Zehn Pferde und Fisch bis zum Abwinken

Das Geheimnis des berühmtesten Fischrestaurants an Albaniens Adria: bester Fisch, Salz, ein Grill – und Bedienung zu Pferde

Die Lagune Karavasta ist ein Naturparadies an der albanischen Adria mit jahrhundertealten Kiefern und exquisiten Wasservögeln wie dem Krauskopfpelikan oder dem Schelladler. Auf dem breiten Strand landet jeden Morgen ein Dutzend Kähne die Fänge an. Das meiste davon kriegt Ali Kali. Der braucht an einem normalen Wochenende rund 400 Kilogramm Fisch, um die „dicken Bäuche“ sattzukriegen. „Dicke Bäuche“, so nennen sie hier die Besitzer großer, schwerer Wagen. Sie kommen aus dem 100 Kilometer entfernten Tirana, längst aber auch aus Mazedonien, Montenegro, Kroatien oder Serbien. Ali Kalis Restaurant dürfte die bekannteste albanische Fischgaststätte sein.

Dabei ist sein Angebot eher karg, es enthält nämlich nur gegrillten Fisch. Doch der ist berühmt. Der Fisch und die Performances des Chefs. Kaum sitzt man unter einer der schattigen Platanen, kommt Ali Kali angespurtet und serviert eine Probe von vier bis fünf Fischen. Sie sind immer gegrillt. Nicht gekocht, nicht gebraten, nicht gedünstet. Nur gegrillt, sagt Ali Kali, würden sie ihren einzigartigen Eigengeschmack entfalten. Dies sei das Besondere an den Fischen der albanischen Adria. Es sind vorwiegend Seebarsche, Meeräschen, Doraden. Wer sich entschieden hat, dem wird aufgetischt, bis er satt ist. Zehn Euro kostet Alis „All you can eat“-Menü, ein Salat mit Schafskäse und zwei Getränke inklusive. Eine Speisekarte gibt es nicht, Männer und Frauen über 65 Jahre essen kostenlos. „Wenn ein Sohn seinen Vater oder seine Mutter zu mir bringt, ist das eine große Ehre“, sagt Ali Kali.

Ali Kali ist ein 1,65 Meter großer Wirbelwind auf zwei Beinen. Er erledigt seine Bedienung stets im Laufschritt. Bis zu zehnmal am Tag ziehe er sich um. Den Laufschritt hat er auch seinem Personal verordnet. Ali Kali rennt nämlich zugleich in höherem Auftrag. Er will die albanische Gesellschaft gesund erhalten. Er meint, dass dies am besten durch Laufen geht. Und durch das Essen von Fisch.

Der Koch immerhin darf stehen bleiben. Obwohl zumindest schon mal getestet wurde, ob er nicht wenigstens auf der Stelle hüpfen sollte. „Nur verpasste er da den richtigen Zeitpunkt, den Fisch vom Feuer zu nehmen“, sagt Ali Kali. Der richtige Zeitpunkt ist das große Geheimnis. Und das Salz, von dem ein genau bemessenes Quantum zum Einsatz kommt. Sonst nichts, schwört der Chef, keine Saucen, keine Gewürze, keine Marinaden.

Ein „dicker Bauch“ mit dem Länderkennzeichen des Kosovo parkt ein, eine Großfamilie aus Priština setzt sich an mehrere Tische. Ali, eben noch an meiner Seite, taucht schon mit einem dampfenden Grillhalter auf, darin die Probierhappen. Kein Zweifel, der 51-Jährige ist gut in Form. So gut, dass er schon mal Wetten anbietet, ihn bei einem 3000-Meter-Rennen am Strand zu schlagen. Allerdings mit zusätzlichen 100 Kilogramm Fisch auf den Schultern. Verliert er, kriegt der Gewinner sein Restaurant. „Außer die Pferde. Die nehme ich mit“, sagt Ali Kali.

Zehn Pferde gehören ebenfalls zum Personal seines Etablissements. Wenn Ali Kali nicht rennt, serviert er in vollem Galopp. Die besten Tiere stammen von der Schimmelmutter Akace, die einst in Werbespots des albanischen Fernsehens brillierte – entspannt in einem Liegestuhl lümmelnd, mit den Hufen ein Handy am Ohr haltend. Ihre Nachkommen haben so etwas noch nicht drauf, aber es reicht für ein paar erstaunliche Vorführungen. Dabei fallen sie etwa aus dem Galopp in den Sand, direkt vor die Tische, während Ali im Abspringen die Fische auf die Teller wirft. Ebenso bemerkenswert jene Fähigkeit, die im Albanien der Gegenwart keine un-wesentliche Rolle spielt: „Sie riechen Waffen“, sagt Ali Kali.

In den Foren des Balkans geht die Diskussion, ob sein Restaurant wegen der Trickgäule oder eher wegen der Fische so berühmt ist. Oder wann endlich der Restaurantrekord gebrochen wird. Der liegt seit Jahren bei 26 hintereinander verschlungenen Meeräschen, aufgestellt von einem Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft. „Ich habe noch in der Schule gelernt, dass die Amis uns vernichten wollen. Jetzt weiß ich auch, wie“, sagt Ali Kali mit einem Lächeln.


Ofendorade albanischer Art

Zutaten (für vier Personen)
4 Doraden, 4 Frühlingszwiebeln, -
1 Bund Petersilie, 3 Tomaten, 3 kleine scharfe Paprika, 4 Zitronenschnitze, Olivenöl, 2 Becher Schmand, 20 g Maismehl, schwarzer Pfeffer, je Fisch 1/2 TL Salz.

Zubereitung
Fische ausnehmen, aufklappen, mit klein geschnittener Petersilie, Tomaten, Zwiebeln, Paprika, Zitrone und Salz füllen, zuklappen, mit Öl beträufeln und bei 250 bis 300 Grad im Ofen backen, bis der dabei austretende Saft verdunstet ist. Fische herausnehmen. Den Schmand mit Wasser verdünnen und darübergießen, Pfeffer und Maismehl mit Öl vermischen und auf die Fische streichen, dann zurück in den Ofen geben und knusprig backen.

Restorant & Bar Ali Kali
Parku Kombëtar Divjakë-Karavasta,
9022 Divjaka, Albanien;
Telefon +355 68 596 5108;
geöffnet -täglich von 10 bis 22 Uhr.

mare No. 127

April / Mai 2018

Von Maik Brandenburg und Dmitrij Leltschuk

Maik Brandenburg, Jahrgang 1962, studierte Journalistik und arbeitet als freier Autor, u.a. für mare, Geo, Merian. Leidenschaftlicher Vater und Reportage-Fan. Er lebt mit seiner Familie auf der Insel Rügen.

2012 wurde Dmitrij Leltschuk für Henry Nannen Preis nominiert. Sein Bildband Die Sandmenschen von Schoina. erschien 2013 und 2014 gewann Leltschuk den Greenpece Photo Award mit seiner Bildserie „Komische Arktis“. 2015 haben gleich vier Spiegel-Titelseiten mit den Fotografien von Dmitrij Leltschuk Lead Awards als beste Titelseite gewonnen und wurden zudem mit dem ADC Award 2016 ausgezeichnet. Im selben Jahr erschien sein zweiter Bildband Schottland im mare Verlag, welcher mit dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet wurde.

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Vita Maik Brandenburg, Jahrgang 1962, studierte Journalistik und arbeitet als freier Autor, u.a. für mare, Geo, Merian. Leidenschaftlicher Vater und Reportage-Fan. Er lebt mit seiner Familie auf der Insel Rügen.

2012 wurde Dmitrij Leltschuk für Henry Nannen Preis nominiert. Sein Bildband Die Sandmenschen von Schoina. erschien 2013 und 2014 gewann Leltschuk den Greenpece Photo Award mit seiner Bildserie „Komische Arktis“. 2015 haben gleich vier Spiegel-Titelseiten mit den Fotografien von Dmitrij Leltschuk Lead Awards als beste Titelseite gewonnen und wurden zudem mit dem ADC Award 2016 ausgezeichnet. Im selben Jahr erschien sein zweiter Bildband Schottland im mare Verlag, welcher mit dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet wurde.
Person Von Maik Brandenburg und Dmitrij Leltschuk
Vita Maik Brandenburg, Jahrgang 1962, studierte Journalistik und arbeitet als freier Autor, u.a. für mare, Geo, Merian. Leidenschaftlicher Vater und Reportage-Fan. Er lebt mit seiner Familie auf der Insel Rügen.

2012 wurde Dmitrij Leltschuk für Henry Nannen Preis nominiert. Sein Bildband Die Sandmenschen von Schoina. erschien 2013 und 2014 gewann Leltschuk den Greenpece Photo Award mit seiner Bildserie „Komische Arktis“. 2015 haben gleich vier Spiegel-Titelseiten mit den Fotografien von Dmitrij Leltschuk Lead Awards als beste Titelseite gewonnen und wurden zudem mit dem ADC Award 2016 ausgezeichnet. Im selben Jahr erschien sein zweiter Bildband Schottland im mare Verlag, welcher mit dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet wurde.
Person Von Maik Brandenburg und Dmitrij Leltschuk