Antwort vom Meeresgrund

Ahnungslos war der Seemann, wie es hinter dem Meeresspiegel aussah – bis Alexander Behm das Echolot erfand

Der Kieler Hinterhof [in der Holtenauer Straße] gilt als Geburtsstätte eines nautischen Geräts, das sich heute auf jeder Schiffsbrücke findet: das Echolot. Es misst mit Schall die Wassertiefe und hilft der Besatzung beim Navigieren durch untiefes Gewässer. Erfunden hatte es - ursprünglich als Frühwarnung gegen Eisberge - der Kieler Physiker Alexander Behm.

Die Technik ersetzte das gewöhnliche Handlot, das eine deutlich längere Geschichte vorweisen kann. Schon Grafitti in altägyptischen Grabkammern zeigen Männer, die Gewichte an Schnüren zu Wasser lassen. In unseren Breiten zeugt ein tausend Jahre alter, birnenförmiger Stein von seemännischem Sachverstand, gefunden wurde er im Wikingerhafen von Haithabu. ... Ein raffinierteres Modell nutzten die Hanseaten. Ihr Bleilot, entdeckt im Wrack einer Kogge aus dem 13. Jahrhundert, besitzt am Fuß eine viereckige Aussparung. „Die wurde mit Talg gefüllt, um Material vom Seegrund zu bekommen", sagt Gerd Hoffmann-Wieck, Geologe am Forschungszentrum IFM-Geomar in Kiel.

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Lotmaschinen auf. Beim Sinken wickelte sich das Gewicht von einer wuchtigen Rolle ab. Danach hievte es eine Dampfmaschine zurück an Bord. Zunächst hielten Hanfseile das Lot, doch sie wurden von der Strömung leicht abgetrieben. „Also versuchte man es mit Klaviersaitendraht", erzählt IFM-Geomar-Geologe Gerhard Haass, „der war selbst über Tausende von Metern hinreichend stabil." Als Gewicht dienten Kanonenkugeln mit angelöteten Röhrchen, die eine Probe aus dem Sediment herausstachen.

Trotz Maschinenhilfe geriet jede Messung zu einer langwierigen Prozedur. Geschlagene zwei Stunden brauchte es, um ein Lot 4000 Meter abzusenken und wieder zu heben. Nicht zuletzt deshalb verzeichneten die Seekarten des beginnenden 20. Jahrhunderts gerade 6000 Lotungen über den gesamten Weltozean.

Doch nicht die Mühsal der Seevermesser, sondern die berüchtigste Schiffskatastrophe aller Zeiten sollte Alexander Behm dazu bewegen, sich eine überlegene Methode einfallen zu lassen. Als der Physiker vom Untergang der „Titanic" am 15. April 1912 hörte, formte sich in seinem Kopf ein kühner Plan: Künstlich erzeugte Schallwellen könnten dem Schiff unter Wasser vorauseilen und vom Eisberg reflektiert werden. Ein Unterwassermikrofon sollte das Echo aufnehmen, und aus der Laufzeit würde sich der Abstand zum Hindernis errechnen lassen. Bereits im September skizzierte Behm seine Methode der „Wassertiefenermittlung mit Schallwellen" für eine Patentschrift.

Schnell wurde klar, dass das Verfahren doch nicht zur Eisbergortung taugen sollte. Das Echo der weißen Riesen war schlicht zu schwach, um es mit der damaligen Technik aufschnappen zu können. Dafür aber eignete sich die Methode zur bequemen Lotung, also Tiefenmessung. Der Fabrikant Hermann Anschütz, Erfinder des Kreiselkompasses, war begeistert, als er von der Sache hörte, und bot Behm ein Labor in seiner Kieler Fabrik. Nach acht Jahren Tüftelei war das Echolot serienreif.


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mare No. 46

No. 46Oktober / November 2004

Von Frank Grotelüschen

Der Physiker Frank Grotelüschen, Jahrgang 1962, arbeitet als freier Wissenschaftsautor in Hamburg.

Die Ausstellung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) „Das Echolot - die Tiefe hören. 4000 Jahre Tiefenmessung im Ozean" ist vom 1. November bis 14. Januar 2005 in der Wischhofstraße 1-3 auf dem Kieler Ostufer zu sehen.

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Vita Der Physiker Frank Grotelüschen, Jahrgang 1962, arbeitet als freier Wissenschaftsautor in Hamburg.

Die Ausstellung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) „Das Echolot - die Tiefe hören. 4000 Jahre Tiefenmessung im Ozean" ist vom 1. November bis 14. Januar 2005 in der Wischhofstraße 1-3 auf dem Kieler Ostufer zu sehen.
Person Von Frank Grotelüschen
Vita Der Physiker Frank Grotelüschen, Jahrgang 1962, arbeitet als freier Wissenschaftsautor in Hamburg.

Die Ausstellung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) „Das Echolot - die Tiefe hören. 4000 Jahre Tiefenmessung im Ozean" ist vom 1. November bis 14. Januar 2005 in der Wischhofstraße 1-3 auf dem Kieler Ostufer zu sehen.
Person Von Frank Grotelüschen