25°04' Süd, 130°06' West - Folge 10

12 Uhr mittags: Die Insel bebte bei der Explosion einer französischen Bombe in der britischen Kolonie. Diesmal war es keine Atombombe wie vor drei Jahren auf dem 800 Kilometer entfernten Atoll Mururoa, worüber die Pitcairner seinerzeit ja reichlich verstimmt waren. Die neuerliche Detonation dagegen sorgte für eitel Freude auf der Insel. Die französische Marine sprengte anlässlich eines Flottenbesuches einige Felsen aus der Zufahrt zur Anlegestelle, damit die Longboats der Insulaner einfacher raus- und reinfahren können. Nach getaner Arbeit besuchten die Soldaten hoch oben auf dem Berg die Christian’s Cave (die Höhle, in die sich Meutererboss Fletcher Christian oft zum Nachdenken über sein Leben zurückgezogen hatte). Abschließend gab’s, wie immer, noch ein Barbecue am Zentralplatz von Adamstown. David Brown, zehnjähriger Schüler, schrieb über die ganze Sache einen ausführlichen Bericht in der „Miscellany“.

Nicht immer liegt es an widrigen Felsen in der Hafeneinfahrt, wenn die Boote nicht flottkommen. Als neulich das entsprechende Signal durch das innerinsulare Telefonsystem kam: „Sofort für die Ausfahrt zum Fischen fertig machen!“, eilten die Pitcairner mit übergroßer Begeisterung zur „O’Leary“, dem einen der beiden Longboats. Gemeinsam hoben sie das schwere Gefährt hoch, ruckten, zerrten und schoben, doch es rührte sich nicht von der Stelle. Dabei hatte Pawl den Slip-Kanal eigens in Schuss gebracht. Der Frust stieg – bis Jay, der zur Sicherheit die ganze Zeit schon mal drinnen saß, nach fünf Minuten bemerkte, daß das Tau noch am Bootsschuppen festgemacht war. „Ob an dem Tag noch ein Fisch gefangen wurde, ist nicht bekannt“, bemerkte der Miscellany-Reporter, der vor Ort gewesen war, sarkastisch.

Der letzte monatliche Fishing-Report (diesmal nicht von Catfish, sondern von Jaws): Vom Felsen geangelt: 300, vom Boot: 101, Thunfisch: 22, Barrakuda: 0, Haie: 8. Übrigens: Nach gemeinsamen Fischzügen ist es in Pitcairn schon immer Usus, daß so viele Häufchen mit Fischen gebildet werden, wie Familien beteiligt waren. Anschließend werden die Häufchen verlost.

Die deutsche Familie (Hendrik und Nicola mit ihren Kindern Charlotte und Philipp), die nach Pitcairn gezogen ist, hat sich inzwischen eingelebt und einen begeisterten Artikel in der „Miscellany“ veröffentlicht. Ganz toll fanden sie die ständigen Geburtstagsparties, Barbecues, Feiern, Sportevents sowie die Geschwindigkeit, mit der die Pflanzen nach der Aussaat herausschießen („Bohnen nach vier Tagen, Getreide nach acht!!“). Weniger angenehm dagegen sei das, was für das schnelle Gedeihen verantwortlich ist, nämlich der ständige Tropenregen und dessen andere Folgen, der allesfressende Rost und der Modder auf den Wegen: „Du kennst ganz sicher keinen richtigen Matsch, wenn Du noch nie eine Straße in Pitcairn nach dem Regen gesehen hast!“

Bestangezogene Frau des Jahres ist Nola Warren (56). Jury war Debbie Baronian, Redakteurin der „Miscellany“. Dies war ihre letzte Amtshandlung, bevor sie nun mit ihrem Mann, dem Dorfschullehrer, nach Neuseeland zurückkehrt und einem neuen Redakteurin-Lehrer-Paar von dort Platz macht.

mare No. 10

No. 10Oktober / November 1998

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
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