Blitze unter Wasser

Kaum war die Fotografie erfunden, experimentierten Tüftler schon mit wasserdichten Kameras und Blitzlicht. 1893 gelangen dem Franzosen Louis Boutan die ersten brauchbaren Bilder im Meer.

Der englische Jurist William Thompson (1822–1879) ist ein leidenschaftlicher Segler und Sammler mariner Objekte aller Art. Hinter seinem Haus in Weymouth, gelegen an der südlichsten Spitze der Grafschaft Dorset, richtet er sich in einigen Scheunen sogar ein eigenes Museum ein. Viele seiner Funde hält er mit einem frühen Fotoapparat fest. Als Aufnahmemedium dient ihm die 1851 von Frederick Scott Archer und Gustave Le Gray entwickelte Kollodiumnassplatte, die eine sofortige Entwicklung in einer Dunkelkammer verlangt.

Nach zahlreichen Aufnahmen an Land lässt er sich 1856 von einem Schreiner eine große wasserdichte, metallbeschlagene Holzkiste für seine Kamera bauen. Das Objektiv befindet sich hinter einer starken Glasplatte, der Verschluss lässt sich mithilfe einer Schnur fernbedienen. Von einem Ruderboot aus versenkt Thompson die Kiste, unter der sich ein schweres dreibeiniges Stativ befindet, und macht in etwa fünf Meter Tiefe die ersten Unterwasseraufnahmen der Geschichte.

Die Kiste erweist sich als undicht, das Meerwasser aber beeinträchtigt die Kollodiumplatten nicht. Thompson kann mit diesem Verfahren zwar keine Motive bewusst anvisieren, aber er kann beweisen, dass Unterwasserfotografie überhaupt möglich ist.

Dem französischen Biologen Louis Marie-Auguste Boutan (1859–1934) reicht das von Thompson entwickelte Verfahren nicht aus. Boutan arbeitet ab 1888 als Professor an der Université Lille, ehe er 1892 als Assistent von Professor Henri de Lacaze-Duthiers an die Sorbonne geht. Der renommierte Pariser Zoologe gründet gleich zwei, noch heute betriebene meeresbiologische Forschungsstationen, die Station Biologique de Roscoff an der Küste der Bretagne und das Laboratoire Arago de Banyuls-sur-Mer am Mittelmeer.

Mehrere Monate im Jahr verbringt Boutan in Banyuls. Sein besonderes Interesse gilt Mollusken, die er in Aquarien hält und in vielen Tauchgängen beobachtet. Zwar ist Boutan erfolgreich, doch ärgert er sich zusehends über die stark eingeschränkten Möglichkeiten, seine Beobachtungen zu dokumentieren.

Boutan schreibt 1893: „Die Fremdheit dieser unterseeischen Landschaften machte einen sehr großen Eindruck auf mich, und ich dachte, wie bedauerlich es ist, dass ich letztendlich nur eine ungenügende Beschreibung davon anfertigen kann. Ich hätte von meinen Exkursionen viel lieber ein anschaulicheres Souvenir mit zurückgebracht. Aber das war nicht möglich; selbst einem guten Taucher gelingen unter Wasser nur einfache, überblicksartige Zeichnungen.“

Als Boutan diese Zeilen schreibt, kennt er bereits die Lösung. Schon im Jahr zuvor hatte er nach einer Kamera gesucht und für diese von seinem Bruder Auguste ein entsprechendes Gehäuse entwerfen lassen. Die Kamera ist ein gängiges Modell, eine sogenannte Detektivkamera aus Holz, die mehrere Hersteller wie Steinheil, Goerz-Anschütz oder Josef Wanaus in verschiedenen Ausführungen zu dieser Zeit anbieten. Nicht nur bei Berufsfotografen ist diese Kamera beliebt, sondern auch bei Amateuren aus dem bürgerlichen Milieu.

Die Vorteile dieses beliebten Apparats sind die kompakte, robuste Bauweise, die einfache Bedienung sowie ein Magazin für bis zu zwölf Gelatinetrockenplatten. Wie bei Plattenkameras üblich, bestimmt man das Motiv mithilfe eines Suchers, der den Blick in direkter Linie durch das Objektiv beziehungsweise die Linse führt. Es gibt aber auch Detektivkameras mit einem externen Metallrahmensucher. Gegenüber den Kollodiumnassplatten haben sie den Vorteil, nicht umgehend nach der Aufnahme entwickelt werden zu müssen. Außerdem kann das Magazin von außen bedient werden; die Kamera braucht man für einen Plattenwechsel nicht zu öffnen.


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mare No. 117

No. 117August / September 2016

Von Bernd Flessner

Als gebürtiger Ostfriese und Enkel eines Physikers, der mit Fototechniken experimentierte, hat sich Autor Bernd Flessner, geboren 1967, schon selbst als Unterwasserfotograf versucht. Allerdings erfolglos.

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Vita Als gebürtiger Ostfriese und Enkel eines Physikers, der mit Fototechniken experimentierte, hat sich Autor Bernd Flessner, geboren 1967, schon selbst als Unterwasserfotograf versucht. Allerdings erfolglos.
Person Von Bernd Flessner
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