Zapfenstreich am Leuchtturm

Mit der Aussetzung und damit dem faktischen Aus der Wehrpflicht endet auch der Zivildienst. Der Naturschutz an Deutschlands Küsten steht nun vor gewaltigen Personalproblemen

Ein König ist ja ziemlich privilegiert, aber vor dem Priel, wenn es auf das richtige Schuhwerk ankommt, sind alle gleich. Die Zivildienstleistenden und Praktikanten, die Freiwilligen und Ehemaligen am Leuchtturm singen ein Lied, es heißt „Könige von Westerhever“, geschrieben hat es 2005 die Praktikantin Katja. Erzählt wird vom Leben am Leuchtturm, von Witterung, Gezeiten, von harter Arbeit und Erfüllung. Der Refrain lautet: „Du kannst nur einmal König sein im Leben, /und nur einmal bist du so reich. /Du hast die Sonne und die Vögel und das Meer/und die Schafe auf dem Deich.“

Philip singt das Lied gerne mit, aber jetzt am Priel vor der Sandbank von Westerhever merkt der Zivildienstleistende, dass in seinen Lieblingsgummistiefeln ein Loch ist. Das Wasser steigt, Philip sieht sich um. Es ist März, die Temperatur um den Gefrierpunkt. Zurückgehen? Nein. Die nächsten Stunden wird er auf der Sandbank sein Tagwerk vollbringen. Da klemmt sich der König das Stativ zur Vogelbeobachtung unter die Schulter und hüpft auf einem Bein durchs Wasser. In jungen Jahren sind Demut und praktische Lösungen noch nah beieinander. Die Arbeit kann kommen, das Hochwasser auch.

Philip Schierning ist Zivildienstleistender der „Schutzstation Wattenmeer“ am Westerhever Leuchtturm auf der Halbinsel Eiderstedt, und mit allem, was er tut, nimmt er ein bisschen Abschied. Denn wenn seine Dienstzeit Ende Juli endet, wird ihm kein Zivildienstleistender folgen. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht, ihrem faktischen Ende, endet auch der Zivildienst in Deutschland. Philip ist der Letzte seiner Art. Die „Zivis“ sind dann Geschichte. Das führt vor allem im Gesundheitssystem und in sozialen Einrichtungen zu gewaltigen Umwälzungen, aber auch Natur- und Umweltschutz stehen vor einer neuen Ära. Allein an den Stationen im Nationalpark Wattenmeer sind um die 30 Zivildienstplätze anerkannt, auf Sylt, Föhr, Amrum, Pellworm, den Halligen und am Festland. Ohne diese Kräfte wären das Meer und die Ufer und die Tiere nicht zu schützen.

 

 

Philip findet auf seinem Gang über die Sandbank zuerst eine tote Eiderente. Sie könnte schon vor ein paar Tagen verendet sein. Später wird der 20-Jährige mit dem Ornithologen der Station sprechen, um die Ursache herauszufinden. Heute ist Springtide, die Flut steigt höher als üblich. Die Sandbank wird um kurz vor zwei Uhr nachmittags deshalb ein Stück kleiner sein als üblich. Alle zwei Wochen bei Springtide werden die Rastvögel im Wattenmeer gezählt. Zwei Kollegen Philips, die ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) absolvieren, sind zur Zählung am Deich und weiter südwärts gegangen.

Ein paar Kilometer weiter kommen wir an die Rettungsbake. Die Leiter liegt im Sand, Eisschollen haben sie so weit verbogen, dass sie aus der Befestigung gerissen ist. Philip stellt das Spektiv auf, schaut durch die gewaltige Linse und beginnt mit einer Gruppe Austernfischer, die weiter nördlich hocken, den „Aufis“. Alle zehn Vögel klickt er sein Zählinstrument. Bevor er hier anfing, erzählt er, kannte er sich mit Vögeln überhaupt nicht aus, so wie fast alle Zivis der Schutzstation. Bald konnten sie „Aufis“ von „Alpis“, Alpenstrandläufern, unterscheiden, „Simös“ (Silbermöwen) und „Stumös“ (Sturmmöwen), auch Brand-, Nonnen- und Ringelgänse. Die Zivildienstleistenden brauchen das Wissen nicht bloß für die Zählungen, sondern auch für die Touristenführungen.


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mare No. 86

No. 86Juni / Juli 2011

Von Holger Kreitling und Jan Windszus

Holger Kreitling, Jahrgang 1964, ist Redakteur der Wel“ im Ressort Reportage und Vermischtes. Seinen Zivildienst leistete er in der Sozialstation Bad Nauheim. Ebenso wie Jan Windszus, Jahrgang 1976, freier Fotograf in Berlin, der seinen Zivildienst mit der Betreuung eines MS-Kranken verbrachte, entdeckte er in den Tagen am Leuchtturm auch ein paar seiner eigenen Ideale aus dieser Zeit wieder.

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Vita Holger Kreitling, Jahrgang 1964, ist Redakteur der Wel“ im Ressort Reportage und Vermischtes. Seinen Zivildienst leistete er in der Sozialstation Bad Nauheim. Ebenso wie Jan Windszus, Jahrgang 1976, freier Fotograf in Berlin, der seinen Zivildienst mit der Betreuung eines MS-Kranken verbrachte, entdeckte er in den Tagen am Leuchtturm auch ein paar seiner eigenen Ideale aus dieser Zeit wieder.
Person Von Holger Kreitling und Jan Windszus
Vita Holger Kreitling, Jahrgang 1964, ist Redakteur der Wel“ im Ressort Reportage und Vermischtes. Seinen Zivildienst leistete er in der Sozialstation Bad Nauheim. Ebenso wie Jan Windszus, Jahrgang 1976, freier Fotograf in Berlin, der seinen Zivildienst mit der Betreuung eines MS-Kranken verbrachte, entdeckte er in den Tagen am Leuchtturm auch ein paar seiner eigenen Ideale aus dieser Zeit wieder.
Person Von Holger Kreitling und Jan Windszus