25°04' Süd, 130°06' West - Folge 40

Für zwei Jahre war Pippa Foley aus Neuseeland nach Pitcairn "delegiert", als Lehrerin und damit gleichzeitig als Regierungsberaterin und Herausgeberin der Inselzeitung "Miscellany". Plagten sie gegen Ende ihrer Amtszeit schon Ängste wegen der bevorstehenden wochenlangen Schiffsreise auf einem Frachtschiff? Als sie jedenfalls kürzlich abends gegen halb zehn vor ihrer Lehrerwohnung oben auf der Steilküste stand, sah sie auf dem Meer ein riesiges Kreuzfahrtschiff. Alle Fensterreihen hell erleuchtet, näherte es sich der Bounty Bay. "Warum hat noch kein anderer auf der Insel das Schiff entdeckt?", fragte sie sich, "warum fahren wir eigentlich nicht längst hinaus zum Dampfer?" Alle haben wahrscheinlich gerade gegessen und sitzen nun vor irgendeinem Video, dachte sie und alarmierte den Bürgermeister. Der kam auch sofort, erkannte aber gleich: "Das ist doch nur der Vollmond, der über dem Horizont hinter ein paar Wolken auftaucht." Aus war es mit Pippa Foleys Hoffnungen auf eine luxuriöse Rückfahrt.

Justizskandal: Ein Richter, ein Staatsanwalt samt Assistentin weilten kürzlich für Ermittlungen und Verhöre ein paar Tage auf der Insel. Wie hier bereits mehrfach berichtet, geht es um den Verdacht sexueller Handlungen mit Minderjährigen, unter dem die Mehrheit der erwachsenen Männer der Insel steht. Die gesamte Inselbevölkerung, Alt und Jung, Männer und Frauen, stehen den Ermittlungen sehr skeptisch gegenüber, und nun fühlen sich alle auch noch übel verhöhnt. Auf der Rückfahrt nämlich wurde die Justizdelegation in äußerst frivoler Aufmachung an Deck fotografiert: der Staatsanwalt zum Beispiel mit freiem Oberkörper, großen Plastikbrüsten und roter Frauenperücke. Pech für sie, dass die Bilder in einer neuseeländischen Zeitung abgedruckt wurden. Ganz Pitcairn fordert nun den Rausschmiss der Juristen. Doch diese sagen: Alles war Teil eines Festes beim Kapitän, und da wäre es doch sehr unhöflich gewesen, sich herauszuhalten.

Die US Navy kam mit großer Mannschaft und schwerem Gerät. 20 Marines wollten endlich die genaue Kartierung des "Bounty"-Wracks vornehmen, das gleich vor der Insel in der Bounty Bay liegt, in etwa sechs bis acht Meter Tiefe. Was bei derartiger Gelegenheit immer gut ankommt: Der mitgereiste Militärarzt und -zahnarzt vollführte erst mal wieder einen Generalcheck aller Insulaner. Damit konnten sie sich allerdings auch gut revanchieren für empfangene Hilfe. Als die Soldaten, die natürlich mit Pressluftflaschen tauchen wollten, ihre Ladung an Land brachten, versank ein schweres Aggregat - in erheblich größere Tiefe als die "Bounty". Doch flugs waren mehrere Pitcairner unten und holten die Maschine mit bloßen Händen und bar jedes Atemgeräts wieder herauf. Es geht eben auch ohne, lernten die Amerikaner. Und alles funktionierte noch.

Sehnsüchtiges Warten auf die erste Geburt in Adamstown seit unzähligen Jahren: Nadine steht kurz vor der Entbindung, und sie vermutet sogar, dass es Zwillinge werden könnten. Sie hörte zwei Herzen schlagen. Alle heutigen Schulkinder Pitcairns wurden in Krankenhäusern außerhalb geboren, die meisten von ihnen in Neuseeland.

Der letzte "Fishing Report" von Miss Catfish. Gefangen wurden: vom Felsen 161, vom Boot 668, darunter 22 Tunfische und 31 Barrakudas. Haie: null. Nicht wenig für die Bevölkerung von 46. Aber erstens ist eigentlich ständig irgendein Besuch da. Und dann gibt's da noch die Tiefkühltruhe, und ab und zu kommt auch ein Frachter vorbei, dessen Besatzung nicht so viel Spaß am eigenen Fischfang hat.

mare No. 40

No. 40Oktober / November 2003

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Mehr Informationen
Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
Person Von Ulli Kulke
Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
Person Von Ulli Kulke