Abfallstrudel mit Plaste

Das Meer schluckt schon immer unseren Müll. Doch seit er aus Plastik besteht, vergeht der Unrat nicht mehr. Im Pazifik hat sich ein Müllteppich von der Größe Westeuropas gebildet

Der Pfad öffnet sich SANFT abfallend zu dem einsamen Strand, der so gar nicht in das Bild vom Surferidyll passt. Müll und Dreck, so weit das Auge reicht: Fischernetze, Fischerbojen, Fischfallen, Golfbälle, Feuerzeuge, Plastikflaschen, Zahnbürsten, Bauarbeiterhelme, Plastikdosen, Bierkisten, Kanister, Blumentöpfe, Schilder, Plastikgabeln, Plastiklöffel, Elektrosicherungen, Eimer, Styroporboxen, Regenschirmgriffe, Kabeltrommeln, Plastikteller, Plastikschnüre, Plastikdeckel, Einmalrasierer, CD-Hüllen, Spülbürsten. Ein Kühlschrank und ein Fernseher sind auch dabei.

Wir stehen am Kokoa Beach auf Oahu, der Hauptinsel Hawaiis, ungefähr 70 Kilometer nördlich von Honolulu. Paradiesische Ufer gibt es vielleicht auf der anderen Seite der Insel. Hier, an den luvwärtigen Stränden, türmt sich der Müll buchstäblich meterhoch. Wir sind zusammen 20 Leute, und wir schaffen es in vier Stunden nicht annähernd, einen 500 Meter langen Abschnitt des Strandes zu säubern.

Knapp nördlich von Oahu liegt die Südgrenze des Naturreservats der Nordwestlichen Hawaiischen Inseln. Im Sommer des vergangenen Jahres hat George W. Bush mit seiner Unterschrift dort das größte Meeresschutzgebiet der Welt geschaffen. Über 7000 Arten, darunter viele endemische Fische, wirbellose Organismen und empfindliche Korallenriffe, genießen jetzt in einem Gebiet von mehr als 220000 Quadratkilometern den Schutz des Gesetzes. Gegen die Müllflut schützen die Paragrafen allerdings nicht. Es grenzt ans Absurde, dass ein Besuch der Inseln nur noch unter strengsten Auflagen möglich ist, während gleichzeitig die Strände des Reservats Schicht um Schicht unter dem Unrat aus aller Welt ersticken.

Jeder von uns schnappt sich einen schwarzen Müllsack und „spezialisiert“ sich auf eine bestimmte Sorte Müll. Mary sammelt Zahnbürsten, Farah konzentriert sich auf Golfbälle, ich durchwühle die Abfallhaufen ausschließlich nach den kleinen Flaschenschraubverschlüssen. Trotzdem ha-be ich binnen einer Stunde einen ganzen Sack damit gefüllt.

Müll im Meer, das ist kein neues Phänomen. Wir kippen unseren Dreck schon seit Jahrtausenden einfach in die See. Solange diese stinkende Fracht von der Menge her überschaubar blieb und aus biologisch abbaubaren Substanzen bestand, war das zwar beklagenswert, doch sorgten Bakterien, Wellenschlag und UV-Licht für eine schnelle Eingliederung der Bestandteile in den endlosen Kreislauf des Lebens. Dies änderte sich schlagartig mit der Einführung langlebiger Plastikmaterialien – Flaschen, Tüten, Feuerzeuge und all die anderen Dinge, die sich aus den leicht formbaren Erdölprodukten herstellen lassen. Weltweit werden jährlich 125 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, ungezählte Millionen Tonnen davon landen schließlich als Müll im Meer.

Unglücklicherweise löst sich Plastik nach der „Entsorgung“ nicht einfach in seine Bestandteile auf. Die Kunststoffe zerfallen zwar in immer kleinere Teile, aber anders als Holz, Leder oder andere natürliche Materialien werden die meisten Kunststoffe nicht von Bakterien zerlegt. Manche der Plastikkomponenten sind derart widerstandsfähig, dass sie in 400 Jahren noch nicht restlos verschwunden sein werden – was nicht zuletzt auch daran liegt, dass die Zersetzungsprozesse in kühlem Meerwasser noch langsamer verlaufen als an der Luft. Zurzeit, das hat das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) unlängst gemeldet, treiben bis zu 18000 Plastikteile auf jedem Quadratkilometer Ozean.

Der komplette Nachmittag verstreicht während unserer Aufräumarbeiten. Ich ertappe mich bei dem Gedanken: Was soll das hier eigentlich? Ist unsere Schufterei nicht völlig aussichtslos? In ein paar Stunden ist hier ohnehin wieder alles verdreckt. Alle sind vom Schaufeln, Zerren und Bücken total geschafft. Seit einer halben Stunde hat keiner mehr ein Wort gesagt. Unsere Wut auf die menschliche Gedankenlosigkeit ist jetzt greifbar.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 60. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 60

No. 60Februar / März 2007

Von Thilo Maack und Alex Hofford

Thilo Maack arbeitet seit 1999 bei Greenpeace. Der in Emden aufgewachsene Meeresbiologe verbrachte einen Großteil seines Studiums mit dem Auswerten von Beifang auf dem schwankenden Deck eines Krabbenkutters.

Der in Cambridge geborene Fotograf Alex Hofford arbeitet regelmäßig für CNN, BBC, National Geographic. Er lebt seit 1996 in Hongkong.

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Vita Thilo Maack arbeitet seit 1999 bei Greenpeace. Der in Emden aufgewachsene Meeresbiologe verbrachte einen Großteil seines Studiums mit dem Auswerten von Beifang auf dem schwankenden Deck eines Krabbenkutters.

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