei Landwirbeltieren Schalldruckschwankungen in der Luft Trommelfelle in Schwingungen versetzen, die dann über Mittelohrknöchelchen an die Innenohrflüssigkeit weitergeleitet werden, sind Fische mit einer Schwierigkeit konfrontiert: Die Dichte ihrer Körper unterscheidet sich kaum von derjenigen des sie umgebenden Wassers. Schall, der durchs Wasser geleitet wird und auf einen Fischkörper trifft, versetzt diesen daher genauso in Schwingung wie das Wasser selbst.

Daher benötigen Fische zur Wahrnehmung der Schallwellen eine träge Masse mit einer höheren Dichte als Wasser: eben jene Otolithen. Die Ohrsteine machen die Schwingungen nur verzögert mit, was die Haarsinneszellen, auf denen sie im Innenohr gebettet sind, stimuliert und zu einem Hörreiz führt. Zusätzlich nutzen manche Fischarten ihre Schwimmblase als Trommelfell. Karpfen und Welse etwa haben Gehörknöchelchen, die Schwingungen der Schwimmblasenwand zum Innenohr übertragen. Dadurch hören sie bei niedrigen Frequenzen ähnlich gut wie Menschen.

Bereits in der Antike fand der Universalgelehrte Aristoteles Hinweise darauf, dass Fische hören können. Der eigentliche Beweis aber geht auf den Nobelpreisträger Karl von Frisch zurück. 1923, nur drei Jahre vor Louis Katzmans Blaskonzert für Fische, dressierte der Münchner Zoologieprofessor Welse auf einen bestimmten Pfeifton. Immer wenn dieser erklang, wurden die Tiere gefüttert. Nach einer Weile genügte bereits der Pfeifton, und die Fische schwammen herbei, auch wenn es gar kein Futter gab.


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mare No. 126

No. 126Februar / März 2018

Von Till Hein

Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsautor in Berlin, hat als Jugendlicher Gitarre gelernt – mit mäßigem Erfolg. „Ihr habt ganz schön Mut“, sagten Zuhörer vor 20 Jahren nach dem einzigen Konzert seiner Band auf einem Gartenfest. Heute musiziert Hein lieber für die Fische auf seinem „wunderschönen Fischposter“.

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Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsautor in Berlin, hat als Jugendlicher Gitarre gelernt – mit mäßigem Erfolg. „Ihr habt ganz schön Mut“, sagten Zuhörer vor 20 Jahren nach dem einzigen Konzert seiner Band auf einem Gartenfest. Heute musiziert Hein lieber für die Fische auf seinem „wunderschönen Fischposter“.
Person Von Till Hein
Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsautor in Berlin, hat als Jugendlicher Gitarre gelernt – mit mäßigem Erfolg. „Ihr habt ganz schön Mut“, sagten Zuhörer vor 20 Jahren nach dem einzigen Konzert seiner Band auf einem Gartenfest. Heute musiziert Hein lieber für die Fische auf seinem „wunderschönen Fischposter“.
Person Von Till Hein