Tom Carliccio schwitzt. Kleine Perlen bilden sich auf der Stirn, sickern durch sein strahlend weißes Leinenhemd. Es ist ein durchschnittlich schöner Novembertag im Süden Floridas, 28 Grad, 70 Prozent Luftfeuchte, aber Carliccio ist es nicht gewohnt, in der prallen Sonne zu stehen und auf einen Bus zu warten. Vielleicht sehnt er sich nach New York zurück, wo er mit Immobilien sein Geld gemacht hat und zu dieser Zeit ein kühler Herbstwind durch die Häuserschluchten pfeift. Dort, wo Carliccio seit Kurzem wohnt, in Gulf Stream, Palm Beach County, Florida, rufen Anwohner die Polizei, wenn ein fremdes Auto die privaten Straßen befährt.
Carliccio schließt kurz die Augen, seine Lider flattern, wenn er spricht, die Worte kommen schleppend: „Ich fühle mich so deprimiert. Ich bin auf der Suche, aber ich weiß nicht, wonach. Vielleicht kann ich es hier finden.“ Er lässt die Schultern hängen, Carliccio wirkt, als könnte er sich demnächst einfach auflösen vor Langeweile. Seine Frau Carol hakt sich energisch bei ihm unter, als würde sie genau das befürchten, und zwitschert fröhlich: „Ich habe von Franks Seminar auf Facebook gelesen und dachte: Das ist doch einmal eine andere Art, seinen Samstag zu verbringen.“ Carol vertreibt sich sonst die Zeit mit Schmuckdesign.
„Frank McKinney’s ‚Aspire‘ Event. A Moving Conference“. 50 handverlesene Teilnehmer, 500 Dollar je Person, VIP-Level mit Zugabe am Lagerfeuer für 250 Dollar Aufschlag. Der Gegenwert: einen Tag lang lernen von einem der „innovativsten, erfolgreichsten, einzigartigsten und erleuchtetsten Menschen unserer Zeit“. So stand es in der Ankündigung.
Außerdem im Programm: die „Lassen-Sie-Ihre-Angst-im-Sarg-Übung“. Frank McKinney ist kein großer Mann, aber durchtrainiert, das Hemd mit den Glitzersteinen spannt über der Brust, die kräftigen Oberschenkel sitzen stramm in einer Stonewashed-Jeans, seine lange Haartracht changiert zwischen Orangerot und Burgunder. Das Gesicht mit den stechend grünen Augen ist ebenmäßig tief gebräunt, möglicherweise hat er für den besonderen Anlass ein wenig Make-up aufgelegt. Frank McKinney sieht aus wie ein Heavy-Metal-Star, der glaubt, dass seine besten Zeiten noch lange nicht vorbei sind. Frank McKinney aber ist: ein schwerreicher Geschäftsmann. Er selbst nennt sich: Real Estate Artist, Immobilienkünstler.
Er baut Häuser, schlüsselfertig bis zum mit Fischen bestückten Aquarium, und verkauft sie. Oceanfront. Direkt am Meer. Teuerstes Bauland in Palm Beach County, einer Gegend, die ohnehin zu den teuersten der ganzen USA gehört. Gründstücke, die an den Stränden des Atlantiks liegen, werden nicht in square feet, also nach Fläche, berechnet, sondern in front feet: Maßgeblich ist die Länge des Küstenabschnitts, an den das Land grenzt. 7500 Dollar kostete ein front foot in Delray Beach, als McKinney 1992 mit seinem ersten Strandpalast dort die erste Million machte; heute wird der front foot für 100 000 Dollar gehandelt.
Wer sich die Lage leisten kann, lebt raumgreifend. Das größte Haus, das McKinney je gebaut hat, hat eine Wohnfläche von 3000 Quadratmetern: neun Schlafzimmer, 18 Bäder, eine Garage für zwölf Autos. Verkauft hat er es seinerzeit für 50 Millionen Dollar. Etwa die Hälfte davon, so behauptet er, sei seine Marge. 42 Objekte mit Meerblick hat er in drei Dekaden realisiert.
Wenn er zu Präsentationen seiner Bauten lädt, verkleidet er sich als Pirat und fliegt an Drahtseilen über die millionenschweren Dächer, taucht als Untoter aus Trockennebel auf oder lässt sich Feuerwerkskörper an seine Finger montieren. Ortsansässige Makler in Konfektionsware, die sich zwischen Boca Raton und Palm Beach tummeln wie andernorts Würstchenverkäufer, sind sich einig: Einen wie McKinney gibt es kein zweites Mal.
McKinney hat seine Erfolgsformeln in Bücher geschrieben, die Titel tragen wie „Make it Big!“, er hält Vorträge und Workshops, seit einigen Jahren im Dienst eines höheren Auftrags. Gott habe ihm das Talent gegeben, sehr viel Geld zu verdienen mit seiner ultrareichen Klientel. Teil seiner Berufung sei es, den Armen zu helfen. Er finanziert gemeinsam mit anderen Wohltätern die Errichtung von Dörfern für Obdachlose in Haiti, baut Häuser, Schulen, Kirchen, Gemeindezentren, Brunnen, Sanitär- und Solaranlagen, kauft Ziegen und Hühner, damit sich die Angesiedelten hinfort selbst ernähren und finanzieren können. Die 50 Anhänger, Sinnsuchende oder Möchtegernmillionäre, die an diesem Novembertag in Frank McKinneys tropi- schem Garten an seinen Lippen hängen, können ihre Teilnahmegebühr als Spende absetzen.
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mare-Redakteurin Martina Wimmer und Fotograf Jan Windszus haben Florida kurz nach der Präsidentenwahl besucht. Sie hätten zu gerne auch Trumps „Mar-a-Lago“ besichtigt, doch der deutsche Manager Bernd Lembcke wimmelte sie lachend am Telefon ab. Als sie mit ihrem Wagen trotzdem das zufällig offene Tor zu Trumps Anwesen passierten, wurden sie von ernsten Männern mit dunklen Brillen verjagt.
Vita | mare-Redakteurin Martina Wimmer und Fotograf Jan Windszus haben Florida kurz nach der Präsidentenwahl besucht. Sie hätten zu gerne auch Trumps „Mar-a-Lago“ besichtigt, doch der deutsche Manager Bernd Lembcke wimmelte sie lachend am Telefon ab. Als sie mit ihrem Wagen trotzdem das zufällig offene Tor zu Trumps Anwesen passierten, wurden sie von ernsten Männern mit dunklen Brillen verjagt. |
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Person | Von Martina Wimmer und Jan Windszus |
Vita | mare-Redakteurin Martina Wimmer und Fotograf Jan Windszus haben Florida kurz nach der Präsidentenwahl besucht. Sie hätten zu gerne auch Trumps „Mar-a-Lago“ besichtigt, doch der deutsche Manager Bernd Lembcke wimmelte sie lachend am Telefon ab. Als sie mit ihrem Wagen trotzdem das zufällig offene Tor zu Trumps Anwesen passierten, wurden sie von ernsten Männern mit dunklen Brillen verjagt. |
Person | Von Martina Wimmer und Jan Windszus |