Als die Boote fliegen lernten

Die China-Clipper-Flugboote begründeten in den 1930ern mit Linienflügen von San Francisco nach Manila eine Legende der Verkehrsfliegerei

Es musste der breiteste Ozean der Welt sein. Und dann noch an seiner breitesten Stelle. Fast 14 000 Kilometer sind es über die Weiten des Pazifiks von San Francisco via Hawaii, entlang des Wendekreises des Krebses bis nach Manila und Hongkong. Die Reise dauerte 1935 mit dem Schiff sechs Wochen. Auf dem Luftweg, mit einem Flugboot, so der Plan, würden sechs Tage genügen.

Dabei war die vorgesehene Strecke nicht der direkte Weg. Die kürzeste Flugroute von Amerika nach Asien führt über die Arktis. Bereits 1931 hatte Flugunternehmer Juan Trippe den seit seinem transatlantischen Alleinflug weltberühmten Piloten Charles Lindbergh auf eine Erkundungstour nach Norden geschickt. Ergebnis: zu viel Eis für eine ganzjährig nutzbare Flugbootroute in den Fernen Osten.

Eigentlich wäre es viel einfacher gewesen, den interkontinentalen Flugverkehr erst einmal mit der Alten Welt zu beginnen; der Atlantik ist nur etwa ein Drittel so breit wie der Pazifik. Aber der Luftweg nach Europa war für Trippe verschlossen. Die Engländer verweigerten dem Chef der US-Fluggesellschaft Pan American Airways, kurz Pan Am, die nötigen Landerechte in Kanada, wo damals die britische Krone herrschte. Also stürzte sich Trippe auf die Eroberung des Pazifiks für den kommerziellen Luftverkehr.

Schon als Kind war Trippe besessen von der Luftfahrt. Seine Bewunderung galt vor allem dem US-Flugpionier Wilbur Wright, der 1909 dreimal die Freiheitsstatue in seinem fragilen Flugzeug umrundete. Trippe studierte in Yale und galt als Visionär und tougher Geschäftsmann, den so leicht nichts von seinen Plänen abbringen konnte. Im Oktober 1927 hatte er mit einem Luftpostflug von Key West nach Havanna in einem geliehenen Wasserflugzeug Pan Am Airways (PAA) gegründet.

Und auch acht Jahre später, nachdem Pan Am in der Karibik und in Südamerika Fuß gefasst hatte, galt: Ohne die staatlich subventionierte Postbeförderung gab es keine Grundlage für interkontinentale Flugdienste. Außerdem waren Postflüge eine perfekte Gelegenheit, Erfahrungen auf neuen Routen zu sammeln, bevor Passagierflüge beginnen konnten.

Trippe setzte auf volles Risiko. Bevor er überhaupt den Zuschlag von der amerikanischen Post erhielt, bereitete er den Luftsprung über den Pazifik mit Flugbooten vor. Am 21. Oktober 1935 bekam Pan Am dann tatsächlich als einziger Bewerber die Zusage für die Durchführung von Postflügen über dem Pazifik – zur höchstmöglichen Rate von zwei Dollar je mit Briefen geflogener Meile.

Drei Jahrzehnte nach den ersten Hüpfern der Wright-Brüder war die Fliegerei so weit, auch lange Distanzen über Wasser auf dem Luftweg zurückzulegen. Um aber schwere transozeantaugliche Flugzeuge auf die Reise zu schicken, wären ausgedehnte, flache Betonpisten an Land für die Zwischenstopps notwendig gewesen. Die gab es bis Ende der 1930er Jahre nirgends. Drei Viertel des Planeten aber sind ohnehin flach und bestehen aus Wasser. Da lag es nahe, Boote zu konstruieren, die auch fliegen können, Flugboote eben, die auf dem Wasser landeten.

Sie beherrschten nur eine sehr kurze Phase der Transportgeschichte, vom Erstflug der riesigen deutschen Dornier Do X im Jahr 1929 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, als effizientere landgestützte Flugzeuge sie ersetzten. Nicht einmal zwei Jahrzehnte also. In dieser Zeit wurden die althergebrachten Rituale der Seefahrt mit den Methoden der in den Kinderschuhen steckenden Fliegerei vermählt.

Eigentlich sind die Ozeane für Flugzeuge tabu. Salzwasser frisst sich wie Säure ins dünnhäutige Metall. Treibgut, Eisberge, scharfkantige Felsen oder Korallen reißen Löcher in die Außenhaut. Von Stürmen aufgeschaukelte Wellen verwandeln selbst geschützte Lagunen und Naturhäfen in wogende Wasserlandschaften, Passagiere können meist nur in schwankenden Booten an Land gebracht werden. Weder Konzertflügel noch Flugzeuge gehören ins Wasser, wandten Kritiker ein. Flugboote seien nichts Halbes und nichts Ganzes.

Doch Juan Trippe hatte eine Schwäche für alles Nautische. Sein Traum war es, Pan Am zur luftgestützten amerikanischen Handelsmarine zu machen. Deshalb hießen seine Flugboote und später alle Pan-Am-Flugzeuge „Clipper“, benannt nach den Handelsseglern des 19. Jahrhunderts, deren schnittige Rümpfe und Schnelligkeit es Trippe besonders angetan hatten. Die Geschwindigkeit der Flugboote wurde in Knoten gemessen, und den Kapitänen jener viermotorigen ozeantauglichen Giganten verlieh Trippe einen besonderen, herausgehobenen Titel: „Master of Ocean Flying Boats“.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 93. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 93

No. 93August / September 2012

Von Andreas Spaeth

Der Hamburger Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth, Jahrgang 1966, träumte schon von einem Mitflug – in einer Boeing 314 mit Wasserlandung. Aber sein Wunsch wird unerfüllt bleiben, denn das legendäre Flugboot gibt es nicht mehr, nicht einmal im Museum.

Mehr Informationen
Vita Der Hamburger Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth, Jahrgang 1966, träumte schon von einem Mitflug – in einer Boeing 314 mit Wasserlandung. Aber sein Wunsch wird unerfüllt bleiben, denn das legendäre Flugboot gibt es nicht mehr, nicht einmal im Museum.
Person Von Andreas Spaeth
Vita Der Hamburger Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth, Jahrgang 1966, träumte schon von einem Mitflug – in einer Boeing 314 mit Wasserlandung. Aber sein Wunsch wird unerfüllt bleiben, denn das legendäre Flugboot gibt es nicht mehr, nicht einmal im Museum.
Person Von Andreas Spaeth