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Warum baut man sich eine Megayacht von 138 Meter Länge zu einem Preis von Hunderten Millionen Euro? Der amerikanische Exzentriker und Milliardär Larry Ellison weiß Antworten auf solche Fragen

Die Yacht ist beeindruckend. Sie ist so lang wie ein Lastwagen. Sie bietet Platz für 50 Personen. Die beiden Motoren leisten jeweils 2450 PS. Mit 39 Knoten kann sie das Wasser durchpflügen. Die Yacht ist das Beiboot. Und im Moment macht sie keine zehn Knoten. Viel zu heftig wogen die Wellen des Mittelmeers, viel zu heftig pfeift der Wind entlang der Costa del Azahar bei Valencia. Das Ziel der Yacht ist unerreichbar und doch so nah: das Mutterschiff „Rising Sun“. Ein ums andere Mal scheitert die Crew mit dem Versuch, das Tenderboot an ihrer Seite zu vertäuen und den Passagieren das Übersetzen zu ermöglichen. Nach mehr als einer Stunde geben sie auf und steuern beide Schiffe in einen geschützten Seitenarm des Industriehafens von Valencia. Dort endlich gelingt der Transfer.

Die „Rising Sun“. Eine der größten Privatyachten der Welt. Eine der teuersten. Eine der elegantesten. Ihr Besitzer ist Larry Ellison, Gründer des Softwarehauses Oracle. Einer der erfolgreichsten Unternehmer der Wirtschaftsgeschichte. Einer der schillerndsten. Einer der umstrittensten.

Larry Ellison, geboren 1944, ist braun gebrannt, schlank, muskulös. Er sieht nicht aus wie ein Rentner. Er verhält sich auch nicht so.

„Larry Ellison, Sie gelten als Playboy, als Großmaul und als launischer Despot. Ihr Ego, heißt es, müsse mit einem Gabelstapler transportiert werden. Wie lebt es sich mit dieser Reputation?“ Seine grüngrauen Augen fixieren das Gegenüber. – „Sie machen Witze!“, sagt er scharf. „Das höre ich zum ersten Mal!“ Eisiges Schweigen auf dem Konferenzdeck der „Rising Sun“. Nur das Fauchen des Windes ist zu hören und das Klatschen der Wellen. Eine gefühlte Ewigkeit lang. Dann platzt das Lachen aus ihm heraus. Er hat gute Laune heute. „Niemand liest gerne Negatives über sich. Aber man gewöhnt sich daran, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Ich versuche, nicht mehr allzu viel von dem zu lesen, was über mich geschrieben wird. Und wenn jemand etwas Positives schreibt, nehme ich es nicht allzu ernst, denn sonst müsste ich auch die negativen Sachen ernst nehmen.“

Sein Gesicht ist von dem Tag auf dem Meer gerötet; auf den Unterarmen zeigt sich ein leichter Sonnenbrand. Fast vier Stunden ist er heute gesegelt, hat die beiden Rennen gewonnen mit dem Team BMW Oracle Racing, das er aus seiner Privatkasse sponsert. Auf derzeit 26 Milliarden Dollar wird sein Vermögen geschätzt. Damit belegt Ellison Platz sechs auf der Liste der Reichsten dieser Welt. Im Jahr 2000 war er sogar die Nummer eins.

„Larry, ist es immer noch Ihr Ziel, wieder der reichste Mensch der Welt zu werden?“ – „Das war nie meine Absicht. Ich glaube nicht, dass irgendjemand, der klar bei Verstand ist, das will. Es ist mit einem Fluch verbunden. Es gab tatsächlich einmal einen Monat, in dem ich vor Bill Gates lag. Ein gemeinsamer Freund sagte mir damals: Bill kondoliert dir!“

Sein Vermögen verdankt Larry Ellison der Softwarefirma Oracle, die er 1975 gründete und zum weltweit größten Anbieter von Datenbanken- und Unternehmenssoftware ausbaute. Dieses Jahr wird Oracle mit seinen 86 000 Mitarbeitern über 35 Milliarden Dollar umsetzen.

In der Branche ist nur Microsoft größer. 113 Milliarden Dollar ist Oracle an der Börse wert, Ellison hält 23 Prozent der Aktien. 2008 bezog er inklusive der Boni und Aktienoptionen 557 Millionen Dollar. Sein Lieblingsauto ist der McLaren-Supersportwagen F1 zum Preis von 900 000 Dollar. Sein Privatjet, Bombardier Global Express, kostet ab 46 Millionen Dollar aufwärts und bietet Platz für 20 Personen. Damit Ellison sie rund um die Uhr benutzen kann, setzte er in monatelangen Auseinandersetzungen mit den kalifornischen Behörden durch, dass für ihn das Nachtflugverbot am Flughafen von San José nicht gilt. Außerdem steuert er ein italienisches Marchetti-Kampfflugzeug. Er versuchte, eine russische MiG-29 zu importieren, scheiterte aber am Widerstand der US-Regierung. „Die findet die Idee überhaupt nicht lustig, dass ich einen Kampfjet fliegen will, der schneller ist als ihre eigenen“, sagt Ellison. Sein größtes Statussymbol aber ist die „Rising Sun“. 138 Meter ist sie lang, 270 Millionen Dollar hat sie gekostet, und 45 Mann Besatzung sorgen für das Wohl der Passagiere.

„Larry, warum baut man sich solch eine Megayacht?“ Ein Glitzern zeigt sich in seinen Augen. Als die „Rising Sun“ 2004 vom Stapel lief, war sie die größte Privatyacht der Welt. Erst in diesen Tagen wird sie in den Schatten gestellt, wenn die 162,5 Meter lange „Eclipse“ dem Russen Roman Abramowitsch übergeben wird. „Gute Frage. Ich wollte ein Schiff, das schön aussieht, niedrig gebaut ist und mindestens 30 Knoten schnell ist. Je länger ein Schiff ist, desto schneller kann es fahren. Die ,Rising Sun‘ fing mit 90 Metern an, und dann hat sie ein Eigenleben entwickelt – sie wurde länger und länger und länger, ich habe die Länge unterwegs aus den Augen verloren. Und wir haben viel Platz hier verschwendet, nur damit es schön aussieht. Das da etwa war gar nicht nötig“, sagt er und deutet aufs Heck. Dort, ein Deck tiefer, hat sich Ellison ein komplettes Basketballfeld einrichten lassen, das auch als Hubschrauberlandeplatz dient. Am Spielfeldrand steht eine Kiste mit Ersatzbällen – für den Fall, dass mal wieder ein Zuspiel über Bord geht.


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mare No. 81

No. 81August / September 2010

Von Marc Kowalsky und Jonathan Becker

Marc Kowalsky, Jahrgang 1970, stellvertretender Chefredakteur des Schweizer Magazins Bilanz, lebt in Zürich. Auf dem Weg zur eigenen Megayacht ist die erste Hürde genommen: Seit drei Jahren besitzt er den Motorbootführerschein.

Der New Yorker Jonathan Becker, geboren 1954, fotografiert seit drei Jahrzehnten Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft, zumeist für Vanity Fair. Der Protegé des großen Fotografen Brassaï wird vertreten von der Agentur Contact Press Images, zu deren Gründungsmitgliedern auch Annie Leibovitz gehört.

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Vita Marc Kowalsky, Jahrgang 1970, stellvertretender Chefredakteur des Schweizer Magazins Bilanz, lebt in Zürich. Auf dem Weg zur eigenen Megayacht ist die erste Hürde genommen: Seit drei Jahren besitzt er den Motorbootführerschein.

Der New Yorker Jonathan Becker, geboren 1954, fotografiert seit drei Jahrzehnten Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft, zumeist für Vanity Fair. Der Protegé des großen Fotografen Brassaï wird vertreten von der Agentur Contact Press Images, zu deren Gründungsmitgliedern auch Annie Leibovitz gehört.
Person Von Marc Kowalsky und Jonathan Becker
Vita Marc Kowalsky, Jahrgang 1970, stellvertretender Chefredakteur des Schweizer Magazins Bilanz, lebt in Zürich. Auf dem Weg zur eigenen Megayacht ist die erste Hürde genommen: Seit drei Jahren besitzt er den Motorbootführerschein.

Der New Yorker Jonathan Becker, geboren 1954, fotografiert seit drei Jahrzehnten Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft, zumeist für Vanity Fair. Der Protegé des großen Fotografen Brassaï wird vertreten von der Agentur Contact Press Images, zu deren Gründungsmitgliedern auch Annie Leibovitz gehört.
Person Von Marc Kowalsky und Jonathan Becker