25°04' Süd, 130°06' West - Folge 47

ie Inselbevölkerung steht unter Schock, das Verfahren hatte schwere Turbulenzen in der kleinen „Hauptstadt“ Adamstown mit sich gebracht – wegen der Schwere der Vorwürfe, aber auch wegen der ungewissen Konsequenzen: Hat die Inselgemeinschaft noch eine Zukunft?

Die Strafen für Taten aus den letzten viereinhalb Jahrzehnten lauten im Einzelnen: für Steve Christian, Bürgermeister und quasi „Hausmeister“ der Insel, zwei Jahre Gefängnis wegen fünffacher Vergewaltigung; für seinen Sohn Randy sechs Jahre wegen vierfacher teils gemeinschaftlicher Vergewaltigung, für Terry Young wegen einer Vergewaltigung und fünffacher Nötigung fünf Jahre. Der 78-jährige Len Brown darf seine zwei Jahre wegen zweifacher Vergewaltigung im Hausarrest absitzen. Sein Sohn Dave muss wegen neunfacher sexueller Belästigung 400 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten und Dennis Christian, der Postmeister, der als Einziger geständig war, wegen eines Falles von Belästigung 300 Stunden. Steve und Randy Christian traten inzwischen von ihren öffentlichen Ämtern zurück.

Die Anklage stützte sich auf Zeugenaussagen von Frauen, die heute in Neuseeland leben. Per Videoschaltung waren sie von dort in den Gerichtssaal auf Pitcairn zugeschaltet und schilderten in bewegenden Worten, was ihnen – mitunter als jungen Mädchen – von Pitcairner Männern und Halbwüchsigen angetan worden ist. Eine Frau sagte, sie habe sich als Freiwild gefühlt. Seit Beginn war der Prozess begleitet von Diskussionen auf der Insel sowie in der angelsächsischen Öffentlichkeit, inwieweit auf Pitcairn „andere Sitten“ herrschten, was Sex mit Minderjährigen angeht. Doch im Lauf des Verfahrens wurde bald klar, dass die Frage des sexuellen Reifealters und anderer „polynesischer Traditionen“ nur einen Teil der Causa Pitcairn ausmachten – dass es eben auch um Vergewaltigungen ging auf einer Insel ohne Strafverfolger und ohne Richter.

Allerdings hatten sich Frauen der Insel stets gegen den Prozess ausgesprochen, auch weil ihre Aussagen unrechtmäßig verwendet worden seien. Eine aus England entsandte Polizistin habe sie aus unverbindlichen Zwiegesprächen zusammengeschrieben. Anfang Oktober hatten die Pitcairnerinnen eine Pressekonferenz gegeben, auf der Meralda Warren, die Inselpolizistin, gar meinte, es habe nie einen Fall von Vergewaltigung auf der Insel gegeben. Und Olive Christian, die Frau des Bürgermeisters, sagte, sexueller Verkehr unter Teilnahme minderjähriger Mädchen sei auf Pitcairn traditionell so üblich „wie das tägliche Essen“.


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mare No. 47

No. 47Dezember 2004 / Januar 2005

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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