Tja, Weihnachten. Klar, erinnert er sich. Frischling mit Maronen hat es da gegeben, in einen Sud aus Sandel- und Lorbeerholz eingelegt, mit Honig, Aprikose und Fenchel. Dazu Grünkernplätzchen. Kapitän Pfaff spricht, als könne er jeden einzelnen Geschmack des Festessens auf seine Zunge zurückzaubern. Ein Mann mit kulinarischem Gedächtnis.
Rüdiger Pfaff ist Vorstand der Schifferbruderschaft, einer Vereinigung von derzeit 52 Lübecker Kapitänen auf Großer Fahrt, die gemeinsam ein Restaurant besitzen. Nicht irgendeins, sondern mit 80 Mitarbeitern eines der zehn umsatzstärksten in Deutschland und gleichzeitig ein Haus, das schwer wiegt von Tradition und Erbschaft.
1865 hatte der Deutsche Zollverein die Privilegien der Zünfte und Bruderschaften gestrichen. Das Geld war knapp, auch das der Kapitäne. Da hatte einer von ihnen eine zukunftsweisende Idee und machte aus dem ehrwürdigen Versammlungshaus der Meerfahrer ein Restaurant. Heute gehört die Schiffergesellschaft zu Lübeck wie das Holstentor und das Rathaus. Das spätgotische ehemalige Amtshaus der Lübecker Schiffer steht der Jakobikirche gegenüber. An Haus und Einrichtung ist kaum ein Stück jünger als 200 Jahre, bis auf die hinteren Räume im Anbau.
Der Stammgast sitzt erhöht im Kapitänssaal und überblickt dabei die historische Halle mit ihren Eichenständern, den von der Decke hängenden alten Schiffsmodellen, den Laternen und den Gemälden. Er schaut auf die Bankreihen, die sogenannten Gelage, die bis heute ein Teil des insgesamt 364 Plätze zählenden Restaurants sind. Hier saßen einstmals die Seefahrer getrennt nach ihren Zielorten Riga oder Bergen.
In der Luft hängt der Duft der Speisen, des rauchigen Holzes, der brennenden Kerzen. Die Stimmen sind gedämpft, die Musik der Bestecke klingt herüber. Der Rotspon streichelt die Kehle. Gewiss sitzen unten, im sogenannten Beichtstuhl, die bärtigen Älterleute, wie einst an der Pfeife schmauchend, während sie die Berichte der Meerfahrer empfangen. „Allen zu gefallen ist unmöglich“ war ihr Wahlspruch, der noch immer draußen am Eingang prangt.
Die beiden Pächter der Schiffergesellschaft aber versuchen nach Kräften, diesen Spruch zu überlisten. Zu ihren Kunden gehören nämlich alle: die Lübecker, die Touristen, die Prominenten und die verwöhnten Zungen. „Die Lübecker nutzen ihre Schiffergesellschaft am meisten“, betont Wolfgang Steffen. Er kennt die Basis seines Geschäftes. Zusammen mit Gerhard Birnstingl hat er im letzten Jahr das Restaurant übernommen. Davor waren beide 23 Jahre lang hier angestellt.
Steffen könnte mit seiner Eloquenz und seinem norddeutschen Charme ohne weiteres als Pressechef eines Konzerns durchgehen. Dabei hat er das Fach von der Pike auf gelernt und lotst seine Leute durch Staatsempfänge genauso wie durchs Tagesgeschäft. Und durch die Jahrestage: Das Grünkohlessen im 1. Quartal, im Frühling das Essen des Nautischen Vereins, im Spätsommer das Schiffsmakleressen, zum Schluss das Weihnachtsessen der Schifferbrüder, das traditionell am 1. Sonnabend nach Nikolaus stattfindet.
Den Jahreszeiten folgt auch die Küche mit ihrer Parade von Grünkohl, Spargel und Maischolle – jenen Speisen aus alter Zeit, als nur gekocht wurde, was direkt aus der frischen Luft auf den Tisch kam. Die regionale Küche ist deftig: das Lübsche Labskaus, auch zum Mitnehmen in der Dose, die duftende „Frische Suppe“ mit Gemüse und Querrippe, eine Ostseescholle mit Kartoffel- und Gurkensalat. Mit seinem „Deichlammrückenfilet im Hamburger Stubenküken“ hat sich Wolfgang Steffen eine Goldmedaille auf der Internorga erkocht.
Aber er kann auch anders und was für alle kochen: Das günstige „Sechstalergericht“ ist derzeit eine Lachsterrine, die mit 18 Mark 50 zu den billigsten Hauptgerichten gehört. Seefahrer und ihre Seelenverwandten bekommen die Kapitänschüssel: drei verschiedene Steaks auf Gemüseragout mit Speckstreifen, frischen Champignons und Bratkartoffeln.
Im Jahre 2001 wird die Schifferbruderschaft 600 Jahre alt. Kapitän Pfaff denkt nicht nur über das Menü nach, das es aus diesem Anlass geben wird. „Die Hütte“, wie er die Schiffergesellschaft nennt, ist zwar in seinem und der übrigen Kapitäne Besitz, aber sie ist in gewisser Weise auch geliehen: wie aller weltlicher Besitz. Die Kapitäne wollen das Haus in einem guten Zustand an die nächste Generation weitergeben.
Dabei müssen sie an dem Alten festhalten und es in die neue Zeit einpassen. Das Nachbargrundstück ist schon gekauft, eine Internetseite entsteht. „Ein Feuer würde uns reich machen“, sagt Kapitän Pfaff, „aber auch den Sinn der Bruderschaft vernichten.“ Klar, dass er mit diesen Worten ein Schreckgespenst bannt. Denn ohne die Freude auf das nächste Weihnachtsmenü in seiner Schiffergesellschaft wäre der Kapitän arm.
Holsteiner Ochsenfilet in Nordseekrabben-Lachs-Hülle
Zutaten für vier Personen
800 g abgehangenes Ochsenfilet, 100 g Büsumer Krabben, 300 g Lachsfilet, 1 Bund Kerbel, Salz, Pfeffer, Zucker, 2 Eier, 1/8 l Sahne, Eiswürfel.
Zubereitung
Das Ochsenfilet in heißem Fett von allen Seiten kurz anbraten, damit die Fleischporen sich schließen. Das vorgekühlte Lachsfilet durch den Fleischwolf drehen, anschließend in einen Mixer geben und bei laufendem Messer Würfeleis (etwa 4 Stück), Salz, Pfeffer, 1 Prise Zucker, 2 ganze Eier und die Sahne dazugeben, bis sich eine kompakte, glänzende Masse ergibt. In einer Schüssel die Masse mit gehacktem frischem Kerbel vermengen. Nun diesen Lachsschaum fingerdick um das Ochsenfilet streichen. Die Büsumer Krabben auf die Lachsschaummasse streuen und leicht andrücken. Es ist ratsam, das Filet in eingeölte Alufolie einzuschlagen und im Ofen bei 160 Grad 30 bis 40 Minuten rosa zu braten. Als Beilage passen gut Frühlingsgemüse und ein Kartoffelauflauf.
Restaurant „Schiffergesellschaft“
Breite Straße 2, 23552 Lübeck, täglich ganzjährig geöffnet
Reservierungen: Tel. 0451/76776, Fax 0451/73279
Manfred Goldbeck, Jahrgang 1947, ist freier Journalist in Hamburg.
Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.
Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Lieferstatus | Lieferbar |
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Vita | Manfred Goldbeck, Jahrgang 1947, ist freier Journalist in Hamburg.
Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH. |
Person | Von Manfred Goldbeck und Stefan Pielow |
Lieferstatus | Lieferbar |
Vita | Manfred Goldbeck, Jahrgang 1947, ist freier Journalist in Hamburg.
Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH. |
Person | Von Manfred Goldbeck und Stefan Pielow |