Dschingis Khan kam auf Pferden, die stärker waren als andere. Sie strotzten vor Gesundheit, ihr Fell glänzte. So sehr, dass sich jeder, geblendet von seinen Reitertruppen, dem Mongolenkönig unterwarf. Wenn man der Legende glaubt, verhalfen die leuchtend orangen Beeren eines stacheligen Strauchs Dschingis Khan zu seinen Siegen: die des Sanddorns. Tibetische Mönche, die den Eroberer bei seinen Feldzügen begleiteten, sollen das an Vitaminen, Mineralstoffen und ungesättigten Fettsäuren reiche Öl der Sanddornbeeren Ross und Reiter verabreicht, auch Wunden damit geheilt haben.
Aber jetzt ist der Sanddorn selbst krank, besonders in Deutschland. Plantagen in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt melden seit 2015 immer häufiger, dass Blätter, Äste und Früchte vertrocknen, ganze Sträucher binnen eines Monats absterben. An der Küste von Ostholstein bis Hiddensee sieht man Sanddorn mit dunkel verfärbter Rinde, welken Blättern oder grauen, kahlen Ästen. Von 52 Wildbeständen, die man in Mecklenburg-Vorpommern untersucht hat, sind 21 bereits tot und 29 geschädigt. Ähnliche Probleme melden Finnland, Rumänien, Russland, China und die Mongolei.
Seit Jahrhunderten wird der Strauch von den Menschen geschätzt, auf deren Böden er gedeiht – von China bis zu den Küsten der Nord- und Ostsee. Als Pionierpflanze kommt der Sanddorn mit kargen Böden an der Küste und in den Bergen zurecht. Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12 000 Jahren gehörte er zu den ersten Gewächsen bei uns, die sich auf den kahlen Schotterböden ansiedelten, die die Gletscher zurückließen. Aus den Bergen stammt dieser stachelige Strauch auch ursprünglich, obwohl die meisten ihn bei uns mit dem Meer verbinden: Forscher vermuten, dass Vögel vor 5,3 bis 2,6 Millionen Jahren Sanddornsamen von dem Qinghai-Tibet-Plateau in die Welt hinaustrugen.
Jetzt sind Wissenschaftler auf der ganzen Welt dabei, nach den Ursachen zu fahnden, warum der Sanddorn krank ist. Mal ist es ein Pilz, der die Pflanzen schwächt, mal fällt die Sanddornfruchtfliege über die Beeren her. Das etwa fünf Millimeter kleine Insekt mit Flügeln im Zebramuster legt seine Eier in den Früchten ab und sorgt damit auf den Plantagen in Russland, aber auch in den baltischen Ländern für erhebliche Ernteeinbußen. Für das Gros des Sanddornsterbens in Deutschland aber ist wahrscheinlich eine Kombination an Übeln verantwortlich: Vermutlich ein oder mehrere holzzerstörende Pilze treffen auf durch Dürresommer und zu nasse Winter geschwächte Pflanzen. Welcher Schädling es im Einzelnen ist, weiß man in Laboren und auf den Feldern noch nicht. Was er anrichtet, aber schon: „Er verstopft die inneren Leitungsbahnen, in denen die Nährstoffe für die Pflanze transportiert werden“, erzählt der Agraringenieur Frank Späthe von dem Unternehmen Sanddorn Storchennest im mecklenburgischen Ludwigslust. „Innerhalb von drei bis vier Wochen sind uns ganze Sträucher abgestorben, 2022 fast die gesamte Fläche. Insgesamt haben wir 100 von rund 120 Hektar gerodet.“ Die Hälfte hat Späthe nachgepflanzt, den anderen Teil durch Walnussbäume ersetzt.
Andere Landwirte haben nach Verlusten, die Jahr für Jahr höher wurden, ganz umgestellt. Benedikt Schneebecke etwa, dessen Hof bei Rostock zu den größten im Norden gehört, pflanzt dort, wo einst 70 Hektar Sanddorn wuchsen, jetzt Tannenbäume, Gemüse und Getreide an.
Dabei war Sanddorn an der Ostseeküste vor Kurzem noch so präsent wie kaum eine andere Pflanze. Auf Hiddensee etwa, dessen Sanddornwald im Norden der Schriftsteller Hanns Cibulka 1971 in seinem Tagebuch „Sanddornzeit“ als silbernen Urwald rühmt, mit „riesenhaften Sträuchern mit dem Umfang einer alten Lindenkrone, drei bis vier Meter hoch. Von hoher Leuchtkraft sind bereits die Beeren […] Alles war still, reglos, nur der Wind kam vom Meer her die Küste entlang, fing sich im Laub der Bäume. Das Schilf begann zu singen, wehmütig, dann fiel der Sanddorn ein mit seiner hellen Stimme.“ Jetzt sind fast alle Sanddornsträucher auf Hiddensee totes, graues Gestrüpp. Irmgard Blindow beobachtet das seit Jahren. Sie leitet die Biologische Station auf Hiddensee, mehr als 20 Jahre lebt sie schon hier. „Damals gab es hier noch überall Sanddorn. Heute sind es nur noch vereinzelte Sträucher. Es ist wirklich schlimm“, erzählt sie.
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Silvia Tyburski, Jahrgang 1976, begann auf einer Reise in der Normandie, sich für die Geschichten hinter dem Sanddorn zu interessieren. Eine Bewohnerin von Ouistreham erzählte ihr, die deutschen Besatzer hätten im Zweiten Weltkrieg die Dorfkinder damit beauftragt, Sanddornbeeren für sie zu pflücken.
Elena Heatherwick, geboren 1987, ist eine freiberufliche Fotografin aus London, die sich auf Porträt- und Dokumentarfotografie spezialisiert hat. Für die Fotos in mare reiste sie an die Ostküste Schottlands, wo sie eine Frau begleitete, die seit 13 Jahren wilden Sanddorn erntet und verarbeitet.
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Vita | Silvia Tyburski, Jahrgang 1976, begann auf einer Reise in der Normandie, sich für die Geschichten hinter dem Sanddorn zu interessieren. Eine Bewohnerin von Ouistreham erzählte ihr, die deutschen Besatzer hätten im Zweiten Weltkrieg die Dorfkinder damit beauftragt, Sanddornbeeren für sie zu pflücken. Elena Heatherwick, geboren 1987, ist eine freiberufliche Fotografin aus London, die sich auf Porträt- und Dokumentarfotografie spezialisiert hat. Für die Fotos in mare reiste sie an die Ostküste Schottlands, wo sie eine Frau begleitete, die seit 13 Jahren wilden Sanddorn erntet und verarbeitet. |
Person | Von Silvia Tyburski und Elena Heatherwick |
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Vita | Silvia Tyburski, Jahrgang 1976, begann auf einer Reise in der Normandie, sich für die Geschichten hinter dem Sanddorn zu interessieren. Eine Bewohnerin von Ouistreham erzählte ihr, die deutschen Besatzer hätten im Zweiten Weltkrieg die Dorfkinder damit beauftragt, Sanddornbeeren für sie zu pflücken. Elena Heatherwick, geboren 1987, ist eine freiberufliche Fotografin aus London, die sich auf Porträt- und Dokumentarfotografie spezialisiert hat. Für die Fotos in mare reiste sie an die Ostküste Schottlands, wo sie eine Frau begleitete, die seit 13 Jahren wilden Sanddorn erntet und verarbeitet. |
Person | Von Silvia Tyburski und Elena Heatherwick |