Zehn Wahrheiten über den Pinguin

mare enthüllt: Der Pinguin, das unbekannte Wesen

1. Der Pinguin fürchtet Eisbären nicht

In der Antarktis gibt es Pinguine, aber keine Eisbären. Am Nordpol gibt es Eisbären, aber keine Pinguine. Besteht da ein Zusammenhang? Sind die Pinguine aus Furcht vor dem Bären nach Süden getürmt? Auch das Gegenteil klingt überzeugend: Die Pinguine wollten nach Norden und haben sich mit dem Humboldtstrom zu den Galápagosinseln treiben lassen. Dort trafen sie auf den Äquatorialen Gegenstrom, der eine Weiterreise in die Arktis verhinderte. Eisbären übrigens sind gelegentlich auf Eisschollen gen Süden gedriftet. Zum Glück trug das Eis nicht lange, und der Showdown fand nie statt.


2. Der Pinguin stinkt

Die Antarktisstation „Esperanza“ bekommt Besuch. Ein Kreuzfahrtschiff geht in der Bucht vor Anker und funkt: „Wir möchten die Pinguinforscher zum Dinner einladen!“ Der Kapitän lässt die Gäste mit dem Beiboot abholen und in den Speisesaal geleiten. Das Ambiente ist luxuriös, das Buffet ein Traum, doch der Abend endet im Eklat. Keiner der Kreuzfahrer möchte bei den Forschern sitzen – zu streng ist der Geruch, der sie umgibt. Wer bei den Pinguinen lebt, kommt mit keiner Seife der Welt gegen den Guano-Mief an. Die Vögel, die in Frack und weißer Hose so elegant wirken, sind in Wahrheit echte Stinktiere.


3. Der Pinguin liebt die Tropen

Galápagospinguine sind die Warmduscher unter den Befrackten: Wassertemperaturen um die 20 Grad sollten es schon sein. Nicht einmal Fressfeinde haben diese Rifftaucher, dafür müssen sie an Land um jedes schattige Plätzchen kämpfen. Sie leben in Höhlen und hecheln wie Hunde nach Kühlung. Doch es kann schlimmer kommen: Umweltverschmutzung und Tourismus bedrohen die rund 5000 Tiere. Vielleicht heißt es bald: abhärten und auswandern in den antarktischen Gefrierschrank!


4. Der Pinguin ist ein Erbschleicher

Auch die Riesenalke Neufundlands, die seit 1844 als ausgestorben gelten, trugen eine Art Frack. Sie hatten Stummelflügel und watschelten lustig. Außerdem waren sie dick, was ihnen das lateinische „pinguis“ eintrug – „fett, wohlgenährt“. Als europäische Entdecker im 16. Jahrhundert vor Feuerland auf ähnlich aussehende Wasservögel stießen, glaubten sie, südliche Vettern der nördlichen Alke gefunden zu haben – und nannten sie Pinguine. Zoologisch jedoch haben Alke und Pinguine so viel gemeinsam wie Störche mit Spatzen.


5. Der Pinguin kann fliegen

Ab einer Geschwindigkeit von 600 km/h würden ihn seine Stummelflügel auch in der Luft tragen. Das haben Experten für Aerodynamik ausgerechnet. Im Wasser kommt er mit seinem Flügelantrieb immerhin auf etwa 15 km/h (der Mensch schafft 7,2 km/h). Dabei ist er – nicht zuletzt dank Stromlinienform – ein echtes Sparmobil. Mit einer Magenfüllung, etwa 1200 Gramm Krill, kommt ein Adéliepinguin 120 Kilometer weit.


6. Der Pinguin ist ganz schön dick

Dass der Pinguin seine Leibesfülle mit Kapitalisten-Conduite spazieren führt, macht ihn zwar noch nicht zum Wirtschaftswundertyp, dazu fehlt ihm mindestens die Zigarre. Aber seine feiste Mir-kann-keena-Attitüde hat etwas vom kalten Kalkül der Old Economy. Sein piekfeiner Aufzug verschafft ihm Schutz nach oben wie nach unten, und seine schweren Knochen erleichtern ihm das Abtauchen, wenn’s sein muss. Ein Pinguin macht sich ziemlich dicke; das ist ihm moralisch anzulasten.


7. Der Pinguin ist gemein

Unbeholfen, harmlos? Von wegen. Die Literatur weist zahlreiche Hinweise auf die bösartige Natur des Befrackten auf. Nehmen wir nur die amerikanische Novelle „Batman Returns“ (1992 von Tim Burton verfilmt). Penguin (Danny DeVito), aufgewachsen in der Kanalisation von Gotham City, und Catwoman (Michelle Pfeiffer) terrorisieren die Stadt. Ein Fall für den fledermausigen Batman. Grausiges Finale: Tausend Pinguine, mit Bomben beladen, tauchen durch die Abwasserkanäle zum Kamikaze-Einsatz.


8. Der Pinguin ist gut zum Heizen

Weddellsee, Oktober 1915. Die „Endurance“ des Polarforschers Ernest Shackleton (rechts) sinkt. Die Crew rettet sich auf eine Eisscholle und schlägt sich zur Elefanteninsel durch. Sie trotzen extremer Kälte und allerhand Stürmen. Ohne Pinguine hätten sie nie überlebt. Die Schiffbrüchigen ernähren sich von Pinguinsteaks und Pinguineintopf. Und heizen ihren Ofen mit Pinguintran. Expeditionsfotograf Frank Hurley (links) schätzt den Pinguinverbrauch der Expedition später auf rund 1400 Vögel.


9. Der Pinguin ist standhaft

Piloten der britischen Luftwaffe meinten, während des Falklandkrieges folgendes Phänomen beobachtet zu haben: Jedes Mal, wenn sie über eine Kolonie Pinguine düsten, hätten die Pinguine den Kopf in den Nacken gelegt, um den Jets hinterherzuschauen. So fasziniert seien sie vom lauten Fluggerät gewesen, dass sie sich immer weiter zurücklegten – und schließlich reihenweise umkippten. Das Interesse der Vogelkundler war geweckt. Es taten sich ungeahnte interdisziplinäre Forschungsfelder auf. Lag hier etwa ein entwicklungspsychologisches Trauma vor: selbst nicht fliegen können und jemandem dabei zusehen müssen, der es kann? Das Team der Forschungsgesellschaft British Antarctic Survey wollte die Menschheit nicht länger im Ungewissen lassen und hat im Jahr 2000 vier Wochen damit verbracht, auf den Falklandinseln Pinguinkolonien zu überfliegen. Mal in 15 Meter Höhe, dann in 25. Von Norden nach Süden, von Westen nach Osten. Mit Flügelwackeln und ohne. Nichts. Die Kolonien blieben standhaft. Kein einziger Pinguin kippte.


10. Der Pinguin friert

2000, ein Tankerunglück vor Australiens Südküste, Öl verklebt das Gefieder der Pinguine. Ihr Kälteschutz ist dahin, beim Putzen schlucken sie Gift. Deshalb verteilen Naturschützer Strickanleitungen und lassen Pullover anfertigen. Aus der ganzen Welt geht Wollwarmes ein: mit Rollkragen oder V-Ausschnitt, in Nationalfarben oder mit Frackmuster.

mare No. 30

No. 30Februar / März 2002

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